Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von
Betriebsseelsorgerin Susanne Hammer
Sonntag, 14.
August 2005
Heute
ist Sonntag, der Tag der Familien, der Tag der Erholung und der Tag
Gottes. An den dienstfreien Sonntagen meines Mannes unternehmen wir
zumeist einen Ausflug in die Berge und kommen berührt von der Natur
oder erschöpft von den Anstrengungen des Weges zurück.
Danach
haben wir ein anderes Gefühl als wenn wir die freie Zeit
verstreichen lassen oder jeder sich einer eigenen Beschäftigung
widmet.
Bei
einem Ausflug unseres Betriebseelsorgezentrums hatte eine Frau genau
dieses Gefühl der vertrauten Gemeinschaft und des erfüllenden
Miteinanders. Sie freute sich schon Tage zuvor auf den diesjährigen
Ausflug an den Alatsee. Als ein traumhaftschöner Tag und viele gute
Gespräche bei einem köstlichen Abendessen in einem Gasthaus
endeten, wurde viel gescherzt, aber auch belastende Erfahrungen des
Alltags offen ausgesprochen. Beim Nachhauseweg sagte die allein
erziehende Mutter:„Unsere Gemeinschaft tut mir so gut.
An
solchen Tagen wie heute fühle ich mich richtig wohl.“
Gemeinschaft
die gut tut, kann man schenken und suchen oder man kann sich dafür
keine Zeit nehmen. Heute ist Sonntag ich will mal sagen, der Tag der
Gemeinschaft mit Gott und mit den Mitmenschen.
Montag, 15.
August 2005
„Das
Auge führt den Menschen in die Welt. Das Ohr führt die Welt in den
Menschen.“(Lorenz Onken)
Diese
zwei Sätze von Lorenz Onken begleiten mich in den letzen Tagen. Ich
frage mich, für was habe ich ein offenes Auge, was sehe ich? Was
sehe ich nicht? Wohin führen meine Augen meine Blicke? In
welchen
Teil der Welt lasse ich mich in den „Augen-blicken“ meines
Alltags, meines Werktags, meiner freien Zeit führen?
Und
anders „das Ohr führt die Welt in den Menschen“. Wem leihe ich
mein Ohr, dem der am Lautesten, am beharrlichsten ruft oder dem, der
es am Notwendesten braucht? Wem oder was schenke ich heute mein Gehör,
auf was höre ich in meinen Gesprächen, Begegnungen und bei meinen
Erlebnissen?
„Das
Auge führt den Menschen in die Welt und das Ohr führt die Welt in
den Menschen.“ Es sind meine Augen und Ohren, die meine
Wahrnehmung unserer - dieser -einen Welt weiten oder verengen, die
mich Zusammenhänge erkennen lassen. Es sind meine Sinnesorgane, die
mir Werkzeug sind, bei meinem „werkeln“ am heutigen Tag.
Dienstag, 16.
August 2005
Bei
einem Betrieb ist mir aufgefallen, dass große Unterschiede in der
Arbeitszufriedenheit der einzelnen Angestellten bestehen.
So
gibt es in der einen Abteilung kaum Fluktuation der Arbeitenden.
Dort herrschen eine hohe Arbeitszufriedenheit und ein gutes
Betriebsklima. Nur Alters bedingt gibt es ab und zu eine Veränderung
des Personals. Im selben Betrieb gibt es eine paar Türen weiter in
der nächsten Abteilung, ständigen Personalwechsel, abgearbeitete
Angestellte und Unzufriedenheit mit der beruflichen Situation.
Warum
kann das bei der gleichen betrieblichen Führung solche Unterschiede
geben. Mir ist bei Gesprächen aufgefallen, dass es dabei mehrere
Ursachen gibt: einerseits sind die Aufgabenstellungen in den
Abteilungen unterschiedlich schwierige und bekommen geringe oder große
Anerkennung von der Leitung... aber es liegt auch an den einzelnen
dieser Abteilung, dass sie es nicht schaffen miteinander ein offenes
Wort über ihre Arbeitssituation zu sprechen. Sie trauen sich nicht
den großen Schritt aus ihrer Vereinzelung zu einer gelebten
Solidarität, die sie stärken würde, mehr Anerkennung für ihre
Arbeit und bessere Arbeitsbedingungen zu bekommen.
Aber
aus seinem Innersten herauszutreten ist ein großes Wagnis und sich
auf seinen Kollegen verlassen zu können ist ein großes Geschenk in
Zeiten hoher Arbeitslosigkeit – an dem ich mich heute traue ein Stück
zu bauen.
Damit
Solidarität nicht nur ein großes Wort sondern eine Erfahrung in
meinem leben wird.
Mittwoch, 17.
August 2005
Letzte
Woche hat mir ein Mitarbeiter eines Unternehmens erzählt: „Auf
unserem Brett mit den aktuellen Aushängen der Unternehmensleitung
steht geschrieben, wer mehr als 20 Krankenstandstage im Jahr zu
verbuchen hat, wird aus jeder Art von Beförderung ausgeschlossen.
„Diese Vorschrift hat ihn so wütend gemacht, dass er beschloss,
obwohl er in den letzen 10 Jahren kein 20 Tage zusammenbrachte,
diese Jahr mehr als 20 Krankenstandstage zu beanspruchen. Er meinte
er habe nichts zu befürchten, denn er sei schon auf der höchsten
Beförderungsstufe und in der besten Gehaltsklasse, die er je vor
seiner Pensionierung erreichen kann.
Solche
Aushänge fördern keine Loyalität dem Unternehmen gegenüber,
sondern lassen uns sehnen nach den Tage in der Pension, wo es keine
Einteilung zwischen Krankenstands-, Arbeits- und Feiertagen gibt.
Drohungen sind keine Motivationssteigerer, aber Drohungen begegnen
uns im Alltag öfter als ein motivierendes Wort.
Manchmal
werden sie uns gegenüber ausgesprochen und nicht zu selten kommen
sie uns selber leichtfertig über die Lippen.
Donnerstag, 18.
August 2005
Eine
Mutter von einem 2-jährigen Mädchen berichtet mir, dass sie gerne
wieder in ihren alten Beruf zurückkehren würde, aber ihr war völlig
klar, in ihre letzte Arbeitstelle mit den 40 Stunden/Woche und den
wechselnden Tag- und Nachtdiensten kann sie nicht wieder einsteigen.
Nach
einer kurzen Suche hat sie einen Teilzeitjob mit geeigneten
Rahmenbedingungen gefunden. Nach etlichen Gesprächen mit ihrem zukünftigen
Arbeitgeber, einer Tagesmutter für ihr Kind und dem Wissen der
Unterstützung durch ihre Familie, entschloss sie sich die Belastung
Haushalt, Kleinkind und Beruf auf sich zunehmen. Ihre ersten
Arbeitstage gefielen ihr sehr gut. Sie erkrankte nach der ersten
Arbeitswoche an einer schweren Grippe, die Teil der 2-monatigen
Probezeit war, und musste für eine Woche das Bett hüten. Als sie
sich wieder gesund meldete, erfuhr sie, dass sie im Laufe des Tages
von ihrem Vorgesetzen zurückgerufen wird. Als der sich den ganzen
Tag nicht meldete, rief sie wieder an. Der erklärte ihr, dass er es
sich anders überlegt hat und sie als Mutter für seine Firma ein zu
großer Unsicherheitsfaktor sei.
Mutter
zu sein bedeutet nicht ausschließlich für den Job leben zu können.
Das wollen auch nicht alle nicht
Mütter und auch nicht alle Männer, ob sie nun Väter sind oder
nicht, aber ihnen wird mehr Verantwortungsbewusstsein und Einsatz
von vornherein zugestanden. Doch eine Grippe kann auch den gesündesten
Menschen treffen, eine zweite Chance zumindest die Probezeit
abzuwarten, hätte ich fair gefunden.
Freitag, 19.
August 2005
Eine
Freundin von mir fuhr in der letzten Schulwoche mit dem Autobus. Bei
der Haltestelle in der Nähe einer großen Schule füllte sich der
Bus bis zum letzten Stehplatz. Der Fahrer forderte die Passagiere
auf sich im ganzen Bus zu verteilen. So konnten doch noch alle
einsteigen. Die Enge war bedrückend und eine ziemlich Anspannung
war im Bus zu spüren. In dieser bedrängenden Situation hörte sie
den Fahrer mit sehr ernster Stimme: „Ich muss euch etwas sagen“.
Alle SchülerInnen hielten den Atem an und warteten, was kann da
jetzt kommt...
„Ich
bin mit euch allen in diesem Jahr gut gefahren. Das möchte ich euch
heute sagen. Ihr ward super.“ erhaltet es dann aus den
Lautsprechern.
Die
angespannte Stimmung löste sich auf und verwandelte sich in eine
fast freudige Erleichterung, obwohl der Platz im Wagen nicht größer
geworden war.
Als
meine Freundin vor dem Aussteigen ihn anredete und meinte: „Das
war sehr berührend von ihnen.“ erwiderte dieser: „Ich habe das
total ernst gemeint, dass ich mit diesem Trupp Schüler im wahrsten
sinne des Wortes gut gefahren bin.“
Nach
diesem Gespräch huschte ein großer Strahler auch über die
Mundwinkel des Buslenkers.
Eine
ausgesprochene Anerkennung – völlig unerwartet - berührte
die Schüler und SchülerInnnen, aber auch den Busfahrer und veränderte
sie.
Samstag, 20.
August 2005
Wir
füllen die Krater der Bomben und säen wieder und singen wieder,
denn das Leben kapituliert nie.“
Dieses
Vietnamesische Gedicht begegnete mir in der Biographie von Giconda
Belli, die als nicaraguanische Widerstandskämpferin und Mutter von
vier Kindern an ihn
glaubte. Sie wagte alles zu riskieren um ihrer Überzeugung an ein
befreites Heimatland willen. Dieses wollte sie ihren Kindern und
alle Nicaraguanern ermöglichen. Sie war ein Teil der großen
Vision, der in Erfüllung ging.
Viele
ihrer Mitstreiter mussten für ihren Traum ihr Leben lassen. Giconda
Belli hatte Glück und konnte den Tag der Befreiung miterleben.
Sie
fühlte sich oft im Zwiespalt, ob sie als mehrfache Mutter ihr Leben
so aufs Spiel setzen darf. Aber ihr starker Glauben an das Leben gab
ihr Kraft gegen das Regierungsregime von Somoza Widerstand zu
leisten und sich für ihr Heimatland und ihre Mitmenschen
einzusetzen.
Dieser
gelebte, radikale Glaube an das Leben hat mich ermutigt, meinen Ängsten
weniger Kraft zu lassen, die mich gefügiger machen, sondern den
Blick auf das Leben, das Leben in Fülle – das ewige Leben, wie es
Jesus versprochen hat, zu richten.
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