Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Pfarrer Maximilian Tödtling

 

 

Sonntag, 24.4.2005

Wenn unser Leben durch Krankheit oder schwere Krisen bedroht ist, stellen sich viele Fragen. Fragen nach dem Sinn und Ziel, nach Gott und seiner Gerechtigkeit. Ist das ein Zeichen des Nicht-Glaubens oder Un-Glaubens? Für mich nicht. Denn Glauben bedeutet für mich zuerst, eine lebendige Beziehung zu Gott haben. Und zu jeder Beziehung gehören Fragen und Krisen, Höhen und Tiefen. Das ist Ausdruck von lebendiger Beziehung. Wo es keine Fragen und Zweifel mehr gibt, kann Beziehung schon eingeschlafen oder tot sein.

 

In der Osterzeit begegnet uns in den Evangelien immer wieder Thomas, der zu Unrecht der Ungläubige genannt wird. Er hat seine Fragen und Bedenken, seine Zweifel an Jesus und der Auferstehung, und er spricht sie deutlich aus. Das vertieft seine Freundschaft zu Jesus und seinen Glauben. Uns hinterlässt er ein schönes Zeugnis: Gott hält unsere Fragen und Zweifel aus, ja, er nimmt sie ernst! Und: Glauben und Zweifel sind keine Gegensätze sondern gehören zusammen!

 

Montag, 25.4.2005

Auch heuer war ich wieder im Kindergarten von St. Stefan ob Leoben zur Segnung des Osterbrotes eingeladen. Die Kinder sangen Lieder, sagten Gedichte auf und ich las ihnen die Erzählung vom Tod und der Auferstehung Jesu aus der Kinderbibel vor. „Jesus ist auferstanden“ endet dieses Osterevangelium. „Was heißt das denn: Er ist auferstanden?“ fragte ich die Kinder. „Jesus lebt!“ kam es sehr spontan von mehreren Kindern zugleich. „Ja, Jesus lebt.“ bestärkte ich die Kinder. „Er lebt auch heute noch, wir können ihn zwar nicht mehr sehen, aber wir können ihn spüren in unserm Herzen!“. Da entgegnete der kleine Klemens, gerade 4 Jahre alt: „Ja, und ich spür Jesus manchmal in meinem Bauch knurren!“. Diese Aussage hat mich sehr erheitert und auch ein wenig beschämt. So viel kindlichem Glauben bin ich noch nie begegnet. Nicht umsonst mahnt uns Jesus: „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, könnt ihr nicht in das Himmelreich gelangen.“

Im unmittelbaren Zugang zum Glauben und zu Gott können wir wirklich viel von den Kindern lernen.

 

 

Dienstag, 26.4.2005

Mein früherer „Chef“ Pfarrer Schrei aus Knittelfeld sprach oft von den Kinderschuhen des Glaubens, die den Erwachsenen nicht mehr so recht passen wollen. Wir leben in einer Zeit großer und rasanter Veränderungen und müssen uns in unserem Alltag, in Beruf und Freizeit ständig anpassen und weiter entwickeln. Nur im Glauben scheint es solche Entwicklung kaum zu geben. Viele haben sich in ihrer Schulzeit zum letzten Mal mit Glauben und Kirche auseinandergesetzt. Nach langer Zeit merken sie dann, dass ihnen diese religiösen „Kinderschuhe“ nicht mehr passen und schließen daraus, dass der Glaube nicht mehr zu ihnen passt. Kaum einer käme aber auf die Idee, wenn Schuhe nicht mehr passen, das Tragen von Schuhen überhaupt in Frage zu stellen. Man kauft sich neue, größere, passendere.

Ist es nicht auch immer wieder an der Zeit, sich neue, entsprechendere Formen und Ausdrucksformen des Glaubens anzueignen?

Damit meine ich die lebendige Auseinandersetzung mit Leben und Glauben, mit Gott und der Welt, und das nicht nur, wenn uns der „Schuh“ drückt!

 

 

Mittwoch, 27.4.2005

Zur Zeit erleben wir eine spannende Zeit der Kirchengeschichte. Mit dem neuen Papst erhoffe ich mir einen neuen Aufbruch in der Kirche. Immer wieder ist dieser Aufbruch notwendig. Das Christentum ist eigentlich eine Religion des Aufbruchs, wie es auch das Zweite Vatikanische Konzil festgehalten hat: ecclessia semper reformanda – Die Kirche braucht immer wieder Reformen! Wir brechen neu auf, als Gemeinschaft der Kirche gemeinsam mit Jesus im Heiligen Geist. Der neue Aufbruch macht mir viel Hoffnung und Mut. Die Kraft der Auferstehung, die wir zu Ostern gefeiert haben und jeden Sonntag feiern, treibt uns zu neuen Aufbrüchen, und im Aufbruch wird diese Kraft besonders erfahrbar. Ostern pur sozusagen.

Wohin es gehen wird, kann ich jetzt nicht genau sagen, aber eines weiß ich bestimmt: Wenn es ein Weg mit Gott wird, dann kommen wir auch an die Ziele, die ER für uns gedacht hat.

Es braucht nur ein wenig Mut und Vertrauen. Ein Vers aus dem Psalm 18 will uns bestärken: „Mit meinem Gott überspringe ich Mauern!“.

 

 

Donnerstag, 28.4.2005

„Glauben heißt: Nichts wissen!“ sagen mir manche Kritiker der Kirche. Sie haben gar nicht unrecht. Denn zuerst hat Glauben vielmehr mit Vertrauen und Liebe zu tun als mit Wissen und Wissenschaft. Mir gefällt das lateinische Wort für „Ich glaube“, das auch unserem Glaubensbekenntnis den Namen gegeben hat, sehr gut, nämlich „credo“. Dieses Wort setzt sich nämlich aus „cor“, das heißt: das Herz, und „do“, „ich gebe“ zusammen. Sprache schafft hier Wirklichkeit: „Ich glaube“ meint auf Latein „ich gebe mein Herz“. Ich gebe mein Herz an den einen Gott, mein Herz gehört ihm, bei Gott ist mein Herz festgemacht. Bei Gott habe ich Halt.

Das ist für mich zuerst gemeint, wenn ich vom Glauben spreche. In der Osterzeit erhält mein Glaube neuen Schwung, die Freundschaft mit Gott lebt auf, das Vertrauen auf ihn wird gestärkt.

„Credo“ – ich glaube – immer neu ist mein Glaube herausgefordert und gefragt, und das stärkt ihn. Diese Freundschaft mit Gott trägt mich.

 

 

Freitag, 29.4.2005

Glauben, das ist für mich in erster Linie Liebe und Vertrauen zum Gott des Lebens. Das schließt aber die geistige Auseinandersetzung mit Gott und der Welt nicht aus. Im Gegenteil: ich muss nicht – salopp gesprochen – mein Hirn abgeben, wenn ich ein gläubiger Mensch und guter Christ sein möchte. Glaube sucht geradezu das Verstehen. Nicht umsonst hat Gott den Menschen ein Gehirn und einen brillanten Geist geschenkt. Seit Beginn der Menschheit versuchen Denker und Theologen in geistiger Auseinandersetzung die Wirklichkeit des Glaubens und der Welt zu verstehen und zu erklären. Atemberaubend und kühn sind manche Gedanken und Ansätze. Aber alles Denken und Studieren vertieft letztlich unseren Glauben und will uns bewusster zum Gott des Lebens führen.

 

 

Samstag, 30.4.2005

Wir Menschen des 21. Jahrhunderts leben in einer Zeit, in der unsere Lebensbereiche mehr und mehr auseinander klaffen. Beruf, Familie, Freizeit sind selbständige Bereiche unseres Lebens, von denen der eine mit dem anderen oft gar nichts zu tun hat. Das trifft auch den Glauben und die Religion in besonderem Maß. Unser Glaube ist ein Bereich des Lebens geworden, der vielleicht am Sonntag eine Stunde in Anspruch nimmt, aber sonst keine Auswirkungen auf unser Leben hat.

Ganz anders ist da meine Erfahrung: Glaube und Leben gehören ganz eng zusammen. Ich wage sogar zu sagen: Glaube und Leben sind verschiedene Seiten der einen Wirklichkeit. Im Glauben kann ich mein Leben mit dem Gott des Lebens gestalten, jede Freude hat bei Gott ihren Ursprung, alles Leid ist bei ihm aufgehoben. Im Leben kann sich mein Glaube zeigen und bewähren. Im Umgang mit mir selbst, mit  meinen Mitmenschen, mit der Schöpfung findet mein Glaube lebendigen Ausdruck.