News 01.02.2006

Konflikt um Muhammed-Karikaturen breitet sich aus

Die dänischen Muslime haben die Entschuldigung der Zeitung "Jyllands-Posten" für den Propheten Mohammed zeigende Karikaturen als nicht ausreichend bezeichnet. Die islamische Glaubensgemeinschaft in Dänemark hatte die Erklärung der Zeitung am Dienstag zunächst begrüßt.

Nach einem Treffen von 27 islamischen Gruppen hieß es jedoch, die Formulierung sei nicht eindeutig. "Es ist keine klare Stellungnahme, in der die Zeitung sich für ihre Beleidigungen entschuldigt und zu ihnen steht", sagte Sprecher Ahmed Akkari.

Entschuldigung

Die Zeitung hatte sich am Montagabend auf ihrer Web-Site für die Karikaturen entschuldigt. Der Chefredakteur von "Jyllands-Posten", Carsten Juste, erklärte, die Zeichnungen hätten nicht gegen dänische Gesetze verstoßen, aber unzweifelhaft viele Muslime beleidigt. Bei ihnen wolle man sich entschuldigen.

Bombendrohung

Die Büros der "Jyllands-Posten" in Kopenhagen und im Westen Dänemarks wurden am Dienstagabend geräumt, nachdem ein Anrufer vor Bomben gewarnt hatte. Die Polizei durchsuchte die Gebäude, fand aber keine Sprengsätze. Im Internet riefen irakische Aufständische ihre Anhänger zu Anschlägen in Dänemark und Norwegen auf.

Bereits im September veröffentlicht

Eine der Karikaturen zeigt Mohammed mit einem Turban in Gestalt einer Bombe samt brennender Zündschnur. Auf einer weiteren Zeichnung hat er ein Schwert in der Hand. "Jyllands-Posten" veröffentlichte sie bereits am 30. September; eine norwegische Zeitung druckte sie im Jänner nach. Bereits seit Tagen gab es deswegen Proteste in mehreren islamischen Staaten.

Französischer Muslimrat übt heftige Kritik

Die Veröffentlichung von dänischen Karikaturen des Propheten Mohammed auch in Frankreich hat unter den dort lebenden Muslimen Empörung ausgelöst. Der Präsident des französischen Muslimrates, Dalil Boubakeur, kritisierte den Abdruck der umstrittenen Karikaturen durch die Zeitung "France-Soir" am Mittwoch heftig. Die zwölf Karikaturen aus der dänischen Zeitung "Jyllands- Posten" nachzudrucken, sei abscheulich und "eine wahrhaftige Provokation der Millionen Muslime in Frankreich", sagte der Leiter des muslimischen Dachverbandes CFCM und Rektor der Großen Moschee in Paris. Ein anderer nationaler muslimischer Verband warf dem Boulevardblatt vor, "seine Finanzprobleme auf dem Rücken der Muslime regeln zu wollen."

Anti-muslimische Proteste befürchtet

Im Internet gebe es Demonstrationsaufrufe mehrerer Gruppen, sagte Vizepolizeichef Kjaergaard Moeller am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. Es zirkulierten zudem "Gerüchte", dass rechtgerichtete Jugendliche Proteste vor dem Rathaus im Stadtzentrum planten. Ein offizieller Antrag auf Genehmigung einer Demonstration liege nicht vor. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Ritzau könnten Jugendliche versuchen, Koran-Exemplare öffentlich zu verbrennen.

Reporter ohne Grenzen „sehr beunruhigt“

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) äußerte sich "sehr beunruhigt" über die Reaktionen der arabischen Regierungen auf die Karikaturen im auflagenstärksten dänischen Blatt "Jyllands-Posten". Die Empörung und die Forderung, die dänische Regierung müsse einschreiten, seien ein Indiz für das Verständnis von Presse- und Meinungsfreiheit in den betreffenden Ländern, sagte RSF-Chef Robert Ménard AFP. Die arabischen Regierungen "verstehen nicht, dass es eine völlige Trennung zwischen dem geben kann, was eine Zeitung schreibt und dem, was die dänische Regierung sagt". Dänemark zähle zu den "vier oder fünf Ländern" mit der größten Pressefreiheit. Alle europäischen Länder müssten sich hinter die Dänen zur Verteidigung dieser Prinzipien stellen.

Deutscher Journalistenverband kritisiert Nachdruck

Anders äußerte sich der Deutsche Journalistenverband (DJV). Ein DJV-Sprecher kritisierte in der "Netzeitung" den Nachdruck von Mohammed-Karikaturen in deutschen Zeitungen. Entscheidend sei die Ziffer 10 des Pressekodex. Danach seien "Veröffentlichungen in Wort und Bild, die das sittliche oder religiöse Empfinden einer Personengruppe nach Form und Inhalt wesentlich verletzen können, mit der Verantwortung der Presse nicht zu vereinbaren". Deutsche Tageszeitungen hatten am Mittwoch die Karikaturen nachgedruckt. Der Presserat habe in ähnlichen Fällen, in denen allerdings das christliche Empfinden verletzt wurde, bereits Rügen erteilt, sagte der Sprecher.

„Westliche Arroganz“

In Indonesien verurteilte der Generalsekretär des Rats der muslimischen Gelehrten, Ishwan Sam, die Karrikaturen als Ausdruck "westlicher Arroganz". Diese Beleidigung religiöser Symbole anderer Glaubensrichtungen sei ein Zeichen von "Dummheit", sagte Sam der amtlichen Nachrichtenagentur Antara. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte, "Meinungsfreiheit" könne keine Entschuldigung sein. Indonesien ist das Land mit der größten moslemischen Bevölkerung. In Malaysia forderte die einflussreiche Moslemische Verbrauchervereinigung die Regierung auf, gegen die Veröffentlichung in Dänemark zu protestieren.

 

 

Pressestimmen zu Wirbel um Mohammed-Karikaturen

"Jyllands-Posten" (Arhus, rechtsliberal - in diesem dänischen Blatt erschienen die Mohammed-Karikaturen): "Jyllands-Posten hat mit seinen Mohammed-Karikaturen am 30. September gläubige Muslime gekränkt. Wir haben von Beginn an bedauert, dass wir so eine Reihe von Menschen in ihrem Glauben verletzt haben. (...) Jetzt kommt aus Diktaturstaaten in Nahost die Forderung nach Gesetzesänderungen in Dänemark, damit die Regierung bei den Medien eingreifen kann. Man ist versucht zu sagen, dass der Wahnsinn sich kaum weiter treiben lässt. Aber die Ereignisse der letzten Tage haben uns gelehrt, mit Prophezeiungen vorsichtig zu sein. Wenn die dänischen Imame und die hier arbeitenden (arabischen) Botschafter, die den Brand erzeugt haben, wirklich willens wären, diesen zu löschen, könnten sie das vermutlich schaffen. Es liegt an ihnen, diesen Willen zu zeigen. Die dänische Regierung und auch Jyllands-Posten haben die Hand ausgestreckt. Damit zwei Partner sich per Dialog einigen können, müssen beide den entsprechenden Willen haben."

 

"Information" (Kopenhagen, linksliberal): "Der frühere US-Präsident Bill Clinton hat uns Dänen bei einem Besuch 1997 für unseren Humanismus und unsere Gastfreiheit gelobt. (...) Bei einer Konferenz in Katar letzte Woche bezeichnete er die Mohammed-Zeichnungen in Jyllands-Posten als beschämend und Dänemark als abschreckendes Beispiel. (...) Clinton legte den Finger genau in die Wunde (...). Es geht um Anstand und Respekt vor anderen Kulturen, die unser Land seit dem Besuch Clintons vor neun Jahren verloren hat. (...) Wenn wir uns Hoffnung darauf machen wollen, das Verlorene zurückzugewinnen, besteht der erste Schritt in der Erkenntnis unser eigenen Fehlentwicklung und einer aufrichtigen, vorbehaltlosen Entschuldigung an die Betroffenen."

 

"De Volkskrant" (Den Haag): "Eine unerfreuliche Auseinandersetzung hat eine unerfreuliche Wendung genommen. In einem offen Brief an die "sehr geehrten Bürger der muslimischen Welt" hat der Chefredakteur der dänischen Zeitung Jyllands-Posten doch noch seine Entschuldigung für die Karikaturen des Propheten Mohammed angeboten. (...) Diese Affäre kennt nur Verlierer. Die europäischen Partner (Dänemarks) boten nur kärgliche Unterstützung an. (UN-)Menschenrechtskommissarin Louise Arbour meinte sogar, der Organisation islamischer Länder eine Untersuchung über dänischen 'Mangel an Respekt' vor dem Islam versprechen zu müssen. Ein trauriger Kniefall vor dem religiösen Despotismus."

 

"De Morgen" (Brüssel): "Dänemark und die betroffene Zeitung scheinen alles zu tun, um den Konflikt abzukühlen. (...) Ohne Erfolg, denn die Außenminister der arabischen Staaten forderten gestern von Tunis aus, dass die Autoren der Spottzeichnungen streng bestraft werden müssten. Eine unredliche Forderung, denn jeder weiß, dass die dänische Regierung kein einziges rechtliches Mittel hat, um die Cartoonisten 'streng zu bestrafen'. Es sieht danach aus, als wollten die arabischen Länder den Konflikt mit Dänemark und in der Folge auch mit Europa auf die Spitze treiben. Ein gefährliches Spiel."

 

"El Pais" (Madrid, linksliberal): "Vorsicht mit der Satire! Die Mohammed-Karikaturen waren wahrscheinlich von schlechtem Geschmack und stellten eine Provokation dar, für die die dänische Wirtschaft einen hohen Preis zahlen muss. Aber sie dürfen zu keiner Einschränkung der Pressefreiheit führen, die über die gesetzlichen Regelungen hinausgeht. Wer an den Zeichnungen Anstoß nimmt, kann vor den Gerichten klagen. Diese sind die einzige Instanz, die solche Konflikte lösen kann. Jeder soll mit dem religiösen Glauben des Anderen respektvoll umgehen. Leider macht sich in vielen Religionen Fanatismus breit. Dies gilt ganz besonders für den Islam. Einige mussten dies mit dem Leben bezahlen, wie der Niederländer Theo van Gogh."

 

 

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