Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
Freitag,
8.4.2005
„Nachgedanken“
Ich
las am Abend diese Sonetten. Jenes: „Es soll geschehen!“
Sonetten:
Aus der Erde und aus dem Himmel, aus Gott und aus dem Menschen
entstanden und genommen.
Geschaffen
in Freude, geschaffen im Schmerz, wie jede Sache, die in der Liebe
ihren Anfang hat.
Geschaffen
auch in Angst, geschaffen
im ständigen Zweifel, dass das Unwahrheit ist und Trug und nichts
mehr.
Aber
irgendeine Kraft der Seele sagte: Doch, das ist die Wahrheit –
vielleicht keine Wahrheit der Welt, aber deine Wahrheit.
So
eine Wahrheit hast du gewählt und so hast du die Dinge gesehen.
Rede!
So
ist die Fügung deines Schicksals. Rede! Ich befehle dir. Durch
Schmerzen und Zweifel, durch Schwachheit und Mühsal: Rede!
Und ich sprach, was ich dachte, was ich verlangte, was ich
ahnte.
Vor
dieser Zeit habe ich die Tiefen der Niedergeschlagenheit, der
Ungewissheit und der Verneinung erlebt.
Und
damals ist zu mir ein Geist mit den anderen Geistern hinabgestiegen:
Ein Engel, groß im Wort, und sagte zu mir: „Glaube!“
Und
die Menschen kamen zu mir, und die Zauber kamen und ich sah.
Und
mein Glaube ist stärker geworden.
Und
mein Glaube ist ruhiger geworden.
Zu
dem Gewölbe geht sie schon, meine Kirche, der Tempel meiner Seele.
Und
jetzt, wenn ich zur Erinnerung bringe, welche Fundamente ich gelegt
habe: zu euch richtet sich mein Gedanke, die wir zusammen sind in
dem gleichen Weingarten.
Wo
bist du mein Bruder? Der du mich das Geheimnis der Morgengrauen
lehrtest, der du mir die Schönheit dieser Erde auf die Augen
legtest, wie ein Geflecht von Engelshaar.
Wo
bist du? – Ich weiß nicht. – Ich weiß nur, dass du leidest.
Nur das weiß ich.
Aber
ich glaube, durch die Tage des Leidens, dass
wir gemeinsam aufstehen.
Aus:
Karol Wojtyla „Die Jugendgedichte des Papstes“, Styria Verlag
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