Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Peter Hausberger, Pfarrer in Salzburg-St.Paul

 

 

Sonntag, 11.09.2005

Das heutige Sonntagsevangelium in den katholischen Kirchen handelt vom Verzeihen. Jesus verknüpft mit einer Beispielgeschichte die Forderung, nicht nur bis zu siebenmal, sondern bis zu siebenundsiebzigmal – also immer – zu verzeihen.

 

Von Herzen zu verzeihen ist oft wirklich schwierig. Je mehr man verletzt und gekränkt worden ist, je stärker Rachegefühle und Vergeltungswünsche sind, umso mehr Kraft braucht man, um verzeihen zu können. Manche Verwundungen brechen immer wieder auf und heilen sehr langsam.

 

Oft hört man da den Satz: „Verzeihen kann ich schon, vergessen aber nicht!“ Einander zu verzeihen ist das eine, aber sich selbst zu verzeihen und mit sich gnädig umzugehen fällt vielen auch schwer. Erfahrungen von Liebe und Lebensfreude können mithelfen, zu vergeben, zu verzeihen, herauszukommen daraus, dass man immer um das Gleiche kreist.

 

Ein Satz wie „Ich mag dich, wie du bist!“ oder die Zusage, dass Gott uns liebt, ohne dass wir etwas vorausgeleistet haben müssen, sind heilsam. Jesus ist voller Freude über die Großzügigkeit Gottes, der uns Menschen vergibt und uns Lebensglück vergönnt. Jesus hat die Liebe und Großzügigkeit in seinen Worten und Taten verkündet und bewirkt, dass Menschen einander gut sind.

 

Im Sinne Jesu können auch wir uns anstecken lassen zur Bereitschaft, einander Gutes zu wollen und einander zu vergeben und zu verzeihen. Und vielleicht wird man auch fähig, andere um Verzeihung zu bitten. Wir können Jesus vertrauen, dass daraus innere Freiheit und mehr Lebensglück erwächst.


Montag, 12.09.2005

Heute beginnt für die Kinder und Jugendlichen in den westlichen Bundesländern die Schule. Für die Erstklassler ist es überhaupt der erste Schultag, für alle anderen beginnt ein neues Jahr. Ich wünsche allen, die mit der Schule zu tun haben, einen guten und frohen Beginn.

 

Als Kind konnte ich es kaum erwarten, in die Schule zu gehen. Später, im Gymnasium, ist es einem Lehrer fast gelungen, mir die Freude an einem Lerngegenstand zu vergällen, aber die Freude am Lernen und das Interesse am Neuen habe ich bis jetzt nicht verloren.

 

Lernen gehört zum menschlichen Leben dazu. Und zwar nicht nur in der Schulzeit. Je schnelllebiger die Zeit ist, umso mehr gilt es, dass wir lebenslang lernen und flexibel bleiben müssen. Ständig gibt es Neues, mit dem man sich auseinandersetzen muss. Vieles, was uns z.B. technische Geräte und die Computertechnologie bringen, kann überfordern oder erschrecken. Aber es kann auch eine Herausforderung sein, die man gerne annimmt, mit der man sich auseinandersetzen will.

 

Auch im Glauben sind Entwicklung, Lernen und Wachstum nötig. Oft heißt es in der Bibel „Lernt!“: z.B.: „Lernt, was es heißt: Barmherzigkeit will ich, und nicht Opfer!“ Ein anderes Mal sagt Jesus: „Lernt von mir, weil ich sanft bin und demütig dem Herzen nach!“ Das Lernen, wie Jesus es meint, vereint die Kräfte des Herzens und der Gefühle, des Geistes und des Verstandes. In diesem Zusammenwirken aller Kräfte können wir zu reifen Menschen werden.

 

 

Dienstag, 13.09.2005

Am 13. September vor fast 700 Jahren ist die heilige Notburga gestorben. Sie stammte aus Rattenberg und war Bauernmagd in Eben am Achensee in Tirol. Die bekannteste Legende der heiligen Notburga lautet so:

 

Notburga hatte sich vom Bauern die Erlaubnis ausgehandelt, die Zeit nach dem Feierabendläuten in Gebet und stiller Andacht verbringen zu dürfen. Segen war mit ihr, so dass der Bauer ein wohlhabender Mann wurde. Aber er wurde geizig und ließ die Dienstboten über ihre Kräfte arbeiten. Notburga ertrug alles mit Geduld.

 

Einmal, in der Erntezeit, hatten die Dienstboten vom frühen Morgen bis Sonnenuntergang auf dem Acker Getreide geschnitten. Als es zum Gebet läutete, wollten sie aufhören, aber der Bauer befahl ihnen, weiterzuarbeiten. Da erinnerte ihn Notburga an das Versprechen, das er ihr gegeben hatte, aber er wollte davon nichts wissen. Notburga sprach: „Nun soll Gott Richter sein zwischen dir und mir. Schau: ich werfe meine Sichel in die Luft; fällt sie herab, so hast du recht - bleibt sie aber droben, so gibt es Feierabend.“ Und sie warf ihre Sichel gegen den Himmel, und siehe: sie blieb in der Luft schweben. Alle staunten über das Wunder.

 

Notburga, die Bauernmagd ist mutig für die Lebensrechte und Würde ihres Standes eingetreten. Die Legende weist auch auf die Bedeutung des Feierabends hin. Der Mensch ist nicht zum Schinden geschaffen, sondern zum Leben. Der Mensch hat ein Recht auf Rast und Zeit für das innere Leben, er hat ein Recht auf einen menschlichen Arbeitsrhythmus und eine menschliche Arbeitswelt. Für die Menschen des Mittelalters spricht Gott sein Urteil. Wer spricht heute das Urteil?

 

 

Mittwoch, 14.09.2005

In den christlichen Kirchen wird am 14. September das Fest der Kreuzerhöhung gefeiert. Dieses Fest erinnert an ein Ereignis, das für die große Bedeutung des Kreuzes als Symbol für den christlichen Glauben mitverantwortlich ist. Kaiserin Helena, die Mutter des römischen Kaisers Konstantin, hat Anfang des 4. Jhds. in Jerusalem Grabungen durchführen lassen. Sie hat nach dem Grab Jesu gesucht, aber auch nach Resten des Kreuzes, an dem Jesus gestorben ist.

 

Holzstücke, die man an der Hinrichtungsstätte Jerusalems gefunden hat, sind als Reste vom Kreuz Jesu gedeutet worden. Kreuzreliquien sind in der ganzen christlichen Welt verteilt  und verehrt worden. Daraus hat sich das Fest Kreuzerhöhung entwickelt – in den Ostkirchen und in den orientalischen Kirchen wird es besonders prächtig begangen.

 

Das Kreuz war in der Antike ein Folterinstrument, mit dem Tausende umgebracht worden sind. Es hat sich zum Siegeszeichen und Heilszeichen verändert. Man hat es mit Edelsteinen besetzt oder wie einen Lebensbaum aussehen lassen. In bestimmten Zeiten der Kunstgeschichte ist es sehr realistisch dargestellt worden, in anderen stilisiert und veredelt.

 

Immer im christlichen Glauben aber ist das Kreuz ein Symbol dafür gewesen, dass das Leben über den Tod siegt, dass durch das Leiden hindurch Erlösung geschieht. Wir glauben, dass Gott – das große Geheimnis hinter allem Sein – sich selber in das Leiden der Schöpfung hineinstellt. Es ist für viele ein großer Trost, im Leiden nicht allein gelassen zu sein und als Ziel des Lebens – so wie Jesus auch – die Auferstehung zu erwarten.

 

Donnerstag, 15.09.2005

Am 15. September 1907, also vor 98 Jahren, ist Alfred Delp in Mannheim geboren worden. Seine Familie war evangelisch, aber er ist mit 17 Jahren katholisch geworden und hat sich nach Abschluss des Gymnasiums dem Jesuitenorden angeschlossen.

 

Alfred Delp war Mitglied einer Widerstandsgruppe gegen die Nationalsozialisten, des so genannten Kreisauer Kreises, der Grundlinien für eine katholische Soziallehre entwickelt und schon damals eine Einigung Europas angedacht hat.

Nach dem Attentat auf Adolf Hitler im Jahr 1944 wurde Alfred Delp verhaftet, weil er verdächtigt wurde, an den Umsturzplänen beteiligt gewesen zu sein, was aber gar nicht der Fall war. Man hat ihm angeboten, ihn freilassen, wenn er aus dem Jesuitenorden austreten würde. Alfred Delp ist nicht darauf eingegangen. Am 2. Februar 1945 ist er hingerichtet worden.

 

In Aufzeichnungen aus dem Gefängnis finden sich Gedanken über den Satz aus dem „Vater Unser“: „Geheiligt werde dein Name“:

 

„Ich war jetzt lange genug Nummer, um zu wissen, was ein Leben ohne Namen ist. Aber solange das Leben selbst den richtigen Namen nicht mehr weiß oder nicht ehrt, so lange werden Mensch und Ding immer mehr ihre Namen verlieren in dieser grausamen Namenlosigkeit und Nummeriertheit, in die wir geraten sind. ... Seit der Name Gottes nicht mehr der erste Name des Lebens, des Landes, der Menschen ist, seitdem hat doch alles, was wert ist, ... , seinen Namen verloren und ist unter die falsche und verfälschende Herrschaft fremder Namen gekommen. ... Lasst uns dem Leben und den Dingen wieder Namen geben.“

 

 

Freitag, 16.09.2005

Kaum irgendwo sind Tod und Auferstehung so nahe beisammen wie in der Grabes- und Auferstehungskirche in Jerusalem. Kaiser Konstantin bzw. dessen Mutter Helena hatte den Bau veranlasst und im Jahr 335, der Überlieferung nach am 16. September, wurde sie eingeweiht.

 

Seither besinnen sich unzählige Pilger aus aller Welt an dem Platz, der als Ort des Grabes und der Auferstehung Jesu verehrt wird. Weil viele christliche Konfessionen hier zusammen kommen, gibt es immer wieder Auseinandersetzungen um Rechte, Zuständigkeiten und Abgrenzungen. Die Ökumene hat es hier nicht leicht. Um den Frieden zu erhalten, wurde vor gut 200 Jahren ein so genannter „status quo“ eingeführt. Das bedeutet, dass nichts verändert werden darf ohne die Zustimmung aller, was außerordentlich schwierig ist. Ein vertrautes Bild ist deshalb die Leiter, die außen im ersten Stock an den Fenstern angelehnt ist. Auch sie gehört zum „status quo“ und darf nicht bewegt werden.

 

In einer Seitenkapelle der Grabes- und Auferstehungskirche sieht man noch den Felsen, der den Golgota-Hügel bildete, das ist der Rest eines Kalksteinbruchs, der als Hinrichtungsstätte benutzt wurde. Dort ist der Überlieferung nach Jesus gekreuzigt worden.

Es gibt eine Legende, dass am Beginn der Menschheit am Golgota-Hügel der Schädel Adams bestattet worden sei. Dort, wo Adam, er ist Symbol für die ganze Menschheit, sein Ende findet, dort durchbricht Jesus – von Paulus der zweite Adam genannt – die Spirale der Gewalt. Dort setzt Gott durch die Auferstehung Jesu ein Zeichen, dass die Liebe den Tod überwindet.

 

 

Samstag, 17.09.2005

Heute ist der Gedenktag der hl. Hildegard von Bingen. Sie verfügte über ein beachtliches Wissen. Egal ob es die Steine, die Tiere, die Pflanzen waren, von Theologie und Philosophie gar nicht zu reden, auch in der Astronomie war sie bestens bewandert, und es soll in den heimischen Gewässern keinen Fisch gegeben haben, den sie nicht kannte.

Nachdem der Platz im Kloster, in dem sie lebte, zu knapp wurde, gründete sie ein eigenes Kloster, in dem sie keinerlei männliche Dominanz oder Oberaufsicht duldete, was für die damalige Zeit erstmalig und unüblich war. Es gelang ihr, die baulichen Anlagen aber auch den Lebensstil im Kloster so zu gestalten, dass von ihm eine Wirkung ausging, die von einem Chronisten mit „Strömen wie von Paradiesflüssen“ verglichen wurde.

 

Von größter Bedeutung waren ihre mystischen Erfahrungen. Aber auch hier war für sie typisch, dass sie mit ihrer inneren Schau nicht gleich herausplatzte, sondern sie lange Zeit für sich behielt. Dann aber schrieb sie mit einer unglaublichen Klarheit. Eines ihrer Bücher wurde auf einer großen Kirchenversammlung in Trier vom Papst selber vorgelesen und erntete stürmischen Beifall.

 

In unserer Zeit ist sie vor allem durch die Hildegard-Medizin bekannt. Sie hat ihre Erkenntnisse über die Kräfte der Natur zum Wohl der Kranken wie der Gesunden eingesetzt, der Erhalt der Gesundheit von Leib und Seele war ihr wichtig.

 

Trotz ihres intensiven Lebensstils und ihrer beschwerlichen Reisen wurde Hildegard sehr alt. Mit 81 Jahren starb sie am 17. September 1179, am Tag nach ihrem Geburtstag, und ging in die „unverhüllte Schau des lebendigen Lichtes“ ein, von der sie so viel gesprochen und geschrieben hatte.