News 25. 09. 2007

Jesus ganz nackt: Umstrittenes Kruzifix in Innsbruck

Das von Rudi Wach zum Tirol-Gedenkjahr 1984 geschaffene Kruzifix war vergangenen Freitag auf Anweisung der Innsbrucker Bürgermeisterin Hilde Zach aufgestellt worden. Der Innsbrucker Diözesanbischof Manfred Scheuer hat sich skeptisch zur Aufstellung geäußert.

Die 4,5 Meter hohe Bronze-Skulptur hätte schon 1984 an dieser Stelle aufgerichtet werden sollen. Da Jesus ohne Lendenschurz ganz nackt dargestellt ist, kam es damals zu Debatten und Protesten. Schließlich nahm der damalige Bischof Reinhold Stecher von einer Segnung des Kruzifixes Abstand; der damalige Bürgermeister Romuald Niescher sagte daraufhin die Aufstellung ab.

Im Hof abgestellt

Das "Wach-Kreuz" stand seither im Hof des Innsbrucker Volkskunstmuseums. Doch jetzt kam es nach der Aufstellung des Kreuzes wieder zu Debatten. Bischof Scheuer erklärte dazu in einer Stellungnahme, der jetzige Schritt sei eine Entscheidung der Eigentümer - der Innsbrucker "Kreuzbruderschaft" - und der Stadt Innsbruck. Die Qualität des Kunstwerkes, die theologische Aussage und die Frage der Aufstellung auf der Innbrücke seien aber weiterhin zu diskutieren, hob Scheuer hervor.

Symbolik des "kosmischen" Christus

Das Kreuz stehe "in einer unaufdringlichen Weise im Stadtraum und in der Landschaft", hielt der Bischof fest. Die Darstellung sei von der Symbolik des "kosmischen" Christus geprägt, ausgedrückt durch "den Kreuzesstamm in der Form eines Lebensbaumes, die organisch florale Form des Querbalkens, den Nimbus oben und die Weltenscheibe zu Füßen". Die Körperlichkeit Christi werde schon im Lichte der Auferstehung gesehen, müsse also nicht "naturalistisch provozieren" - wie etwa bei Jesusdarstellungen von Alfred Hrdlicka. Auch werde bei Wach "die Männlichkeit Jesu angedeutet ohne erotischen Bezug". Die Kreuzesdarstellung von Wach habe aber auch ihre Schwächen, so der Bischof: Das Objekt könne "zu weich, zu glatt und designhaft, eigentlich zu schön wirken".

Keine Wundmale

Sein theologischer Haupteinwand sei, dass der Corpus des Wach-Kreuzes "nicht die Signatur des Leidens" trage, etwa die Wundmale: "Das wäre aber für den gekreuzigten und auferstandenen Jesus von Nazareth ganz entscheidend". Zudem fragte Bischof Scheuer, "ob überhaupt eine sehr große Notwendigkeit bestand, den an sich 'schönen' Kruzifixus, der einen würdigen ruhigen Ort im Museumsinnenhof im Gegenüber zum Hofkircheneingang gefunden hatte, auf der Innbrücke zu placieren, wo doch eine aufgeschaukelte Kontroverse allerhand Missbrauch provozieren kann". Ein Kreuz als öffentliches Zeichen müsse "hinreichend vom Glauben und vom Bewusstsein der Bevölkerung getragen" sein, unterstrich Scheuer: "Von wem wird da gebetet werden?"

"Dank für Verschonung beim Hochwasser"

Bürgermeisterin Zach rechtfertigte ihre jetzige Entscheidung damit, dass "viele Menschen mit ethischem und religiösem Empfinden die Aufstellung dieses Kreuzes als eine richtige Sache empfinden". Keinesfalls sollte das Kreuz eine Provokation darstellen, ganz im Gegenteil: "Jeder soll sich sein eigenes Bild davon machen. Ich bitte halt einfach darum, dieses wunderbare Kreuz mit ein wenig Toleranz zu betrachten". Die Aufstellung des Kreuzes sei auch eine Art Danksagung: "Wir haben Gottes Segen gehabt beim schweren Hochwasser vor zwei Jahren. Es ist jetzt, glaube ich, der richtige Augenblick, um mit der Aufstellung dieses Kreuzes Dank zu sagen für die Verschonung".

Bildhauer Rudi Wach

Der Bildhauer Rudi Wach, geboren 1934 in Hall in Tirol, lebt und arbeitet seit 1955 in Mailand. Künstlerisch geprägt wurde er von den Begegnungen mit Mario Marini an der Akademie Brera, mit Alberto Giacometti in Paris Ende der fünfziger Jahre und mit Fritz Wotruba in Wien. Wach unterzog das Kreuz vor dem jetzigen Transfer gemeinsam mit Metallgießern einer gründlichen Generalsanierung. Zu den früheren Debatten meinte er, man habe "einem Detail zu viel Aufmerksamkeit geschenkt und bei aller Aufgeregtheit das Werk selbst nicht mehr gesehen". Er habe sich die Aufgabe vor zwei Jahrzehnten nicht leicht gemacht: "Vier Jahre habe ich daran gearbeitet. Zuvor habe ich mir Kreuze von Barcelona bis Colmar angeschaut". Mit dem Ergebnis sei er nach wie vor zufrieden. An seinem jetzigen Ort auf der Brücke sei es besser in seiner ganzen formalem Gestaltung lesbar. Seit 1515 betreut eine Bruderschaft die Kreuze auf der Innbrücke.

"Kreuzbruderschaft"

Sie nennt sich "Kreuzbruderschaft" und vereinigt 33 Innsbrucker Geschäftsleute. 1984 machte sie sich nach dem Umbau der Brücke dafür stark, dort ein neues Kreuz aufzustellen. Die Bruderschaft trug 100.000 Schilling (7.200 Euro) bei. Weitere 100.000 Schilling stiftete das Land Tirol, den größten Teil trug mit 500.000 Schilling (35.000 Euro) die Stadt. Anlass war das Gedenken "175 Jahre Tiroler Freiheitskampf 1809".

 

 
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