News 18. 05. 2006

Landau: Integration ist Prozess auf Gegenseitigkeit

Die Integration von Zuwanderern lebt vom "Einverständnis über Gemeinsamkeiten", nicht jedoch von einer "Über- oder Unterordnung". Diese Ansicht vertritt der Wiener Caritasdirektor Michael Landau in einem Gastkommentar in der Donnerstag-Ausgabe der Wiener Tageszeitung "Die Presse".

Wie Landau schreibt, wären Österreich und Europa ohne Migration und ohne eine Integration von Zuwanderern nicht denkbar. Die "Kulturdebatte" müsse aber sehr wohl geführt werden. Der Begriff der "Leitkultur", wie er in Deutschland vom Fraktionsvorsitzenden der CDU, Friedrich Merz, im Oktober 2000 in die öffentliche Diskussion gebracht wurde, habe aber einen "schlechten Klang" und sei "missverständlich". Es gehe vielmehr - wie dies der in Göttingen lehrende syrische Islamwissenschaftler Bassam Tibi formuliert habe - letztlich um ein "Einverständnis über Gemeinsamkeiten".

Konsens über Werte

Integration sei so nicht im Sinne einer Über- oder Unterordnung zu verstehen; vielmehr benötige ein vielfältiges Gemeinwesen "einen Konsens über Werte und Normen als eine Art innere Hausordnung". Es gehe also - so Landau - um den Diskurs über jene "Randmarkierungen der Demokratie, des Rechtsstaates und des Menschenbildes" und über jene Werthaltungen und Wertentscheidungen, die zum unveräußerlichen Grundbestand einer Gesellschaft zählen. Weiters gehe es um Rechte, Pflichten und Chancengerechtigkeit.

"Nachdenkarbeit, nicht Populismus"

Der Wiener Caritasdirektor äußert sich überzeugt, dass eine gelungene Integration "beide Seiten bereichert" und Integration "ein Prozess auf Gegenseitigkeit" ist. Beide Seiten - Aufnahmegesellschaft und Zuwanderer - seien gefordert und in die Pflicht genommen. Der Integrationsprozess erfordere - wie Landau weiter betont - "Nachdenkarbeit", nicht "Populismus". Tatsache sei, dass "Nichtintegration" mehr koste als Integration. Daher sollte man heute in die Zukunft investieren.

Für „Integrationskommission“

Konkret fordert Landau die Einsetzung einer "Integrationskommission" nach dem Vorbild der deutschen Süßmuth-Kommission. Es gehe nämlich um ein Gesamtkonzept für eine "intelligente Zuwanderungspolitik", also um die Frage, "welche Zuwanderung wir in Österreich und in Europa heute und morgen brauchen, wie ein fairer Umgang mit den Menschen, aber auch mit den Ursprungsländern aussieht und wie sich ein gutes Miteinander zum Nutzen aller sicherstellen lässt". Stichworte seien hier etwa das "Recht auf Familienleben", die "Harmonisierung von Aufenthalt und Beschäftigung", eine "echte Chancengleichheit" oder auch "Ausbildungsinvestitionen, die die Herkunftsländer finanziert haben und die wohl zu beachten sind".

Für Integrations-Staatssekretariat

Eine weitere Forderung des Wiener Caritasdirektors ist die Schaffung eines "Staatssekretariats für Integration", etwa im Bundeskanzleramt, weil es hier um eine Querschnittsmaterie gehe, nicht nur um das Thema Sicherheit. "Wünschenswert" wäre nach Worten Landaus außerdem die Einführung eines "Tages der Integration" in Österreich oder ein Wettbewerb zum Thema "erfolgreiche Integration" für Strategien kommunaler Integrationspolitik. Landau plädierte auch dafür, "manches Ärgernis" zurückzunehmen wie etwa die empfindliche Erhöhung der Bundesgebühren für die Verleihung der Staatsbürgerschaft.

Staatsbürgerschaft

Die Verleihung der Staatsbürgerschaft sollte im übrigen nicht von "Tests" abhängig gemacht werden, deren Fragen auch durchschnittlich gebildete gebürtige Österreicher nicht beantworten können. Wohl aber könnte geklärt werden, "was es etwa für eine Familie heiße, wenn die Tochter - gegen den Willen der Eltern - mit einem Österreicher zusammenziehen will, der vielleicht auch noch ein anderes religiöses Bekenntnis hat". Landau wörtlich: "Diese Frage bietet übrigens umgekehrt, also im Blick auf die Eltern des Österreichers, ebenso Stoff zum Nachdenken."

Wertediskussion

Die Chancen in Österreich für eine solche "Wertediskussion" schätzt Landau als "gut" ein: "Unser Land hat hier den Vorteil einer langen und positiven Tradition etwa im Umgang mit dem Islam." Letztlich gehe es um einen "Perspektivenwechsel", so Landau in seinem Kommentar: Die Menschen mit Migrationshintergrund seien ein Potenzial für Österreich und für Europa. Das gelte es sichtbar zu machen und anzuerkennen. Für wichtig hält Landau auch, "Begegnung zu fördern" und möglichst viele einzubinden, wo es um gesellschaftliches Mittun geht.

 
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