News 13. 04. 2007 |
Papst Benedikt erklärt Jesus von NazarethZum ersten Mal in der 2000-jährigen Kirchengeschichte hat ein Papst ein persönliches Buch über Jesus Christus geschrieben. Jenseits des Kirchenrechts, der Fixierung auf Dogmen oder das päpstliche Lehramt wählt Benedikt XVI. einen Ansatzpunkt, der viele berühren dürfte: Glaubenszweifel. Zweifel, ob Jesus, der Stifter der heute weltweit größten Religionsgemeinschaft, tatsächlich Gottes Sohn war, wie es die Kirche lehrt - oder vielleicht doch nur ein Wanderprediger oder Rebell gegen die römischen Machthaber? Ein Bericht von Matthias Hoenig, dpa.Bereits die doppelte Autorenzeile "Joseph Ratzinger Benedikt XVI." zeigt, welche Gratwanderung der Autor unternimmt. Ratzinger kann nicht als ein x-beliebiger Theologe schreiben, die meisten Leser dürften erfahren wollen, was "der Papst" über Jesus zu sagen hat. Und dies ist eine Menge. Ratzinger, der vor seiner Vatikan-Karriere als renommierter Theologieprofessor wirkte, entfaltet ein Jesusbild, das die jüdischen Traditionen, das hellenistische Erbe, die abendländische Theologie- und Philosophiegeschichte und vor allem die Erkenntnisse der modernen Bibelwissenschaft (Exegese) einbezieht. Ratzinger schrieb aber auch im besten Sinne ein religiös-spirituelles Lesebuch - etwa wenn er die Gleichnisse vom verlorenen Sohn oder vom barmherzigen Samariter deutet und auf die Gegenwart bezieht. Die historisch-kritische ForschungRatzingers These: Seit den 1950er Jahren wurde vor allem durch die historisch-kritische Forschung die in der Bibel berichtete Gottessohnschaft Jesu in Frage gestellt und als erst im Nachhinein entwickeltes theologisches Konstrukt interpretiert. "Der Riss zwischen dem "historischen Jesus" und dem "Christus des Glaubens" wurde immer tiefer, beides brach zusehends auseinander", schreibt Benedikt XVI.. Die Gestalt Jesu habe immer mehr an Kontur verloren. Hinter den Traditionen der Evangelisten und ihrer Quellen sei ein immer gegensätzlicheres Bild von Jesus entstanden: "Vom antirömischen Revolutionär, der auf den Umsturz der bestehenden Mächte hinarbeitet und freilich scheitert, bis zum sanften Moralisten, der alles billigt und dabei unbegreiflicherweise selber unter die Räder kommt." Gottessohnschaft ist historisch nicht erfassbarDer Papst will deutlich machen, dass solche Jesus-Bilder lediglich "Fotografien" der jeweiligen Autoren waren, aber keine Freilegung des historischen Jesus der Bibel. Die Gefahr, die der Papst sieht: Es entstehe der Eindruck, dass wir wenig Sicheres über Jesus wüssten und der Glaube an seine Gottheit erst nachträglich sein Bild geformt habe. "Dieser Eindruck ist inzwischen weit ins allgemeine Bewusstsein der Christenheit gedrungen", warnt der Papst. Dies sei "dramatisch für den Glauben, weil sein eigentlicher Bezugspunkt unsicher wird." Seine Antwort ist klar: Die historisch-kritische Forschung könne den Glauben, dass Jesus als Mensch Gott war, nicht erfassen. Dabei lobt Ratzinger zwar die Ergebnisse der modernen Exegese, er bezweifelt nur deren Reichweite. Ein FarbfilmDie Grenzen der historisch-kritischen Bibelforschung macht der renommierte Neutestamentler Thomas Söding (Wuppertal) mit einem unter Theologen verbreiteten Bonmot deutlich: Wenn historisch- kritische Exegeten einen Jesus-Film machen müssten, käme dabei lediglich ein kleines Kurzfilmchen in schwarz-weiß heraus. Dagegen entwerfe Benedikt XVI. einen großen, farbigen Film in Stereo, sagte Söding der dpa. Auch wenn Benedikt sich ausdrücklich nicht gegen die historisch-kritische Exegese wende, sieht Söding die Gefahr, dass Benedikts persönliche Sicht auf Jesus dogmatisiert wird - also manche Methoden der Exegese es künftig schwieriger haben dürften im Vatikan. Gott und MenschFür den "normalen" Leser ist das Buch schwere, aber nahrhafte Kost. Benedikt versucht, wie schon in in seiner Regensburger Vorlesung, Glaube und Vernunft argumentativ zusammen zu führen. Hier hat er das zentrale Thema gewählt, das am Ende doch immer persönliche Glaubenssache bleiben wird - Gott wurde in Jesus Mensch und: Jeder Mensch kann sein wahre Existenz nur im Gottesglauben finden. Benedikt XVI. operiert gewissermaßen am offenen Herz des Christentums - angesichts des allgemeinen Glaubensverlustes eine ebenso riskante wie notwendige Operation.
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