News 10. 07. 2007

Evangelische Kirche kritisiert Vatikan-Dokument

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat die Abgrenzung der katholischen Kirche von den Protestanten scharf kritisiert. Solche Äußerungen seien mit Blick auf die Ökumene eine vertane Chance, so der EKD-Vorsitzende Wolfgang Huber. Verteidigt wurde das Vatikan-Dokument vom Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz.

Die Hoffnung auf eine Annäherung zwischen den Kirchen sei damit erneut in die Ferne gerückt, betonte der evangelische Bischof Wolfgang Huber am Dienstag in Hannover. "Die römischen "Antworten" jedoch lassen einen tieferen Sinn für die Relativität des eigenen Standpunkts vermissen; dadurch wirken sie ökumenisch brüskierend", sagte Huber. "Sie werfen erneut die Frage auf, worin nach römisch-katholischem Verständnis das Ziel ökumenischer Verständigung besteht."

Auch der katholischen Kirche "könnten Elemente fehlen"

Der Gedanke, "auch der römisch-katholischen Kirche könnten Elemente fehlen, die anderen Kirchen wichtig sind ­ zum Beispiel der Respekt vor der Urteilsfähigkeit der Gemeinden, der gleiche Zugang von Frauen zum geistlichen Amt oder die Einsicht in die Fehlbarkeit des kirchlichen Lehramts", erhalte keinen Raum. Dabei läge genau darin die Chance, unterschiedliche Sichtweisen miteinander ins Gespräch zu bringen. "Das kann freilich nur gelingen, wenn keine Seite von vornherein einen Anspruch darauf erhebt, der Wahrheit näher zu sein als die andere", betonte Huber.

"Pures Unverständnis"

Für den Catholica-Beauftragten der Vereinigten Evangelisch- Lutherischen Kirche Deutschlands, Landesbischof Friedrich Weber, verhindert der vatikanische Text einen konstruktiven Dialog und geht an der ökumenischen Realität vorbei. Die Antworten werden "in vielen katholischen Gemeinden auf pures Unverständnis stoßen, denn in den Gemeinden werden evangelische Gemeinden als echte Kirchen-Gemeinden wahrgenommen", sagte Weber. Ohnehin richte sich das Dokument vor allem an Personen in der katholischen Kirche, die sich auf dem Feld der Ökumene zu weit vorwagen. Es bleibe allerdings die Frage, warum dieses Signal jetzt und immer wieder gesendet wird und nicht eins, das weiter bringt.

Käßmann: "Ökumenisch fatal"

Die Bischöfin der Evangelischen Landeskirche von Hannover, Margot Käßmann, nannte das Vatikan-Dokument "ein Trauerspiel, das ökumenische Pflänzchen so austrocknen zu lassen". Ein solches Dokument sei zur jetzigen Zeit "ökumenisch fatal", kritisierte Käßmann. Nach evangelischem Selbstverständnis sei die evangelische Kirche sehr wohl Kirche. "Nach unserem Verständnis ist Kirche da, wo das Evangelium verkündet und die Sakramente evangeliumsmäßig verwaltet werden."

Moskauer Patriarchat lobt "ehrliche Erklärung" des Vatikan 

Die russisch-orthodoxe Kirche hat den vom Vatikan veröffentlichten Text zur Besonderheit der Katholischen Kirche im Grundsatz für seine eindeutige Position gelobt. "Das ist eine ehrliche Erklärung. Sie ist viel besser als die so genannte kirchliche Diplomatie", sagte der Leiter des Außenamtes des Moskauer Patriarchats, Metropolit Kirill, am Dienstag in Moskau. Das Dokument zeige "wie nah beziehungsweise wie fern wir einander sind." Das sei eine Grundvoraussetzung für einen "ehrlichen theologischen Dialog".

Lehmann: Kein Hindernis für Ökumene

Aus Sicht der katholischen Deutschen Bischofskonferenz ist das neue Dokument des Vatikans kein Hindernis für die Ökumene. "Die erneute katholische Stellungnahme der Glaubenskongregation mag besonders in ihrer Knappheit und Dichte hart erscheinen, aber sie lässt grundlegend Raum, die anderen Kirchen nicht nur moralisch, sondern theologisch als Kirchen zu achten", sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, am Dienstag in Bonn.

"Darf nicht zur Überheblichkeit führen"

"Es ist ein Dokument der Klarheit des eigenen Bekenntnisses und zugleich der Würdigung, ja auch einer - zwar begrenzten, aber wesentlichen - Anerkennung des ekklesialen Charakters der anderen christlichen Glaubensgemeinschaften", erklärte Lehmann. "Das ökumenische Gespräch lebt von beidem." Allerdings dürfe der eigene Anspruch nicht zur Überheblichkeit führen, "denn durch die Spaltungen ist auch die Fülle der katholischen Kirche eingeschränkt". Das neue Dokument sporne die Theologie an, ehrlich und mutig den Weg des Zweiten Vatikanischen Konzils weiterzugehen.

Koch: "Neuer Typ von Kirche"

Der Präsident der katholischen Schweizer Bischofskonferenz, Kurt Koch, hielt fest, dass die aus der Reformation hervorgegangenen kirchlichen Gemeinschaften "gerade in Ländern wie Deutschland und der Schweiz" auch von den Katholiken als "Kirchen" erfahren würden. Koch verweist in einem Begleitschreiben zum Dokument der Glaubenskongregation darauf, dass die reformatorischen kirchlichen Gemeinschaften als "Kirchen eines anderen Typs" oder ein "neuer Typ von Kirche" zu verstehen seien.

Theologe Hünermann: Nicht hilfreich

Kritischer reagierte der renommierte Tübinger Dogmatik-Professor Peter Hünermann auf das neue Vatikan-Dokument. In der deutschen Universitätstheologie gebe es nur wenige, "die das so sehen wie die Glaubenskongregation", sagte Hünermann in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. Das Papier belaste in unnötiger Weise das Verhältnis zu den Protestanten. "In der gegenwärtigen Situation halte ich das nicht für hilfreich; das kann den Grad des ökumenischen Dialogs um ein paar Grad weiter gefrieren lassen."

"Ein risikoreicher Weg"

Nach Ansicht Hünermanns bekräftigt der Vatikan mit dem Papier die umstrittene Erklärung "Dominus Iesus" aus dem Jahr 2000: "Inhaltlich geht das an keiner Stelle darüber hinaus." Die differenzierten Erklärungen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) über das Verhältnis zu den anderen christlichen Kirchen würden erneut unterlaufen, kritisierte Hünermann. Es werde so getan, als wenn es keinen Unterschied gebe zwischen der einen, wahren Kirche Jesu Christi und der konkreten römisch-katholischen Kirche. "Damit werden auch keine Brücken der Verständigung zu den Orthodoxen gebaut", sagte der Ehrenpräsident der Europäischen Gesellschaft für Katholische Theologie. Wenige Tage nach dem Papstschreiben zur Aufwertung der lateinischen Messe liege damit erneut ein Dokument aus Rom vor, "das einen risikoreichen Weg beschreitet".

Zulehner: Die Zukunft der Kirche wird in der Vielfalt liegen

Obwohl der Vatikan am Dienstag erneut konservative Kreise gestärkt hat, hält der Pastoraltheologe Paul Zulehner einen generellen Kurswechsel der katholischen Kirche heute für unmöglich. "Die Zukunft der katholischen Kirche kann nur in der Vielfalt der Milieus liegen", sagte der Professor der Universität Wien in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. Die Traditionalisten sind seiner Einschätzung nach "eine verschwindende Minderheit innerhalb der katholischen Kirche". Diese wolle der Papst jetzt aber offensichtlich mit seinen Initiativen unter seinem Dach halten. "Das traditionelle Milieu ist auch das des Papstes und diesem kommt er jetzt entgegen", erläuterte Zulehner.

"Die Offenheit muss unbedingt bleiben"

"Beide Kirchen, die protestantische und die katholische, sind außerordentlich pluralistisch geworden", betonte der Theologe weiter. Gerade Reformbewegungen wie "Wir sind Kirche" seien in den vergangenen Jahren eher gestärkt worden. Dagegen hätten sich die Konservativen in der Kirche seit den Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) zurückgesetzt gefühlt, meinte Zulehner. Dem Papst seien aber gerade diese Kreise besonders wichtig. "Die Offenheit des Katholizismus muss unbedingt erhalten bleiben", mahnte er. Darum würde er sich wünschen, dass der Papst Reform- oder Laienbewegungen in Zukunft genauso entgegenkommt, wie jetzt den Konservativen.

"Wir sind Kirche": Vatikan-Dokument schadet der Ökumene

Als "erneuten Schlag ins Gesicht der Ökumene" hat die Reformbewegung "Wir sind Kirche" in Deutschland das neue Vatikan-Dokument kritisiert. Das Schreiben sei ein Affront gegenüber den Protestanten, sagte Sprecher Christian Weisner am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur dpa in München. "Die römisch-katholische Kirche muss sich angesichts ihres theologisch sehr fragwürdigen Alleinvertretungsanspruchs fragen lassen, wie ernst es ihr überhaupt noch um die Ökumene und Dialogbereitschaft geht."

Kein guter Dienst an der Ökumene

Bei dem Dokument handle es sich um eine von der Glaubenskongregation veröffentlichte Präzisierung der Instruktion "Dominus Iesus" aus dem Jahr 2000, die bereits damals zu einem Sturm der Entrüstung geführt habe, sagte der Sprecher der katholischen Reformbewegung. "Die Unterscheidung Roms zwischen den guten Ostkirchen, die zwar endlich auch noch das römische Papsttum anerkennen müssen, und den bösen Kirchen der Reformation, denen Rom wegen mangelnder Sukzession und Sakramentalität erneut das Kirche-Sein abspricht, wird der Ökumene keinen guten Dienst erweisen."

Einfluss restaurativer Kräfte

Zusammen mit dem vor wenigen Tagen veröffentlichten apostolischen Schreiben ("Motu Proprio"), in dem die traditionelle lateinische Messe wieder zugelassen wurde, zeige dieses neue, vom Papst ausdrücklich gut geheißene Dokument, dass Benedikt XVI. immer mehr unter dem Einfluss von "Opus Dei" und anderer restaurativer Kräfte in der katholischen Kirche stehe. Benedikt führe jetzt seinen Kurs fort, den er schon als Präfekt der Glaubenskongregation eingeschlagen habe. Von der Barmherzigkeit, von der in seiner viel gelobten Antrittsenzyklika so viel die Rede war, sei leider nichts mehr zu spüren, kritisierte Weisner.

 

 

 

Hintergrund:

- Auszüge aus dem Vatikan-Dokument über das Kirchenverständnis

 

 

 

 

 

 

 

 
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