Kommentar 06. 07. 2007

Papst gibt alte katholische Messe frei

Die Freigabe des alten römischen Mess-Ritus durch Papst Benedikt XVI. ist möglicherweise auch ein Zeichen an die Orthodoxie. Ein Kommentar von Petra Mihály/APA.

Lange war es erwartet worden, von den Einen mit Zittern, von den Anderen mit freudiger Erwartung. Jetzt ist es so weit: am Samstag wird in Rom das päpstliche Dokument (Motu proprio) mit dem Titel "Summorum Pontificum" vorgestellt, in dem Papst Benedikt XVI. den alten römischen Mess-Ritus nach den liturgischen Büchern von 1962 wieder freigeben will.

Zwei Mess-Formen

Im Kern ist die einzige Änderung gegenüber den bisherigen Vorschriften, dass nun überall die alte Messe gefeiert werden darf. Bisher war dies an die Erlaubnis ("Indult") der Ortsbischöfe gebunden - und diese handhabten diese Möglichkeit äußerst unterschiedlich, trotz der Aufforderung des verstorbenen Papstes Johannes Paul II., "großzügig" mit den Anhängern der Alten Messe zu sein. In Zukunft soll die römische Messe also zwei Formen haben - die "ordentliche" Form des 1969/70 eingeführten neuen Ritus ("Novus Ordo") und die "außerordentliche" Form des alten Messritus, der im Kern auf die römische Liturgie des ersten Jahrtausends zurückgeht.

Ein Alleingang des Papstes

Überraschend ist dabei, dass der Papst, der bis dato gegenüber den Bischöfen eher als kooperativ galt, einen derart umstrittenen Schritt offenbar im Alleingang - und noch dazu gegen den Protest der überwältigenden Mehrheit der katholischen Bischöfe - gesetzt hat. In jüngster Zeit hatten sich unter anderem die französischen, die deutschen und die englischen Bischöfe öffentlich gegen die geplante Freigabe ausgesprochen. Papst Benedikt hielt diese Maßnahme aber offenbar für so bedeutsam, dass er sich auch von den Protesten nicht davon abhalten ließ.

Der Papst und die "Traditionalisten"

Nur vordergründig scheint es hierbei darum zu gehen, einen Teil der Anhänger der traditionalistischen Priesterbruderschaft St. Pius X. (SSPX) des 1988 wegen unerlaubter Bischofsweihen exkommunizierten französischen Erzbischofs Marcel Lefebvre zurückzugewinnen. Benedikt XVI. scheint mit der Liberalisierung der Alten Messe vielmehr zwei weit bedeutendere Ziele zu verfolgen - ein innerkirchliches und ein ökumenisches.

"Reform der Reform"

In seinem noch als Kardinal geschriebenen Buch "Der Geist der Liturgie" befürwortete Joseph Ratzinger zwar nicht die vollständige Rückkehr zur "Alten Messe", stellte jedoch die Bedeutung der Liturgie als etwas Mystisches und auf Gott Ausgerichtetes heraus. Dementsprechend sprach er sich auch klar gegen liturgische Missbräuche wie etwa von Priestern "selbstgedichtete" Messtexte aus. Mit der Liberalisierung der Alten Messe scheint es Benedikt XVI. nun darum zu gehen, den alten Ritus sozusagen als "Prüfstein" für eine würdige Feier des "Novus Ordo" in der Kirche zu etablieren. Das von ihm kreierte Wort von der "Reform der Reform" (gemeint ist die Liturgiereform von 1970) sollte gerade dies bedeuten: eine Wiederentdeckung der Würde und Feierlichkeit der Liturgie, eine klarere Ausrichtung auf Gott. Eine breitere Bekanntheit des "mystischen" alten Ritus könnte da unter Umständen hilfreich sein, denkt sich der Papst offenbar.

Annäherung an die Orthodoxie

Noch bedeutender scheint aber das ökumenische Ziel von Benedikt XVI. mit diesem Schritt zu sein. Die Annäherung zur orthodoxen Kirche - mit der langfristigen Möglichkeit einer Wiedervereinigung von Ost-und Westkirche - ist dem jetzigen Papst seit jeher ein besonderes Anliegen. Doch gerade in der Orthodoxie hat die Liturgie eine noch viel größere Bedeutung für Theologie und Glaubensleben als im Westen. Die in der orthodoxen Kirche heute verwendeten Liturgien sind seit Mitte des ersten Jahrtausends praktisch unverändert geblieben. Auch daher war und ist die plötzliche Einführung des völlig neuen Messritus von 1970 in der Westkirche den Orthodoxen ein Dorn im Auge. Sie gilt vielen von ihnen als Beweis, dass die Westkirche die Liturgie nicht als etwas Heiliges, sondern als etwas Beliebiges betrachtet. Eine Liberalisierung des altehrwürdigen römischen Messritus könnte daher immerhin als Zeichen des guten Willens gegenüber den Orthodoxen gedeutet werden und die Bedeutung der Liturgie auch für die Westkirche wieder hervorheben.

 

 
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