News 22. 02. 2006

"Bankier Gottes" gestorben

Der amerikanische Erzbischof Paul Marcinkus ist in der Nacht zum Dienstag in Phoenix im US-Bundesstaat Arizona im Alter von 84 Jahren verstorben. Marcinkus war durch seine Funktion als Chef der Vatikanbank "Istituto per le Opere di Religione" (IOR) international in die Schlagzeilen geraten.

Die Medien gaben ihm den Übernamen "Der Bankier Gottes". Zuvor hatte Marcinkus, der aus einer litauisch-amerikanischen Familie stammte, u. a. als Leibwächter Papst Pauls VI. Aufsehen erregt. Beim Philippinen-Besuch Pauls VI. 1970 rettete er dem Papst bei einem Attentatsversuch das Leben.

Von Chicago in den Vatikan

Marcinkus wurde am 15. Jänner 1922 in Cicero, einer Vorstadt von Chicago (Bundesstaat Illinois), geboren, 1947 zum Priester und 1981 zum Bischof geweiht.

 

Der amerikanische Erzbischof galt seit den siebziger Jahren als "Bankier Gottes". Diesen Beinamen bekam er als Direktor des "Istituto per le Opere di Religione" (IOR). Dieses 1942 von Papst Pius XII. gegründete Institut für religiöse Werke gilt als die eigentliche Vatikanbank, legt aber traditionell weder Bilanzen noch Rechenschaftsberichte vor.

Der Fall Roberto Calvi

Das IOR geriet mit unsauberem Finanzgeschäfte mehrmals in die Schlagzeilen. Von Geldwäsche, Betrügerei, gar Mafia war des Öfteren die Rede. Viele Italiener erinnern sich noch an Roberto Calvi, den Direktor der Mailänder Banco Ambrosiano. Nach dem betrügerischen Konkurs des Geldinstituts verließ Calvi fluchtartig Italien - und wurde am 17. Juni 1982 erhängt unter der Black Friar's Bridge in London aufgefunden. Im Zuge der Ermittlungen musste auch Marcinkus, damals eben Direktor des IOR, zurücktreten und sich in die USA zurückziehen, wo er bis zu seinem Tod in seiner Heimatstadt Phoenix lebte. Bis heute liegen die Hintergründe zum Tod Calvis im Dunkeln. Offiziell handelt es sich um Selbstmord.

Guter Priester – aber überfordert

Der römische Jesuit und Historiker P. Peter Gumpel hatte in einem Interview für die deutsche Tageszeitung "Die Welt" im September 2003 betont, er glaube, dass Marcinkus ein guter Priester war: "Allerdings glaube ich auch, dass der Mann überfordert war. Sicher war er auch unvorsichtig. Auf den Philippinen hat er sich einmal zwischen Paul VI. und einen Attentäter geworfen. Vermutlich hat er das Leben des Papstes gerettet. Deswegen hat Paul VI. ihn immer gehalten, trotz mancher Bedenken, die gegen ihn geäußert wurden".

Vatikan zahlte

Auch P. Gumpel bestritt nicht, dass Marcinkus in die katastrophale "Ambrosiano-Affäre" 1981/82 involviert war. "Ambrosiano"-Chef Roberto Calvi, dem Mafia-Kontakte nachgesagt wurden, hatte sich mit Bürgschaftsbriefen des damaligen IOR-Chefs Marcinkus riesige Summen verschafft, die jedoch den Zusammenbruch seiner Bank nicht verhindern konnten. Der Vatikan sah sich später veranlasst, im Zuge einer gerichtlichen Diversion freiwillig 250 Millionen US-Dollar an die Gläubiger-Banken zu zahlen. Die Zahlung erfolge, ohne eine subjektive Schuld eingestehen zu müssen, hieß es damals.

 
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