News 05. 02. 2007 |
Wiener Judaist Kurt Schubert gestorbenKurt Schubert, der Begründer der Wiener Judaistik, ist am Sonntag im 84. Lebensjahr gestorben. Schubert war einer der großen Vorkämpfer für den christlich-jüdischen Dialog.Schubert galt als Doyen der wissenschaftlichen Judaistik im deutschsprachigen Raum. Die Gründung eines eigenen Instituts für Judaistik an der Universität Wien geht auf seine Initiative zurück. Schubert setzte sich zeit seines Lebens für einen verstärkten Dialog zwischen Christentum und Judentum ein und plädierte für eine verstärkte Einbeziehung der jüdischen religionswissenschaftlichen und kulturhistorischen Befunde in die christliche Theologie und Verkündigung. Das Studium als geistiger Protest gegen den AntisemitismusKurt Schubert wurde am 4. März 1923 geboren und besuchte das traditionsreiche Wiener Gymnasium "Theresianum", das ihn in Stil und Sprache prägte. Noch vor der Matura erlebte er den NS-Einmarsch 1938. Die unmittelbar danach ausbrechende Judenverfolgung bewog ihn, sich wissenschaftlich mit dem Judentum auseinander zu setzen. Schon als Jugendlicher ein engagierter Katholik, begann er mitten im Krieg als Zeichen des geistigen Protests gegen das NS-Regime am Institut für altorientalische Philologie der Wiener Universität mit dem Hebräisch-Studium. Während der nationalsozialistischen Okkupation Österreichs gehörte er sowohl der österreichischen Widerstandsbewegung als auch der klandestinen Katholischen Hochschuljugend an, die von Karl Strobl geleitet und sehr stark von Otto Mauer inspiriert wurde. Rettung der Bibliothek des RabbinerseminarsWährend des Krieges beim Luftschutz in Wien-Leopoldstadt tätig, rettete der junge Student die Bibliothek des Wiener Rabbinerseminars vor der Vernichtung und sorgte nach 1945 für den Transfer der kostbaren Buchbestände nach Israel. Zum Dank lud ihn die Hebräische Universität von Jerusalem zum ersten Unabhängigkeitstag 1949 nach Israel ein. "…dass Israel das erwählte Volk bleibt"In der Auseinandersetzung mit dem jüdischen Schrifttum wurde Schubert seine Lebensaufgabe deutlich, "uns Christen klar zu machen, dass Israel das erwählte Volk bleibt". Nach der Befreiung Österreichs ergriff Kurt Schubert die Initiative, die Wiener Universität wieder aufzubauen. Als junge "wissenschaftliche Hilfskraft" hielt Schubert am 2. Mai 1945 - noch vor dem offiziellen Kriegsende - seine erste Universitätsvorlesung "Hebräisch für Anfänger". Im Jänner 1949 habilitierte sich Schubert und wurde 1959 zum außerordentlichen Professor berufen. 1966 wurde er schließlich zum ordentlichen Professor für Judaistik ernannt und damit das erste Institut für Judaistik europaweit gegründet, dem er bis zu seiner Emeritierung 1993 vorstand. Christlich-jüdische VerständigungSchubert beschäftigte sich vor allem mit Qumran, jenem Ort am Toten Meer, der durch den Fund von Schriftrollen der jüdischen Sekte der Essener berühmt wurde, sowie mit antiker und mittelalterlicher jüdischer Kunst. Dabei war er immer überzeugt, dass nur die Information und Aufklärung über die Kultur und Religion der Juden den Antisemitismus zurückdrängen können. Kardinal König würdigte seinen Freund deshalb einmal als Wegbereiter eines neuen Verhältnisses zwischen Christen und Juden. Als Gründer und langjähriger Präsident des "Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit" war Schubert stets um den Dialog zwischen Christen und Juden bemüht, ebenso setzte er sich für eine objektive Darstellung des Judentums in den katholischen Religionsbüchern ein. "Katholische Christlichkeit" und "Liebe zum Judentum"Im Vorjahr wurde Schubert mit dem internationalen "Sir Sigmund Sternberg-Award" ausgezeichnet. Der vom Londoner Mäzen Sir Sigmund Sternberg gestiftete Preis würdigt das Engagement von Personen und Organisationen im Dienst interreligiöser Verständigung. In seiner Dankesrede betonte Kurt Schubert, dass man nur dann wahrhaft gegen den Antisemitismus auftreten und den christlich-jüdischen Dialog fördern könne, wenn man das Judentum auch von innen her kennen gelernt habe. Diesem Ziel habe er sein Leben gewidmet. Dabei habe er nie damit Probleme gehabt, seine tiefe Verwurzelung in der katholischen Kirche und seine Liebe zum Judentum miteinander zu verbinden, betonte Schubert. Seine "selbstverständliche katholische Christlichkeit" und seine Liebe zum Judentum seien "wie zwei Zahnräder, die einander bewegen", nie habe es dabei Spannungen gegeben. Schönborn: Ein großer Österreicher, Christ und GeistesmannDie große Persönlichkeit und die Bedeutung des am Sonntag verstorbenen Doyens der Judaistik-Wissenschaft im deutschsprachigen Raum, Kurt Schubert, hat Kardinal Christoph Schönborn am Montag gewürdigt. "Wir trauern um einen großen Österreicher, Christen und Geistesmann", sagte Kardinal Schönborn am Montag gegenüber der Nachrichtenagentur "Kathpress". Seine tiefe Liebe zum Judentum, seine geradezu unglaubliche Kenntnis des frühen Judentums und seiner Literatur, aber auch die Sorge um das jüdische Erbe in unserem Land hätten aus Kurt Schubert "einen der bedeutendsten Brückenbauer zwischen Christentum und Judentum" gemacht, so der Wiener Erzbischof. Schuberts Stellungnahmen zu Fragen der Exegese seien immer "von höchst erfrischender Klarheit und einer selbstverständlichen, tiefen Gläubigkeit" gekennzeichnet gewesen. Kultusgemeinde bedauert "Tod eines wahren Freundes"Als "Vorkämpfer für einen ehrlichen christlich-jüdischen Dialog" würdigte die Israelitische Kultusgemeinde Kurt Schubert am Montag in einer Aussendung. Die Kultusgemeinde bedauere "den Tod eines wahren Freundes, der sich den Belastungen des christlich-jüdischen Verhältnisses aus der Vergangenheit offen stellte, den christlichen Antijudaismus verurteilte und stets dem Staat Israel gegenüber solidarisch wirkte".
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