News 23. 02. 2006 |
Hintergrund: Die Spaltung zwischen Sunniten und SchiitenDie islamische Glaubensgemeinschaft ist in zwei große Strömungen gespalten: Sunniten und Schiiten. Der Bruch geht auf die Frühzeit des Islam - im 7. Jahrhundert - zurück. Auslöser war der Streit um die legitime Nachfolge des Propheten Mohammed. Der erste innermoslemische Krieg - "Fitna" - findet auch heute noch seine Fortsetzung, nun könnte er nach dem Anschlag auf die Goldene Moschee in Samarra im Irak auf einen neuen Höhepunkt zusteuern.Die dramatische und blutige Spaltung des Islam vollzog sich nur wenige Jahrzehnte nach dem Tod des Propheten Mohammed (632). Für die Schiiten steht dabei die Schlacht bei Kerbala im Irak im Jahr 680 im Mittelpunkt. Bei diesem Gefecht wurden der Imam Hussain, ein Enkel des Propheten Mohammed, sowie fast alle seine männlichen Verwandten getötet. Beim Ashura-Fest gedenken die Schiiten mit blutigen Selbstgeißelungen dieses Ereignisses HusseinDer als Märtyrer verehrte Hussein war der Sohn des vierten Kalifen Ali ibn Abi Talib, aus dessen Anhängerschaft die schiitische Glaubensrichtung ("Shi'at Ali"/Partei Alis) hervorging, der heute etwa zehn bis 15 Prozent der Moslems angehören (rund 85 bis 90 Prozent sind Sunniten). Ali, Cousin und Schwiegersohn des Propheten - er war mit dessen Tochter Fatima verheiratet - wurde 656 zu einem Nachfolger Mohammeds, zum Kalifen, proklamiert. Er ist für die Schiiten der erste "Imam" (religiöser Führer").
Das Kalifat Alis, dem die Ermordung von dessen Vorgänger Othman (Uthman) voranging, stand unter keinem glücklichen Stern. Die Hintergründe für die Bluttat an Othman - auf den laut Tradition die Endredaktion des Koran zurückgeht - sind umstritten, ebenso war es die Ernennung Alis zum Kalifen. Seine Gegner machten ihn auch für Othmans Tod verantwortlich. Für einen Teil der Moslems war außerdem die verwandtschaftliche Nähe zum Propheten allein kein ausreichender Grund, Anspruch auf dessen Nachfolge zu erheben. Irak – Wiege des SchiitentumsAli verlegte sein Herrschaftsgebiet in den heutigen Irak, der so zur Wiege des Schiitentums wurde. Er wurde 661 in der Stadt Kufa von einem Attentäter erstochen, der eine weitere Partei, die Harijiten, vertrat, die sich mit Ali überworfen hatten. Nach der Ermordung Alis - laut Tradition mit einem vergifteten Dolch in die Stirn - ließ sich der syrische Gouverneur Muawiyya zum Kalifen ausrufen. Muawiyya, ein Verwandter des ermordeten Kalifen Othman, wurde zum Begründer der in Damaskus residierenden Omayyaden-Dynastie. Schlacht von KerbalaAlis Sohn Hussein erhob sich gegen die Omayyaden-Herrschaft. Er starb im Jahr 680 mit 72 Getreuen in der Schlacht von Kerbala gegen eine militärische Übermacht, die unter dem Befehl von Muawiyyas Sohn Yazid stand. Auch die Nachfolger Alis und Husseins, die von den Schiiten als legitime Nachfolger des Propheten angesehen werden, nahmen ein blutiges Ende. Sie alle werden von der Hauptströmung der schiitischen Glaubensrichtung, der Zwölfer-Schia ("Asharia Ithnin"), als "Imame" verehrt. Der Zwölfte Imam, Mohammed al-Mahdi, soll im 9. Jahrhundert in die Verborgenheit entrückt worden sein, um kurz vor dem Jüngsten Gericht wieder auf die Welt zurückzukehren und die Herrschaft des wahren Islam zu errichten.
Die Sunniten lehnen den Glauben an die zwölf Imame vehement ab, Fundamentalisten sehen darin sogar einen Abfall vom wahren Islam. Der Anschlag in Samarra galt der Grabstätte zweier Imame, Ali al-Hadi und Hassan al-Askari. Strömungen bei SchiitenDie Schiiten bilden heute im Iran, Irak, in Bahrain und Aserbaidschan die Mehrheit. Im Libanon, in Pakistan, Afghanistan, Indien oder Jemen stellen sie bedeutende Minderheiten. Die Schiiten sind in verschiedene Strömungen gespalten. Neben der Zwölfer-Schia gibt es etwa die Ismailiten (Ismaeliten), aus denen sich die Drusen ableiten, oder Zaiditen (Saiditen).
Eine Gruppierung, die ebenfalls die Imame Ali und Hussein - im Gegensatz zu den übrigen Muslimen auch in Bildern - verehrt, sind die liberalen Aleviten, die in der Türkei eine wichtige Rolle spielen. Viele andere Muslime sprechen ihnen jedoch die "Rechtgläubigkeit" ab.
Nur ein Teil der Schiiten vertritt das iranische Staatsmodell, das auf religiösen Grundlagen basiert. So meinen etwa die irakischen "Quietisten", dass jede Herrschaft außer der des "Mahdi" illegitim sei. |
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