News 02. 03. 2007

175-Jahr-Jubiläum der Barmherzigen Schwestern in Wien

Die Bedeutung der sozial-karitativen Frauenorden betonte der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn am Donnerstagabend beim Festakt zum 175-Jahr-Jubiläum der Barmherzigen Schwestern in Wien. Die Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Vinzenz von Paul in Wien-Gumpendorf wurde am 2. März 1832 gegründet.

Die Barmherzigen Schwestern leben nach der Regel des Heiligen Vinzenz von Paul (1581-1660). Der Priester galt im Frankreich des 17. Jahrhunderts als "das Gewissen des Königreichs". Durch sein Engagement für Kranke, Bettler verwahrloste Jugendliche, Geisteskranke, Sträflinge, Flüchtlinge und Vertriebene gilt er für viele als Begründer der neuzeitlichen Caritas. Da sich für Vinzenz von Paul in den Armen Christus zeigte, forderte er: "Dienen wir den Armen mit neuer Liebe. Erkennen wir vor Gott, dass sie unsere Herren und Meister sind!"

Die "Vinzentinerinnen"

1617 initiierte Vinzenz von Paul in Paris die erste "Confrérie des Dames de la Charité", die "Bruderschaft der Damen der Liebe", eine karitative Frauenvereinigung, die sich um Arme und Kranke sorgte. 1633 gründete er gemeinsam mit der Witwe Louise von Marillac den Orden der "Filles de la Charité" ("Töchter der christlichen Liebe"). Aus dieser Caritasgemeinschaft der sogenannten "Vinzentinerinnen" ging schließlich der Orden der "Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul" hervor.

Die Barmherzigen Schwestern sind seit 1832 in Wien

Die Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Vinzenz von Paul in Wien-Gumpendorf wurde am 2. März 1832 gegründet. An diesem Tag bezog Schwester Josefa Nikolina Lins aus Zams in Tirol mit drei Gefährtinnen ein kleines Haus im damaligen Wiener Vorort Gumpendorf. Von dort wurden bald neue Niederlassungen gegründet, etwa in Linz, im mährischen Kremsier (Kromeriz) oder im heute zu Rumänien gehörenden Satu-mare. Die Kongregation erlebte eine große Blütezeit vom Ende des 19. bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nach dem Ersten Weltkrieg wirkten fast 1.000 Schwestern in 59 Niederlassungen. Heute gehören zu der vom Orden gegründeten "Vinzenz Gruppe" Krankenhäuser und Altersheime, Schulen, Landwirtschaftsbetriebe und Kindergärten. In diesen Betrieben sind insgesamt rund 5.000 Menschen beschäftigt.

Schönborn: "Wir brauchen weiter die Barmherzigen Schwestern"

Orden wie die Barmherzigen Schwestern seien heute so etwas wie ein "Ferment", damit das soziale Netz nicht "abstumpft", betonte Schönborn beim Festakt im Wiener Rathause. Der Geist christlicher Nächstenliebe, aus dem heraus die Barmherzigen Schwestern und viele andere karitative Ordensgemeinschaften wirksam wurden, habe sich in Wien im positiven Sinn "institutionalisiert" und sei zur Selbstverständlichkeit geworden, stellte der Wiener Erzbischof fest. Aber die hohen karitativen Standards in Wien und Österreich seien nicht mit einer "Bestandsgarantie" ausgerüstet, sie bedürften vielmehr der Pflege im Geist des Evangeliums. Hier sei es die heutige Aufgabe der Barmherzigen Schwestern, die "Prägekraft des Evangeliums" zu erhalten. Wörtlich sagte Kardinal Schönborn: "Wir brauchen vorbildlich gelebte Barmherzigkeit und Nächstenliebe. Wir brauchen Menschen, die uns zeigen, wo dafür die Quellen sind, wie wir es anstellen, dass sie nicht austrocknen. Wir brauchen weiter die Barmherzigen Schwestern".

"Unvorstellbar viel" geleistet

Ausdrücklich erinnert Schönborn daran, wie "unvorstellbar viel" Hunderte von Frauen als geistliche Schwestern im 19. und 20. Jahrhundert geleistet hatten. Diese Frauen seien in das rasch expandierende Wien von damals gekommen, um "mitten hinein zu gehen in die Brennpunkte sozialer Not", sie hätten vor keiner Not die Augen verschlossen: "Sie etablierten sich nicht auf der Seite der schon Erfolgreichen, sondern gingen dorthin, wo die Not am größten war". Für diese Frauen gebe es keine Denkmäler, aber aus Anlass der 175-Jahr-Feier solle dankbar an sie erinnert werden: "Sie haben gepflegt, geholfen, geheilt, getröstet. Sie haben unter großen Entbehrungen soziale Einrichtungen geschaffen, noch lange bevor es den heutigen Sozialstaat gab". Die Barmherzigen Schwestern hätten Wien und Österreich mit einem Netzwerk von Armenschulen, Waisenhäusern, Spitälern und Heimen überzogen, das "in vielem ein Vorläufer des heutigen Sozialnetzes war".

Fehlender Nachwuchs

Der Dank gehe aber nicht nur in die Vergangenheit, betonte Kardinal Schönborn. Auch heute seien die Barmherzigen Schwestern und viele andere Ordensgemeinschaften unter ganz anderen Verhältnissen wirksam. Freilich sei es eine "schmerzliche Tatsache", dass diese Gemeinschaften heute wenig Nachwuchs haben. Das hänge einerseits mit den klein gewordenen Familien zusammen, andererseits aber auch damit, dass der moderne Sozialstaat "viel vom sozialen, karitativen Engagement der geistlichen Schwestern geerbt hat".

Glückwünsche von Papst Benedikt XVI.

Glückwünsche und Segensgrüße von Papst Benedikt XVI. zum 175-Jahr-Jubiläum der Barmherzigen Schwestern überbrachte am Donnerstagabend der Apostolische Nuntius in Österreich, Erzbischof Edmond Farhat. Der Nuntius würdigte bei der Feier im Wiener Rathaus das Wirken der Schwestern; an Generaloberin Scholastika Leitner überreichte er die päpstliche Auszeichnung "Pro Ecclesia et Pontifice".

Zulehner: Barmherzigkeit - "eine politische Ressource"

Wie der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner im Rathaus sagte, sei Barmherzigkeit "eine politische Ressource, die dem Land gut tut". Dem einmaligen Einzelnen auch dann gerecht zu werden, wenn er oder sie keine Leistung mehr dafür erbringen kann: darin liege das Wesen der Barmherzigkeit, so Zulehner in seinem Festvortrag. Gerade angesichts sozialdarwinistischer Tendenzen und ökonomischer Zwänge in der gegenwärtigen Gesellschaft sei Barmherzigkeit unverändert hoch aktuell und eine wirksame "Gegenkraft".

 

 

 

Link:

- Die Barmherzigen Schwestern in Wien

 

 

 
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