News 23. 03. 2006

Kirchenaustritte: Vatikanpapier sorgt für "Kopfschütteln"

Ein jetzt bekannt gewordenes Schreiben aus dem Vatikan hat die Themen Kirchenaustritte und Kirchensteuer wieder in Diskussion gebracht.

In dem Brief des Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten heißt es, dass ein Katholik, der bei einer staatlichen Stelle seinen Kirchenaustritt meldet, weiterhin als Katholik gelte. Der Brief bezieht sich zwar auf eherechtliche Fragen, wirft indirekt aber auch die Frage des Kirchenbeitrags auf.

"Formalakt"

Das Schreiben stammt vom Präsidenten des Rates, Erzbischof Julian Herranz, und ist eine Antwort auf eine entsprechende Anfrage des Bischof der deutschen Diözese Rottenburg-Stuttgart, Bischof Gerhard Fürst. Herranz erklärt darin, dass "das Verlassen der Kirche oder die Trennung von ihr" eines "Formalaktes" bedürfe. Ein derartiger Formalakt habe nicht nur einen "juristisch-administrativen Charakter", er müsse sich "vielmehr als wirkliche Trennung von den konstitutiven Elementen der Kirche darstellen". Der Erzbischof im Vatikan nennt in diesem Zusammenhang einen "Akt der Apostasie, der Häresie oder des Schismas", als einen Akt des Glaubensabfalls, des Irrglaubens oder der Abspaltung der Kirche. Und vor allem müsse ein derartiger Willensakt vor einer "zuständigen kirchlichen Autorität" - also einem Bischof oder einem Pfarrer - kundgetan werden.

"Kopfschütteln" bei Kirchenrechtlern

Der Wiener Kirchenrechtler Bruno Primetshofer - der selbst zehn Jahre Mitarbeiter in diesem Rat war - bezeichnete auf Anfrage der APA das Schreiben wörtlich als "eigenartig". Jedenfalls sei es keine offizielle und damit authentische Interpretation des Kirchenrechts. Unter Kirchenrechtlern habe der Brief jedenfalls für "Kopfschütteln" gesorgt, so Primetshofer. Direkte Konsequenzen sieht er keine: "Wenn Rom etwas will, soll es das auch klar sagen." Im deutschsprachigen Raum sei und bleibe es damit Praxis, dass ein Kirchenaustritt bei einer staatlichen Stelle zu melden ist.

Weiterhin Katholik?

Die Anfrage aus Deutschland an den Vatikan bezieht sich auf die Frage, ob ein Katholik nach dem Kirchenaustritt weiterhin als Katholik gilt und daher "formpflichtig" in Bezug auf die Ehe ist, also vor einem Priester heiraten muss.

Frage des Geldes

Kirchenaustritte sind übrigens kein europaweites Thema. Das Problem gibt es eigentlich nur in Österreich und Deutschland, wo es Kirchenbeitragssysteme gibt. "Ein Kirchenaustritt ist fast immer eine Frage des Geldes", sind sich die Experten einig. In anderen Ländern finanziert sich die Kirche meist aus Spenden, einen Kirchenaustritt vor den staatlichen Behörden gibt es gar nicht.

Unterschiedliche Entwicklung

Die Kirchenaustritte haben sich in Deutschland und Österreich übrigens in den vergangenen 15 Jahren sehr unterschiedlich entwickelt. In beiden Ländern haben im Jahr 1990 jeweils 5,1 Prozent der Katholiken die Kirche verlassen, 2004 waren es in Deutschland nur noch 3,9 Prozent, in Österreich hingegen 9,2 Prozent. Der Grund dafür ist, dass es in Deutschland keine vergleichbaren innerkirchlichen Turbulenzen wie in Österreich - Stichwort Affäre Groer und Krenn - gegeben hat. Im Vorjahr sind in Österreich die Kirchenaustritte übrigens wieder zurückgegangen. Aus Deutschland gibt es noch keine Zahlen für das Jahr 2005.

 
zum Seitenanfang Seitenanfang