News 21. 11. 2006

Christen in der Türkei

In der Türkei, in der mehr als 99 Prozent der über 70 Millionen Bewohner Muslime sind, bilden Christen eine verschwindend geringe Minderheit. Offizielle Angaben über ihre genaue Zahl gibt es nicht. Schätzungen gehen von nicht viel mehr als 100 000 Christen aus.

Die meisten Christen in der Türkei gehören der orthodoxen Glaubensrichtung an. Hinzu kommen Ausländer christlichen Glaubens, die meist nur vorübergehend in der Türkei leben. Die armenisch-orthodoxe Gemeinde bildet mit 60.000 bis 80.000 Mitgliedern unter ihrem Metropoliten Mesrob II. die zahlenmäßig stärkste Gruppe. An zweiter Stelle steht die syrisch-orthodoxe Kirche, deren Zahl der Metropolit Mor Philoxenos mit 25.000 Gläubigen angibt. 15.000 davon leben heute in Istanbul, eine Folge des Exodus aus dem traditionellen Siedlungsgebet in der Südosttürkei. Die Gemeinde der griechisch-orthodoxen Christen unter dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios ist dagegen von 180.000 bis zur Ausweisung nach den Pogromen von 1956 auf rund 3.000, maximal 5.000, geschmolzen. Außerdem leben in der Türkei Protestanten sowie Katholiken, die dem lateinischen, chaldäischen, armenischen und syrischen Ritus angehören.

Völkermord an den Armeniern

Der Niedergang der einst großen christlichen Minderheiten in Anatolien begann mit der Auflösung des Osmanischen Reiches und der Gründung der Türkischen Republik 1923. Nahezu die gesamte armenische Bevölkerung wurde ein Opfer von Massendeportationen, die der Türkei den Vorwurf eines Genozids einbrachten.

Bevölkerungsaustausch mit Griechenland

Der Exodus der Griechen begann, als griechische Truppen nach dem Ersten Weltkrieg einmarschierten und den türkischen Befreiungskrieg auslösten. Nach einem Bevölkerungsaustausch, der 1923 im Friedensvertrag von Lausanne vereinbart wurde, wohnten in Istanbul noch etwa 100 000 Griechen, von denen viele in der Folgezeit auswanderten.

Streit um Priesterausbildung

Obwohl griechische und armenische Christen im Friedensvertrag von Lausanne (1923  zwischen den Siegermächten des Ersten Weltkriegs und der Türkei vereinbart) als Minderheiten anerkannt wurden, haben Kirchen in der Türkei bis heute keinen eigenen Rechtsstatus. Seit Jahrzehnten müssen sie um ihr Eigentum kämpfen. Die Ausbildung von Priestern ist seit den 1970er Jahren verboten. Diskussionen löste besonders die Schließung der renommierten orthodoxen Theologischen Hochschule in Chalki aus. Das Seminar, an dem Generationen von griechisch-orthodoxen Geistlichen ausgebildet worden waren, musste geschlossen werden, nachdem 1971 ein Gesetz verabschiedet worden war, wonach die Religionsbildung staatlicher Kontrolle unterliegt. Zahlreiche europäische Politiker und Religionsführer haben sich in den vergangenen Jahren immer wieder vergebens für eine Wiedereröffnung der Hochschule eingesetzt.

Katholische Kirche ist "de iure nicht vorhanden"

Besonders schwierig ist in der Türkei die Situation für jene Religionsgemeinschaften, die nicht im Vertrag von Lausanne erwähnt werden. Sie sind "de iure nicht vorhanden", wie der katholische Bischof von Istanbul, Louis Pelatre, im Vorfeld des Papst-Besuches beklagte. Dadurch ist es der katholischen Kirche etwa nicht möglich, Immobilien zu besitzen. Personen aus der Kirchengemeinde müssen als Besitzer vorgeschoben werden, was unter anderem im Fall von notwendigen Umbauten und Renovierungen immer wieder zu Schwierigkeiten führt. Mehrfach kam es zu Enteignungsprozessen, durch die die Katholiken schon einige wertvolle Immobilien verloren haben.

 

 

 

 

 
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