Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von Dr. Johann Pock,
Priester und Dozent für Pastoraltheologie in Graz
Sonntag, 17.7.2005
Das Fahrrad als
pastorales Werkzeug
Als Grazer liebe ich mein
Fahrrad – und wenn es irgendwie möglich ist, fahre ich mit dem Rad
zur Arbeit an der Universität. Ich bin mit dem Fahrrad zwar
ausgesetzter als mit dem Auto – und ich werde auch immer wieder mal
nass. Aber ich bin auch unabhängiger – und ich kann jederzeit stehen
bleiben und mit Menschen reden, die mir begegnen. Für mich ist das
Fahrrad daher ein wichtiges seelsorgliches Werkzeug: Gerade in
unserer Zeit, wo alles schnell gehen muss, zwingt es mich, langsamer
zu sein - und das ist für mich als Seelsorger sehr wichtig. Denn
Glauben weitergeben, dazu braucht es Zeit; dazu muss ich mit
Menschen in Kontakt treten können.
Ich wehre mich dagegen,
wie auf einer Autobahn durch die Seelsorge zu flitzen – und die
Lärmschutzwände halten die Fragen der Leute von mir ab. Ich finde es
sehr schade, dass wir nicht mehr Wege in der Seelsorge mit dem Rad
machen können, sondern oft viel zu schnell mit dem Auto von einer
Messe zur nächsten rasen müssen. Eine Fahrradpastoral würde den
Menschen gut tun – und auch so manchen Seelsorgern.
Montag, 18.7.2005
Das Lenkrad als Symbol
für Entscheidungen
Eines der wichtigsten
Teile eines Autos ist das Lenkrad. Ohne Lenkrad ist das beste Auto
wertlos. Nur mit dem Lenkrad kann ich das Fahrzeug dorthin
manövrieren, wo ich hin will. So ist das Lenkrad für mich ein Symbol
unserer Zeit: Jeder von uns muss ständig Entscheidungen treffen. Das
beginnt bei Kleinigkeiten wie: Was ziehe ich heute an? Was koche ich
heute? Und es geht bis hin zu großen Lebensentscheidungen: Welchen
Beruf wähle ich? Mit welchem Partner will ich mein Leben verbringen?
Das Bild des Lenkrads sagt: Ich habe meinen Weg in der Hand. Ich
kann jederzeit nach rechts oder links abbiegen – oder ich kann sogar
umkehren.
Wie alles im Leben ist
aber auch das Lenken nicht so einfach. Mein erster Versuch mit dem
Auto endete im Straßengraben – weil ich zu schnell und heftig
gelenkt habe. Lenken verlangt Gefühl und Vorausschau. Für die
Entscheidungen in meinem Leben lerne ich daraus, nicht zu rasch zu
entscheiden – aber auch nicht ewig zu warten. Denn auch wenn ich
nicht lenke, treffe ich eine Entscheidung! Als Christ habe ich
schließlich noch eine Hoffnung: dass Gott mich nicht ganz falsch
fahren lässt.
Dienstag, 19.7.2005
„Wer hat an der Uhr
gedreht“: Die Uhrrädchen als Zeichen für das Leben
Schon als kleines Kind
haben mich Uhren fasziniert – vor allem ihr Innenleben. Ich habe sie
auseinander genommen – nicht gerade zur Freude meiner Eltern - und
ich habe die vielen Rädchen bewundert. Wie vieles da zusammenstimmen
muss, damit die Uhrzeit stimmt! Es braucht Rädchen, die sich
schneller drehen – und andere, die sich langsamer drehen. Am
spannendsten dabei ist für mich die so genannte „Unruhe“: ein
kleines, zartes Rädchen, das das Uhrwerk in Schwung hält.
Für mich sind diese
Uhrrädchen ein wunderbares Zeichen für mein Leben: Da gibt es so
viele Rädchen, die zusammenspielen, damit ich richtig ticke. Und da
braucht es auch diese „Unruhe“, damit ich etwas weiterbringe. Uhren
mit einer Unruhe – die muss man immer wieder mit einem Rädchen außen
an der Uhr aufziehen. Wenn der innere Antrieb fehlt, bleibt die Uhr
stehen. Vielleicht kann ein kleines Gebet, ein schöner Text, ein
kurzer schöner Gedanke die eigene Uhr des Lebens immer wieder in
Gang halten – bis es einst diesen Antrieb, diese Unruhe nicht mehr
braucht, weil ich am Ziel bin. Wie es der heilige Augustinus gesagt
hat: „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir, o Herr.“
Mittwoch, 20.7.2005
Das Reserverad – in der
Not soll es funktionieren
Wenn ich den Kofferraum
meines Autos öffne, bemerke ich manchmal das Reserverad. Eigentlich
nimmt es mir da viel Platz weg und es ist mir lästig. Ich schaue
meist nicht einmal nach, ob es genug Luft hat. Und dennoch vertraue
ich darauf: Wenn ich irgendwo eine Panne habe, dann kann es mir
helfen.
Solche Reserveräder gibt
es gewissermaßen auch in meinem Leben: Menschen, die ich vielleicht
sonst nicht beachte – und die in der Not plötzlich für mich da sind.
Personen, die gerade dann wichtig werden, wenn mir eine Krankheit
oder ein Unglück den normalen Alltag plötzlich stoppt.
Ein solches Reserverad
kann aber auch der Glaube sein. Dort, wo alle Stricke reißen, wo
sonst kein Halt ist – da ist es gerade der Glaube, der Stütze sein
kann. „Not lehrt beten“ heißt es immer wieder. Aber nur darauf zu
vertrauen, dass in der Not schon jemand da sein wird, scheint mir zu
wenig. Ich muss mich auch im Alltag um gute Freunde, um meinen
Glauben sorgen – dann kann ich hoffen, dass ich auch in der Not
nicht allein bin.
Donnerstag, 21.7.2005
Dreirad - Stützrad
Es ist eine spannende
Entwicklung, wenn Kinder vom Dreirad auf das Fahrrad mit Stützrädern
umsteigen – und dann lernen, ohne Stützräder das Gleichgewicht zu
halten. Für mich ist das ein Symbol für mein Leben: Es braucht die
Zeit der Kindheit und Jugend, wo ich noch gehalten werde; wo ich
versuche, bereits meinen Weg zu gehen – aber da gibt es immer noch
Stütze von Eltern, von Verwandten oder von Lehrern, um nicht aus dem
Gleichgewicht zu kommen. Als Erwachsener hat man diese Stützräder
nicht mehr automatisch. Viele wollen auch niemanden mehr, der ihnen
Ratschläge erteilt.
Für mich ist da aber der
Glaube ein solches unsichtbares Stützrad, das mich im seelischen
Gleichgewicht halten kann. Und es sind Freunde, auf deren Rat ich
vertraue. Denn ich weiß nicht, was nach der nächsten Kurve des
Lebens ist; ob da eine Krankheit oder ein Unglück wartet, das mich
aus dem Gleichgewicht bringen könnte. Aber ich weiß, dass ich mich
auf Freundinnen und Freunde verlassen kann, die mich stützen, wenn
ich aus dem Gleichgewicht gerate – und dass ich auf einen Gott
vertrauen kann, der mich nicht umfallen lässt.
Freitag, 22.7.2005
Das fünfte Rad am Wagen
Wer von uns kennt das
nicht: die Kinder, die bei Spielen am Rand zuschauen müssen; die
„Mauerblümchen“, die zu keinem Tanz aufgefordert werden; die
MitarbeiterInnen, die als überflüssig eingestuft und gekündigt
werden. Es ist die Erfahrung, das „fünfte Rad am Wagen“ zu sein. Es
ist keine schöne Erfahrung, nicht gebraucht zu werden.
Wenn ich die Bibel
anschaue, dann hatte Jesus genau zu diesen Menschen eine besondere
Zuneigung: Unbeachtete Menschen werden bei ihm plötzlich wichtig:
Kinder, die sonst nichts zu sagen hatten, stehen in der Mitte. Er
traut Fischern zu, dass sie predigen und heilen.
Überflüssig zu sein - ich
meine, dies ist eine der größten Ängste vieler Menschen heute: junge
Menschen ohne Arbeit, ausgemusterte ältere Menschen, alte, kranke
und hilflose Menschen – sie machen die Erfahrung, dass sie für die
Gesellschaft anscheinend überflüssig sind. Doch wie vieles könnten
gerade sie an Erfahrung beitragen. Ich habe viel von meinem Glauben
und für meine Priesterberufung von meiner fast blinden,
gehbehinderten Oma mitbekommen – überflüssig für den Arbeitsprozess
– aber wertvoll in ihrem Glauben.
Samstag, 23.7.2005
Das Glücksrad
Spielen sie Lotto – oder
haben sie schon mal etwas gewonnen? Jeder möchte gewissermaßen am
Glücksrad drehen und hofft, dass es bei Höchstsummen stehen bleibt.
– Und die meisten machen die Erfahrung: Ich kann das Glück nicht
erzwingen. Glück – das ist ein sehr doppeldeutiges Wort: Es bedeutet
einerseits das zufällige Glück: einen Gewinn; das Verhindern eines
Unfalls – „Glück gehabt!“
Aber Glück meint noch
etwas viel Tieferes: Ist es nicht die Sehnsucht eines jeden
Menschen, glücklich zu sein? Und das hängt dann nicht unbedingt am
Geld, an Reichtum oder Erfolg – sondern oft an Menschen, die einen
lieben; an der Zufriedenheit mit sich und der Umwelt; Glück liegt
oft an kleinen alltäglichen Dingen, die mir Freude machen; und für
viele Menschen liegt Glück in der Gesundheit oder dem Wohlergehen
ihrer Kinder.
Dieses Glück hängt Gott
sei Dank nicht vom zufälligen Drehen eines Rades ab; vielmehr hängt
es an dem, was wir theologisch als „Gnade“ bezeichnen: Dass unser
Gott für jeden Menschen das Beste will. Wie mein Glück aussieht, da
haben vielleicht Gott und ich unterschiedliche Vorstellungen – aber
ich glaube, dass er weiter blickt als ich. Das Glück, das er für
mich vorgesehen hat, endet nicht mit dem Tod – sondern im Himmel.
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