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News 08. 01. 2007 |
Internationale Pressestimmen zum Rücktritt von Erzbischof WielgusDer Rücktritt des neuen Warschauer Erzbischofs Stanislaw Wielgus war am Montag eines der Hauptthemen der internationalen Presse.
"Gazeta Wyborcza" (Warschau):"Der 7. Jänner 2007 wird in die Kirchengeschichte Polens und der Welt eingehen. Es geschah etwas noch nie Dagewesenes: Ein Bischof übernahm eine der wichtigsten Diözesen Polens und wurde nach zwei Tagen vom Heiligen Stuhl abberufen, obwohl ihm diese Institution trotz scharfer Kritik vorher das Vertrauen versichert hatte. (...) Am Schlimmsten ist, was gestern während der Messe in der Kathedrale deutlich zu sehen war - der Papst ist keine Autorität für Katholiken, die sich als rechtgläubig bezeichnen. Sie verteidigten den Erzbischof gegen den Papst. Die Predigt von Primas Glemp beruhigte den Streit nicht. Man muss froh sein, dass die Entscheidung der Kirche endlich gefallen ist und dass sie im Einklang mit den Gefühlen eines großen Teils der Gesellschaft getroffen wurde." "Rzeczpospolita" (Warschau):"Anstatt den Verrat zu verdammen, schleuderten einige Bischöfe, Priester und katholische Publizisten Blitze an die Köpfe derjenigen, die es wagten, eine unbequeme Wahrheit aufzudecken. (...) Die Entscheidung Roms dagegen bedeutet vor allem einen großen Sieg des Gewissens. Man wird Verrat wieder Verrat nennen können, Mut als Mut und Treue als Treue bezeichnen. Der Rücktritt von Erzbischof Wielgus ist ein Sieg der Kirche, auch wenn er einige Gläubige schmerzt. Ihre gesellschaftliche Kraft stützt sich nicht auf politischen Einfluss oder auf Reichtum, sondern auf Glaubwürdigkeit. Letztlich ist es die Stimme eines guten Gewissens, die die Kirche dauerhaft stützt. (...) Erst jetzt kann man über die Notwendigkeit des christlichen Mitgefühls und der Vergebung für Erzbischof Wielgus sprechen. Es ist gut, dass es Rom gibt." "Il Messaggero" (Rom):"Am Ende schien der Rücktritt von Stanislaw Wielgus, der sofort vom Papst akzeptiert wurde, die 'angemessenste' Lösung zu sein, der einzige Ausweg aus einer Angelegenheit, die die polnische Kirche in eine noch größere Krise gestürzt und auch den Vatikan in große Schwierigkeiten gebracht hätte. Auch die Mehrheit der Polen zeigte sich dem Ex-Rektor der Katholischen Universität Lublin gegenüber feindlich, der von Josef Ratzinger dazu berufen worden war, dem Warschauer Erzbischof Jozef Glemp nachzufolgen (...). Aber viele Gläubige haben ihn auch bis zuletzt verteidigt. (...) Der Vatikan wusste von den Beziehungen des Monsignore mit den Geheimdiensten, er selbst hatte davon gesprochen, wobei er aber erklärte, er habe niemanden 'angezeigt'. Die öffentliche Beichte von Wielgus wurde von Rom als 'übertrieben' angesehen, ebenso wie seine ganze Art zweideutig und widersprüchlich war: Zuerst hat er versucht, die Sache herunterzuspielen, dann hat er um Entschuldigung gebeten. Deshalb hat Ratzinger nach einer schwierigen Nacht der Beratungen zwischen Rom und Warschau den Verzicht des Ex-Rektors gleich angenommen." "La Repubblica" (Rom):"Der Rücktritt, zu dem der Erzbischof von Warschau am Tag seiner Amtseinführung gezwungen war, ist der schwerste Schlag, den die Autoritäten der katholischen Kirche seit Jahrhunderten in diesem Land erfahren haben. Die Kirche wird in vielen Teilen der Welt verfolgt (...), aber in diesem Teil hat sie sich - in der Person des Papstes - selbst mit einer eigensinnigen und am Ende nicht mehr tragbaren Entscheidung geschadet. Es scheint wahrscheinlich, dass Monsignor Wielgus auch Benedikt XVI. die ganze Wahrheit verschwiegen hat, wie auch sein Versuch zeigt, seine Lüge bis zum Äußersten und bis zur Kapitulation gestern aufrecht zu erhalten: Aber auch das erklärt nicht die Entscheidung, ihm das Amt unbedingt anvertrauen zu wollen, zumal Wielgus nicht einmal besondere seelsorgerische Qualitäten besitzt." "Corriere della Sera" (Mailand):"Für den Vatikan hat Wielgus gleich eine doppelte Schuld, abgesehen von der ursprünglichen, mit den Geheimdiensten des Regimes zusammengearbeitet zu haben: Die erste ist die, bis zum vergangenen Freitag die Zusammenarbeit öffentlich abgestritten zu haben, die zweite ist, dass er dem Heiligen Stuhl während des Untersuchungsverfahrens zu seiner Ernennung nicht alle Informationen gegeben hat. Aber gleichzeitig schätzt der Vatikan natürlich - wie aus einer Mitteilung seines Sprechers Lombardi hervorgeht - die 'Demut', die Wielgus dadurch gezeigt hat, dass er seine eigene Verantwortung zugegeben hat." "La Croix" (Paris):"Wenn dieser Mann heute diskreditiert ist, dann nicht, weil er als Erzbischof (mit den Kommunisten) kollaboriert hat, sondern weil ein Kollaborateur nach der Tat Erzbischof wurde. Das ist kein geringer Unterschied. Manche Handlungen erhalten eine besondere Schwere, wenn sie von Personen in hohen Ämtern begangen werden. Sicher, Mitglieder der Kirche sind unter der atheistischen Diktatur gestolpert. Es besteht auch kein Grund, das zu verbergen: Sie sind ihrer Berufung als Gefolgsleute Christi und manche auch ihrer Aufgabe als Priester nicht nachgekommen." "El Mundo" (Madrid):"Es dürfte schwer sein, in der Kirchengeschichte einen Fall wie den des Warschauer Erzbischofs zu finden. Stanislaw Wielgus trat zurück, um einem der größten Skandale in der katholischen Kirche in Polen ein Ende zu setzen. Die Affäre hatte sogar die Diplomatie des Vatikans in eine unangenehme Lage gebracht. Das letzte Wort ist in dieser Krise aber längst nicht gesprochen. Die Kirche hegt den Verdacht, dass bestimmte Leute Rache nehmen wollen für die Rolle, die die Geistlichen beim Sturz des Kommunismus gespielt haben. Außerdem zirkulieren Spekulationen, dass einer der Hintermänner des Rücktritts kein geringerer ist als Lech Kaczynski. Der Staatspräsident ist davon besessen, das öffentliche Leben von allen Helfern des kommunistischen Regimes zu säubern." "Salzburger Nachrichten":"Ohne Glaubwürdigkeit und in ständiger Gefahr, erpresst zu werden, wäre die Regentschaft von Wielgus zum Desaster geworden. Dass Benedikt XVI. den Mantel des Verzeihens über die dunkle Vergangenheit ausbreiten wollte, war naiv und weltfremd. Nach der berüchtigten Regensburger Rede war es ein neuer, immerhin kleinerer "Unfall". Seinem mehr politisch denkenden Vorgänger Wojtyla wäre das nicht passiert. Und dies nicht nur, weil der Pole auf dem Stuhl Petri in seiner Heimat ein hartnäckiger Widersacher des Regimes gewesen war, dem sich sein Glaubensbruder Wielgus verpflichtet hat." "Magyar Hirlap" (Budapest):"Im übrigen blickt die gesamte polnische katholische Kirche auf eine Geschichte der Zusammenarbeit mit dem kommunistischen Regime zurück. Wo 15 Prozent der Geistlichen der Behörde über Kirchen-Interna berichteten, vermochte man vielleicht gerade mal aufs Beichtgeheimnis zu vertrauen. Wir wollen nicht unersättlich sein, auch wenn wir es angesichts des Umstands, dass es sich hier um die einflussreichste Kirche Europas handelt, sein könnten. Aber jetzt sehen wir zumindest ein wenig klarer. In jemandem regte sich etwas, auch infolge von Regungen, die ihn von außen unter Druck setzten. Wird sich auch in anderen etwas regen? Und wann? Oder bleibt alles beim Alten?" "Mlada fronta Dnes" (Prag):"Der Rücktritt von Wielgus mag eine persönliche Tragödie für den Würdenträger sein. Für die polnische Kirche ist er jedoch eine Erleichterung. Es ist in der Tat schwer vorstellbar, dass ein Agent der kommunistischen Polizei in Polen ein solch wichtiges Amt bekleidet. Wielgus hat am eigenen Leib erfahren müssen, dass niemand seinem Schatten davonlaufen kann. Doch bereits der Heilige Augustin sagte, dass eine Verschlechterung einer Situation besser ist als eine Unterdrückung der Wahrheit." "Die Welt" (Hamburg:"Indem der Erzbischof sich - am Ende vielleicht auch auf Anraten des lange zu ihm haltenden Vatikans - zurückzog, erwies er seiner Kirche und seinem Land einen kleinen Dienst; leider erst nach langem Abwiegeln und unter öffentlichem Druck. Viele Polen, darunter auch die regierenden Kaczynski-Zwillinge, schauen anerkennend auf die (relativ) kurze und transparente Stasi-Aufarbeitung in Deutschland. In Polen hätte man wenigstens der Kirche zugetraut, dass sie die von ihr selbst verkündete Richtlinie 'Gerechtigkeit plus Barmherzigkeit' einhält. Doch wer auf Barmherzigkeit und Vergebung hofft, sollte beizeiten Offenheit und notfalls Reue zeigen. Wielgus hat diese Erwartung zu lange enttäuscht." "Tages-Anzeiger" (Zürich):"Für die römische Kirche sind Bischofsbestellungen vom Heiligen Geist gewirkt und frei von politischem Kalkül. Um so frappierender der gestrige Rückzieher des Vatikans respektive des neuen Warschauer Erzbischofs Stanislaw Wielgus. (...) Der verhinderte Erzbischof hatte kopflos agiert und wochenlang alles geleugnet. Erst vor zwei Tagen bekannte er, mit dem Geheimdienst kooperiert zu haben, um weiter ins Ausland reisen zu können. Seine Behauptung, er habe niemandem geschadet, bleibt zu prüfen. Noch am Samstag bat Wielgus die Gläubigen, ihn als Bischof wohlwollend aufzunehmen. Ein Indiz dafür, dass nicht er, sondern der Heilige Stuhl die Notbremse gezogen hat. Bei allem Respekt für diese Maßnahme - die Ernennung Wielgus' war ein Fauxpas und nach der für die Muslime demütigenden Rede in Regensburg der zweite große Fehler Benedikts XVI."
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