News 13. 09. 2006

Papstbesuch: „Privater Tag“ in Regensburg

Nach der feierlichen Weihe einer Orgel in der Alten Kapelle in Regensburg hat sich Papst Benedikt XVI. am Mittwoch, am fünften und vorletzten Tag seines Bayern-Besuchs, zurückgezogen, um den restlichen Tag mit seinem Bruder in privatem Rahmen zu verbringen.

In der Wohnung von Georg Ratzinger aß das Brüderpaar zu Mittag. Nach den vorherigen mit Programm angefüllten Besuchstagen verbrachte der 79-jährige Joseph Ratzinger einige Zeit abgeschirmt von der Öffentlichkeit.

Grab der Eltern

Nur ein paar Stunden ohne Fernsehkameras und großen Begleittross sind dem Papst vergönnt. Nach dem Mittagessen im Regensburger Haus seines Bruders Georg Ratzinger hat für den Papst am Mittwochnachmittag der wohl persönlichste Teil seines sechstägigen Besuches in Bayern begonnen. Benedikt XVI. fuhr zusammen mit seinem 82-jährigen Bruder zum Friedhof im Stadtteil Ziegetsdorf, wo die Eltern und die ältere Schwester beerdigt sind. Dort betete der Papst mehrere Minuten. Auch Bruder Georg und der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller sowie der Privatsekretär des Papstes, Georg Gänswein, und dessen Vorgänger in diesem Amt, Bischof Josef Clemens, beteten am Grab, das mit Blumen geschmückt war. Anschließend ging der Papst in die Kirche St. Josef direkt am Friedhof, um zu beten.

Wohnsitz Ratzingers

Danach fuhren die Brüder nach Pentling weiter, wo sie sich in das Wohnhaus von Joseph Ratzinger zurückzogen, das er von 1970 bis 1977 ständig und später gelegentlich bewohnte. In diesem Haus bewahrt der Papst auch seine große Bibliothek auf. Bewohner des Ortes hatten sich in der Nähe des Hauses versammelt. Benedikt XVI. ging spontan auf seine ehemaligen Nachbarn zu und begrüßte sie. Er nahm sich ausgiebig Zeit für Gespräche. Noch immer hat der Papst seinen Erstwohnsitz dort gemeldet. Ursprünglich hatte Joseph Ratzinger geplant, sich nach seiner Tätigkeit als Präfekt der Glaubenskongregation in Rom wieder nach Pentling zurückzuziehen. Doch am 19. April 2005 wurde der Kardinal zum Papst gewählt - die Pläne für den Ruhestand in der Donau-Stadt zerschlugen sich.

Weihe der Papst-Benedikt-Orgel

Am Mittwochvormittag bei der Weihe der neuen Papst-Benedikt-Orgel betonte der Papst vor 400 Gästen, feierliche Kirchenmusik mit Chor, Orgel, Orchester und Gesang sei keine die Liturgie umrahmende und verschönende Zutat, "sondern eine wichtige Weise tätiger Teilnahme am gottesdienstlichen Geschehen." Die Stimmigkeit der Orgelpfeifen könne bildlich auf die kirchliche Gemeinschaft übertragen werden: "Wie in der Orgel eine berufene Hand immer wieder die Disharmonien zum rechten Klang vereinen muss, so müssen wir auch in der Kirche in der Vielfalt der Gaben und der Charismen immer neu durch die Gemeinschaft des Glaubens den Einklang im Lob Gottes und in der geschwisterlichen Liebe finden."

 

Benedikt XVI. besprengte die Orgel mit Weihwasser und schloss die Andacht mit der lateinischen Segensformel. Danach erklang in der Stiftsbasilika die Toccata und Fuge d-Moll von Johannes Sebastian Bach.

Küng: Zwiespältiger Eindruck

Der Tübinger Theologe Hans Küng sagte, er habe einen zwiespältigen Eindruck vom Papst-Besuch in Bayern. "Benedikt XVI. hat keine der Hoffnungen reformorientierter Katholiken erfüllt", sagte er am Mittwoch. Der Heilige Vater habe aber sympathisch und den Gläubigen nahe gewirkt - "kein Medienpapst mit Schauspielertalent, der um Beifall heischt". Zur Diskussion um den Vortrag des Papstes mit umstrittenen Äußerungen zum Dschihad im Islam meinte Küng: "Diese Äußerungen werden wohl von vielen Muslimen nicht positiv aufgenommen werden und bedürfen dringend der Differenzierung."

Drewermann: Geistliche Unbeweglichkeit

Der katholische Theologe und Kirchenkritiker Eugen Drewermann warf Benedikt geistige und geistliche Unbeweglichkeit vor. In Fragen der Wiederverheiratung von Geschiedenen, der Homosexualität, aber auch der Verhütung denke der Papst offensichtlich genau so wie früher. "Das ist dieser Papst, der dafür gesorgt hat, dass in der letzten Weltbevölkerungskonferenz über eine mögliche Planung weltweiter Geburtenkontrolle - im Verein mit Ajatollahs - auf lange Zeit hin die Chance vertan wurde", erklärte Drewermann. Benedikt XVI. habe auch keine wirklichen Brücken zu den protestantischen und reformatorischen Kirchen gebaut. "An all diesen Stellen haben wir die Immobilität der katholischen Kirche verkörpert in diesem Mann."

Kasper: Erfolg

Der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper wertete den Papst-Besuch am Dienstagabend im Bayerischen Fernsehen als Erfolg. Das Kirchenoberhaupt habe in Sachen Ökumene Defizite auf beiden Seiten benannt. "Die eigentliche Not in der Ökumene ist doch, dass uns die gemeinsame Substanz wegschmilzt", erklärte Kasper: "Was die Leute unter Gott verstehen, ist häufig äußerst vage."

Huber: Heimat-Visite

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, hat sich nach eigenen Angaben keinen Ökumene-Fortschritt durch den Besuch erwartet. Der Charakter der Reise als Heimat-Visite habe ihn davon abgehalten, "zu große Erwartungen bei ökumenischen Themen zu haben". "Der Papst predigt richtig evangelisch", sagte der evangelisch-lutherische Landesbischof in Bayern, Johannes Friedrich. In der Ansprache von Benedikt XVI. beim Gottesdienst auf dem Münchner Messegelände habe es keinen Satz gegeben, den er nicht hätte unterschreiben können, sagte der Landesbischof.

 

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