News 09. 08. 2006

Schakfeh kritisiert Politik Israels

Die schiitische Hisbollah habe keinen Grund zu triumphieren, denn der Libanon sei nach der israelischen Offensive weitestgehend zerstört, erklärte der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Anas Schakfeh, in einem Interview mit der "Wiener Zeitung" (Mittwoch-Ausgabe).

Aber "bisher waren die Israelis gewohnt, dass ein Krieg, den sie führen, schnell vorbei ist und sie ihre Ziele erreicht haben. Diesmal hat eine kleine Widerstandsgruppe das verhindert".

Israel ist militärisch überlegen

Wenn man jetzt zu der Überzeugung komme, "dass ein Sieg nicht billig zu bekommen ist, dann sucht man eher nach politischen Lösungen, um mit seinen Nachbarn in Frieden leben zu können. Ich hoffe, Israel wird durch die Erfahrungen aus diesem Krieg logischer in seinen Forderungen und seinen Angeboten werden. Auch was den Palästina-Konflikt betrifft. Was sie hier bisher offeriert haben, ist nicht akzeptabel", sagte Schakfeh. "Israel kann nicht existenziell bedroht werden, denn dies würde bedeuten, dass es von einer klassischen Armee besiegt werden müsste. Das trifft weder auf Hisbollah noch auf Hamas zu. Und zwischen der Atommacht Israel und der Nicht-Atom-Macht Iran liegt immerhin noch der Irak", so der höchste Repräsentant der muslimischen Gemeinschaft Österreichs.

Gefahr eines Flächenbrandes

Wenn Israel im Südlibanon bleibe, sei die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass die Hisbollah einen Guerillakrieg führe. "Auch wenn Israels Truppen sechs bis zehn Kilometer Gebiet im Süden Libanons besetzt halten, wird dies die Katjuscha-Raketen nicht verhindern, da diese eine große Reichweite haben. Was den Beschuss verhindern kann, ist eine politische Lösung", unterstrich Anas Schakfeh. Die Gefahr eines Flächenbrandes sei gegeben, "aber noch besteht Hoffnung, dass die internationale Staatengemeinschaft ihrer Verpflichtung nachkommt und im UNO-Sicherheitsrat eine Resolution beschließt, die eine sofortige Waffenruhe verlangt. Danach soll es dann zu Gesprächen zwischen den Streitparteien kommen."

Rückzug Israels aus Südlibanon

Israel habe selbst gesagt, dass es sich aus dem Südlibanon zurückziehen wolle. "Wenn das ernst gemeint war, warum soll das dann nicht gleich im Resolutionstext festgeschrieben werden?", fragte der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Die Entwaffnung der Hisbollah-Miliz sei Bestandteil des Sieben-Punkte-Planes der libanesischen Regierung, "allerdings ist die Voraussetzung, dass die anderen sechs Punkte erfüllt werden. Einer davon betrifft die von Israel besetzten Shebaa-Farmen. Der Vorschlag der libanesischen Regierung lautet, dass sich Israel von dort zurückzieht und UNO-Truppen stationiert werden, bis der genaue Grenzverlauf festgelegt ist. Zudem gibt es das Problem der politischen Gefangenen. Diese strittigen Fragen waren auch der Grund, warum die Hisbollah-Partei ihre Miliz bisher beibehalten konnte."

Palästina-Konflikt ist „Mutter aller Probleme“

Auf die Frage, ob die Entführung der beiden israelischen Soldaten durch die Hisbollah, die den Krieg ausgelöst hat, "mit dem Iran akkordiert" gewesen sei, antwortete Schakfeh: "Ich weiß es nicht. Das müssen sie Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah fragen". Das ursprüngliche Problem, "die Mutter aller Probleme im Nahen Osten", sei der Palästina-Konflikt. "Wir von der Islamischen Glaubensgemeinschaft sind prinzipiell gegen jede Aktion, die darauf abzielt, unbeteiligten Zivilisten zu schaden oder sie gar zu töten. Deshalb lehnen wir etwa palästinensische Selbstmordattentate ab. Aber noch viel verheerender ist, wenn ein Staat Terror betreibt".

Israel muss sich an Kritik gewöhnen

Zu dem von der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) erhobenen Vorwurf einer teilweise einseitigen Nahost-Medienberichterstattung in Österreich sagte Schakfeh: "Die israelische Seite war bisher eine bevorzugte Behandlung gewohnt. Aber Israel muss sich daran gewöhnen, als normaler Staat behandelt zu werden. Und dazu gehört eben auch, dass man sich kritisieren lassen muss, wenn man ungerechtfertigt handelt."

 
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