Hintergrund |
Polen: Eine der stärksten Ortskirchen in EuropaDie katholische Kirche ist in Polen mit 36,6 Millionen Mitgliedern die mit Abstand größte Konfession. 95,8 Prozent aller Bürger sind katholisch getauft; die meisten davon praktizieren ihren Glauben regelmäßig.Die katholische Kirche ist in 45 Diözesen unterteilt und verfügt über 133 Bischöfe. In Polen trifft der Papst auf eine der stärksten Ortskirchen in Europa. Die starke Stellung der katholischen Kirche in Polen wurzelt auch in ihrer traditionellen Rolle als Bewahrerin der nationalen und kulturellen Identität in der Zeit der Teilung, als die einstige glanzvolle polnisch-litauische Doppelrepublik (einer der größten Staaten Europas) von den Nachbarn - Russland, Preußen, Österreich - aufgeteilt war. Auch während der kommunistischen Herrschaft nach dem Zweiten Weltkrieg blieb die Kirche eine starke unabhängige Kraft. Nach der Wahl des Krakauer Erzbischofs Karol Wojtyla zum Papst 1978 trug sie gemeinsam mit der Oppositionsbewegung "Solidarnosc" maßgeblich dazu bei, die Herrschaft des Totalitarismus zu beenden. Europafreundliche BischöfeMit dem Niedergang der "Solidarnosc" nahm der Einfluss der Kirche auf die Parteipolitik ab. Dagegen spielte sie bei der Hinwendung Polens zur EU eine wichtige Rolle. Nachdem weite Teile des Klerus der neuen Westorientierung zunächst skeptisch gegenüberstanden, brachte Johannes Paul II. den Episkopat in den neunziger Jahren auf einen europafreundlichen Kurs. Konservativer Radiosender bereitet ProblemeAls Problem für Polens Kirche erwies sich in letzter Zeit immer mehr der Radiosender "Radio Maryja". Mit deutlichen Wahlempfehlungen an die Hörer trug der katholische Sender im Herbst zum Wahlerfolg der nationalkonservativen "Partei Recht und Gerechtigkeit" (PiS) bei. Kritiker werfen dem Sender antiliberale, antieuropäische und antisemitische Propaganda vor. Vatikan verlangte Intervention der BischöfeDie Spitze der polnischen Geistlichkeit ist zuletzt zusehends auf Distanz zu Radio Maryja gegangen. Primas Kardinal Jozef Glemp und eine Reihe von Bischöfen beschuldigen den Sender sogar, Polens Kirche zu "zersetzen". Doch sehr viele Priester und einige andere Bischöfe freuen sich über den wachsenden politischen Einfluss des katholischen Radiosenders. Der Vatikan reagierte im April nach einem Skandal um einen antisemitischen Kommentar des Senders alarmiert: Ein Mitarbeiter von Radio Maryja hatte erklärt, die Juden demütigten Polen international, weil sie Geld für in Polen zurückgelassenen Besitz verlangten. Rom forderte die polnische Kirche auf zu intervenieren. Die Bischöfe kündigten daraufhin Anfang Mai an, eine Sonderkommission solle künftig darüber wachen, dass das Radio politisch unabhängig sei.
|
![]() |