Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Frater Cosmas Riedl aus dem Zisterzienserstift Zwettl

 

 

Sonntag, 18.9.2005

Die Eiche

Es hat mit einem Traum vor über 860 Jahren begonnen. Die Legende erzählt, die Muttergottes wäre erschienen und hätte geboten, dort, wo jetzt im Winter eine grünende Eiche zu finden ist, soll unser Kloster gegründet werden. Im Winter eine Eiche im grünen Laub?

Von alters her gilt die Eiche als besonders robust und lebensstark. Sie ist auch Sinnbild des Mächtigen und Heiligen, was auch mit dem Alter zu tun hat.

Vorm Kloster steht eine sehr alte Eiche, gepflanzt zum Westfälischen Frieden 1648. Dieser Frieden war so sehr ersehnt worden. Wie jene im Traum, so steht die Eiche hier, charaktervoll mit sperrigen Ästen, dunklem sattgrünen Laub, von weitem ist sie spürbar. Sie strahlt Ruhe aus, sie gleicht aus, angesichts ihres Alters wird Vieles unwichtig. Die Botschaft der Eiche ist ganz klar an uns gerichtet:

  • Bleib am Boden
  • Rede nicht viel herum, fang einfach an
  • Geh an deine Arbeit
  • Du bist stark, lass dich nicht erschüttern.

Wenn Sie Kraft und Stärke der Eiche brauchen, suchen Sie den nächsten Baum im Park oder auf dem Land, nehmen Sie im Schatten der Krone Platz. Spüren Sie die Kraft?

 

 

Montag, 19.9.2005

Die Rose

Rosen haben seit alters eine Verbindung zu Liebe, Schönheit, Vollkommenheit, Frauen, Lebensfreude, Anmut etc.

Viele heilige Frauen werden auch mit Rosen dargestellt. Maria im Rosengarten – als Sinnbild des Paradieses. Rosen, die mit ihren prächtigen Blütenblättern einen süßen Duft aussenden. Ein universelles Heilmittel gegen die Krankheiten des Lebens. 

Stellen wir uns einen Rosengarten vor: Beet- und Strauchrosen über und über mit Knospen, Blüten eingehüllt in süßen Duft; aber vergessen wir nicht die Dornen. Dornen, die Bewahrer des Geheimnisses, was auch im Märchen von Dornröschen anschaulich geschildert ist. Die Rosen mit Dornen, die ein Lebensprinzip darstellen – keine Liebe ohne Leid. Auch der Ausdruck „jemanden leiden können“ beinhaltet bereits das Leiden wie die Zuneigung. Das Geheimnis der Rosen wird auch im Rosenkranzgebet zum Sinnbild. Ein immer wiederkehrendes Gebet, das langsam sein Geheimnis eröffnet, wie es von Maria heißt, sie bewahrte es in ihrem Herzen – so wurde es zum Geheimnis.

Das Röslein – die wunderbare Pflanze des geheimen Gartens, hilfreich für Ausgeglichenheit und Ausgewogenheit. Es führt uns zum Einklang, lässt uns aus der Mitte leben und die Tür des Lebens öffnen. So erkennen wir die Not des Augenblicks. Noch sind die Tage der Rosen.

 

 

Dienstag, 20.9.2005

Die Magnolie

In den Gärten des Stiftes Zwettl finden sich viele auch ungewöhnliche Gewächse. Besonders im Prälatengarten überrascht ein mächtiger Magnolienbaum. Sie kennen Magnolien, zu finden sind sie in gepflegten Vorgärten oder Stadtparks, im Frühjahr blühen sie über und über in weiß, hellgelb oder rosa. Die Gefahr sind die Spätfröste, alle Blütenknospen können in einer Nacht erfrieren. Das ist ein trauriger Anblick, wenn statt der Blüten braune Lappen an den Zweigen hängen. Im Waldviertel ist es gerne kälter als anderswo und doch gibt es hier so einen Baum. Obwohl sich der Winter hier gerne länger hält und der Baum frostempfindlich ist, blüht die erfahrene Magnolie nun jedes Jahr. Die älteren Mitbrüder erzählen gerne, wie selten früher die Blüten zu sehen waren. Der Baum hat sich eingerichtet. Mittlerweile weiß er, wann der letzte Frost durchs Land zieht und wartet ab. Aber dann ist er unübersehbar. Er kommt leise – nicht alles auf einmal, zuerst nur ein bisschen, dann ein bisschen mehr, dafür viel länger als die anderen.

Wir haben neue Magnolienbäume gepflanzt, sie haben aber nicht mit dem Blühen gewartet. Es war ein trauriger Anblick. So hoffen wir, dass sie sich langsam an unser Klima gewöhnen und lernen, den richtigen Zeitpunkt für den 1. Auftritt nach dem Winter abzuwarten, blühen, erst ein bisschen, dann ein bisschen mehr, dafür bleibt Kraft für länger.

Dieses Zeitmaß wünsche ich auch ihnen.

 

Mittwoch, 21.9.2005

Die Lilie – Königin des Friedens

Heute will ich sie zu einem Spaziergang auf unsere Terrassengärten im Stift Zwettl bitten: Die Morgendämmerung hat alles in weiches Licht getaucht, eine kühle Frische liegt über den Wärme speichernden Steinwänden. Am Ende einer Terrasse, begleitet von blühenden und duftenden Gewächsen, eine Marienstatue, in ihren Armen eine Lilie. Am Sockel ist zu lesen „Maria die Königin des Friedens.“

Ein Kriegsheimkehrer hat 1948 diese Figur dem Kloster geschenkt. Er hat sie selbst gestaltet. All die traurigen und grausamen Erfahrungen und Begebenheiten, die er im Krieg erleben musste, legte er in dieses Bildnis und wandelt es. Dargestellt: ein junges Mädchen, sanft lächelnd, das zärtlich eine Lilie im Arme hält und ganz in sich gekehrt betrachtet.

Die Lilie ist Ausdruck der Hoffnung, der Gnade und der Vergebung. In der Dankbarkeit, den Krieg überlebt zu haben und seine Familie wieder zu finden, schuf er dieses Bildnis.

Die Lilie erinnert an den Frieden der Welt und konfrontiert uns mit dem eigenen Unfrieden. Halten wir inne – was können wir heute für den Frieden tun?

Vielleicht hilft uns schon eine weiße  Lilie, sie steht für Licht und Liebe.

 

 

Donnerstag, 22.9.2005

Der Schnittlauch   

Das Lieblingsgewürz unserer Küche ist der Schnittlauch, zu finden in jeder Suppe. So reichlich darüber gestreut, dass, wenn der Suppentopf von Einem zum Nächsten gereicht wird, immer noch genügend für den Letzten bleibt. 

Schnittlauch, sagt man, ist ein wertvolles Heilmittel bei Mangelerscheinungen, regt den Appetit an und fördert die Verdauung. Er bereitet auf die kommenden Speisen vor. Das macht ihn so wertvoll in der Suppe. Nicht nur ein würziger, feinsäuerlicher Geschmack auf der Zunge, sondern auch eine Wohltat für Magen, und wenn der stimmt, ist es auch eine Wohltat für den Geist.

Der Charakter des Schnittlauches lässt sich übertragen auf uns: Nicht nur zu schauen, wie kann ich selber im schönen Lichte stehen, wo bin gut getroffen, wo erfolgreich. Ehrenhafter und menschlicher ist, wer Wegbereiter ist - das heißt, zuerst auf das Wohl der Mitmenschen zu schauen, zu fragen, ob sie in Würde geachtet bleiben. Das setzt weitsichtiges und gewissenhaftes Handeln voraus. Doch schließlich verpasst das der Suppe wie dem Leben einen guten Geschmack und die Freude auf mehr.

Und wie die Pflanze im Garten eine Zierde mit den Blütenköpfen ist, die herrlich violett vor dem Grün leuchten, so werden auch Menschen, die für das Wohl anderer einstehen,  leuchtend hervortreten.

Dieses Handeln kommt nicht von selbst, aber wir können es versuchen.                  

                                                          

Freitag, 23.9.2005

Der Mohn                            

Eine absolute Spezialität aus dem Waldviertel ist der Mohn. Wegen des Schlafmohnes Papaver Somniferum, aus dem Opium gewonnen wird, ist unser Graumohn etwas in Verruf bei denen, die ihn nicht kennen und schon vom Hörensagen ein Vorurteil bilden.

Dabei sind die blühenden Mohnfelder in Rot und Weiß eine wahre Freude für jedes Auge, Die Fruchtkapseln sind vielseitig als Schmuck verwendbar, und aus dem Samen lässt sich ein wertvolles Lebensmittel erzeugen.

Geht es uns nicht auch mit den Mitmenschen so? Wir fällen leichtfertig Urteile, ohne genau zu sehen, was wir alles in den Wind schlagen. Dabei gilt es doch weiter zublicken. Kann noch mehr entdeckt werden, verbirgt sich noch etwas hinter der Pflanze, den Menschen? Unheimliche Köstlichkeiten können aus Mohn bereitet werden, denken sie an die Mohnzelten, das sind kleine Laibchen fest mit Mohn gefüllt – eine Mehlspeise, so nahrhaft wie eine Mahlzeit. Den Bauern war das auf dem Feld ein Mittagessen. So hat der Mohn lange Zeit bestens seine Aufgabe im Dienste des Menschen erfüllt.

Der Mohn lehrt uns, genau hinzuschauen, wie bei vielen Dingen auch, die wir nicht genau beobachten und doch verurteilen. Sie können doch für unser Glück von Bedeutung sein und zu einem harmonischeren Leben beitragen.

 

 

Samstag, 24.9.2005

Die Palme - der Lebensbaum

Man möchte gar nicht glauben, was sich alles hinter einer Palme verbirgt. In vielen Wohnungen steht ein kleines Exemplar dieser Gattung. Einige Sprichwörter ranken sich um die Palme:  „...um die Palme ringen.“ „ Einen auf die Palme bringen.“ „Jemand die Palme zuerkennen.“ Daraus zeigt sich schon, wofür die Palme symbolträchtig ist: für Sieg, Frieden, Wahrheit, Gerechtigkeit, Zeit, Auferstehung,  etc.

In der christlichen Symbolsprache werden alle Märtyrer und auch Christus mit der Palme dargestellt. Einerseits steht der Palmwedel für den Sieg des Glaubens, andererseits für  den Frieden, den der Glauben bringt. Christus wie viele Märtyrer ist durch ein Gericht im Glauben der Wahrheit verurteilt worden. Er zeigt uns die Wahrheit des Lebens auf, die von vielen nicht gesehen werden wollte. Wollen wir die Wahrheit erkennen?

Wir kennen viele Beispiele aus dem Leben, dass Mitmenschen eine Richtungsänderung einschlagen, weil sie problematische Entwicklungen erkannt haben. Im Namen der Wahrheit wurden Wissenschaftler, Lehrer, Bauern, Querdenker ausgegrenzt und belächelt.

Von Paulo Coelho stammt diese Definition:

-         Wahrheit gibt uns keine Gewissheit

-         Wahrheit gibt keine Größe vor.

-         Wahrheit macht uns nicht besser als andere

Christus sagt: ich bin die Wahrheit und das Leben.

Erkenne die Wahrheit, und die Wahrheit wirkt befreiend für dich. Daran erinnert uns die Palme.