News 14. 09. 2006

Heftige muslimische Reaktionen auf Papst-Aussagen

Muslime in Deutschland und Frankreich haben heftige Kritik an Aussagen von Papst Benedikt XVI. über den Propheten Mohammed und den Islam geübt. Das staatliche Religionsamt in der Türkei hat sogar eine Entschuldigung von Papst Benedikt XVI. gefordert.

Die Äußerungen des Papstes über den Islam und den Propheten Mohammed während seines Deutschland-Besuches seien bedauerlich und müssten zurückgenommen werden, sagte der Chef der Religionsbehörde, Ali Bardakoglu, nach einem Bericht der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstag.

Belastung für Türkei-Besuch des Papstes

Der Papst hatte am Dienstag bei einer Vorlesung vor Wissenschaftern der Universität Regensburg einen byzantinischen Kaiser mit der Feststellung zitiert, Mohammed habe "nur Schlechtes und Inhumanes" in die Welt gebracht. Damit habe der Papst eine "Kreuzfahrermentalität" an den Tag gelegt, kritisierte Bardakoglu. Der Streit um die Äußerungen Benedikts XVI. belastet damit schon jetzt die Atmosphäre vor dem für Ende November geplanten Papst-Besuch in der Türkei.

 

Der Papst hatte in Regensburg ferner einen Herausgeber der Reflexionen des byzantinischen Kaisers Manuel II. Palaeologos mit den Worten zitiert, der muslimische Gott sei "an keine unserer Kategorien gebunden und sei es die der Vernünftigkeit".

„Feindselige Haltung“

Bardakoglu warf Benedikt deshalb eine "feindselige Haltung" vor. Die Christen sollten erst einmal erklären, wie ihre Religion mit der Vernunft in Einklang gebracht werden könne. Bardakoglu verwies unter anderem auf den Glauben an die Dreifaltigkeit und betonte mit Blick auf die Christen: "Sie sagen, Jesus sei der Sohn Gottes. Wie verträgt sich denn das mit Vernunft?"

Kritik in türkischen Medien

Die islam-kritischen Äußerungen von Benedikt XVI. in Deutschland haben dem Papst in der Türkei ein breites Presseecho und überwiegend den Vorwurf der Taktlosigkeit eingebracht. "Taktloser Papst" schrieb am Donnerstag das Massenblatt "Sabah" auf der Titelseite. Vor seinem Türkei-Besuch im November habe der Papst "hasserfüllte, auf den Propheten Mohammed zielende Äußerungen eines byzantinischen Kaisers zu einem aktuellen Thema gemacht", kritisierte das Blatt. Von einem "großen Schnitzer" des Papstes sprach auch das Blatt "Vatan".

"Kaiser als Schutzschild"

Benedikt XVI., der den Kaiser Manuel II. Phaleologus (1391-1425) in einem Vortrag an der Universität Regensburg zitiert hatte, habe den "Kaiser als Schutzschild" benutzt, meinte die links-liberale Zeitung "Milliyet". Die auflagenstarke Zeitung "Hürriyet" begnügte sich mit der Feststellung, Benedikt XVI. habe "den radikalen Islam abgekanzelt". In seinen Vortrag war der Papst auf das Verhältnis von Gewalt und Religion eingegangen und hatte dem Heiligen Krieg eine Absage erteilt.

Vorurteile verstärkt

Als "gefährlichen Kommentar des islamischen Glaubens" wertete die gemäßigt-islamische Zeitung "Zaman" den Vortrag des Papstes. Mit seinen Äußerungen habe er "die Muslime betrübt und die Vorurteile in der deutschen Gesellschaft verstärkt". Der Türkei-Besuch von Papst Benedikt XVI. ist für die Zeit vom 28. November bis 1. Dezember vorgesehen.

Deutsche Muslime verweisen auf Geschichte des Christentums

Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sagte dem in Berlin erscheinenden "Tagesspiegel" (Freitagausgabe), es falle ihm "schwer zu glauben", dass der Papst "gerade im Verhältnis zur Gewalt die Grenze zwischen Islam und Christentum" sehe. Schließlich sei auch die Geschichte des Christentums blutig gewesen - "man denke nur an die Kreuzzüge oder die Zwangsbekehrungen von Juden und Muslimen in Spanien". Gerade im Islam sei der Vernunftgedanke "besonders präsent". Für die islamische Rechtsprechung sei "der Gebrauch des eigenen Kopfes sogar eine der Säulen".

Der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkaya, verwies darauf, dass Benedikt XVI. zu Beginn seines Besuchs an die Politik appelliert habe, den Dialog der Kulturen und Religionen zu verstärken. Dies sei allerdings "kein positiver Beitrag dazu", sagte Kizilkaya dem "Tagesspiegel". "Wenn wir alle in die historische Kiste greifen wollten, dann wäre der Dialog kaum möglich."

Kritik auch aus Frankreich

Auch bei Frankreichs Muslimen sind die Äußerungen von Papst Benedikt XVI. zum Islam auf Kritik gestoßen. Der Papst müsse "eine Klarstellung" zu den bei seinem Deutschland-Besuch gemachten Äußerungen abgeben, sagte der Vorsitzende des französischen Islamrats (CFCM), Dalil Boubakeur, am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP. Die katholische Kirche müsse klar machen, dass sie den Islam als Religion sehe und nicht mit dem "Islamismus gleichsetzt, der eine politische Ideologie ist".

"Wir glauben an denselben Gott, den Gott des Friedens, der Liebe und der Barmherzigkeit", sagte Boubakeur, der auch Rektor der Moschee von Paris ist. "Der Islam steht vor allem für Toleranz und Brüderlichkeit." Mit den Christen wollten die fünf Millionen französischen Moslems "freundschaftliche Beziehungen". Das Pontifikat von Benedikt XVI. müsse "die Früchte der Bemühungen von Johannes Paul II. im interreligiösen Dialog ernten", forderte Boubakeur. Nur so ließen sich die Gefahren bekämpfen, "die alle Gläubigen bedrohen": "Extremismus, Radikalisierung, Intoleranz und Gewalt".

Vatikanische Reaktion

Bei einer Pressekonferenz während des Papstbesuchs hatte Vatikansprecher P. Federico Lombardi SJ zu Missverständnissen im Blick auf die "Gastvorlesung" Benedikts XVI. an der Regensburger Uni klargestellt: Der Papst verurteile nicht den Islam insgesamt als gewaltbereit. P. Lombardi: "Wir wissen, dass es innerhalb des Islam viele unterschiedliche Positionen gibt, gewaltbereite und nicht-gewaltbereite".

Religion und Gewalt

In einem Interview mit "Radio Vatikan" ging P. Lombardi am Mittwochabend dann noch einmal auf die Frage "Religion und Gewalt" ein. Die Erkenntnis, dass Gewalt der Natur Gottes und der Seele zuwiderlaufe, sei "sicherlich ein wichtiger Ausgangspunkt" der Regensburger Papstrede gewesen, "aber nicht ihr Ziel". Das Problem von Religion und Gewalt sei für Benedikt XVI. nur ein Beispiel für das Gesamtproblem der "richtigen Vorstellung von Gott".

 

Link:

Wortlaut der Vorlesung von Benedikt XVI. an der Universität Regensburg

 
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