News 11. 02. 2008

Türkisches Parlament hebt umstrittenes Kopftuchverbot auf

Das türkische Parlament hat das seit Jahren heftig umstrittene Kopftuchverbot an Hochschulen per Verfassungsänderung aufgehoben. In einer Schlussabstimmung votierten am Samstag in Ankara 411 der insgesamt 550 Abgeordneten für eine Initiative der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP, die zusammen mit der nationalistischen Oppositionspartei MHP die Änderungen der Verfassung vorgelegt hatte.

Die Abgeordneten in Ankara votierten am Samstag in der Nationalversammlung für Änderungen des Artikels 10 ("Gleichheit vor dem Gesetz") und des Artikels 42 ("Recht und Plicht zu Erziehung und Bildung"). Es war die zweite Runde der Stimmabgabe binnen zwei Tagen, wie es in der Türkei für die Änderung der Verfassung vorgeschrieben ist. Die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan kann nun Gesetze oder Verordnungen erlassen, mit denen junge Frauen, die das Kopftuch tragen, in der Türkei zum Studium zugelassen werden.

Ein Angriff auf den säkularen Staat?

In Ankara demonstrierten mehrere zehntausend Menschen gegen die Aufhebung des Kopftuchverbotes. Sie schwenkten türkische Fahnen und forderten, die Türkei müsse ein säkularer Staat bleiben. Der Vorsitzende der kemalistischen Oppositionspartei CHP, Deniz Baykal, sprach vom bisher schwersten Angriff auf die Verfassung der laizistischen Republik. Die CHP hat angekündigt, in dem Streit vor das Verfassungsgericht zu ziehen.

Mehrheit der Türken für Lockerung des Kopftuchverbotes

Das Tragen des Kopftuches gilt Kritikern als religiöses Symbol und wird deshalb von den Befürwortern einer Trennung von Staat und Religion abgelehnt. Sie fürchten ein Abgleiten der Türkei in den Islamismus und letztlich die Einführung des islamischen Rechts, der Scharia. Als Kompromiss hatte sich die Regierungspartei AKP mit der MHP darauf verständigt, Studentinnen nur Kopftücher zu erlauben, die das Gesicht frei lassen. Die Debatte um die Neuregelung spaltet seit Wochen das Land. Sie droht die Spannungen zwischen der religiös-konservativen Regierung und der von Armeegenerälen, Richtern und Universitätsrektoren gebildeten säkularen Elite zu verschärfen. Umfragen zufolge ist jedoch die Mehrheit der Türken für die Lockerung des Kopftuch-Verbots. Das zuvor nur für den Staatsdienst geltende Verbot war 1989 auf Universitäten ausgedehnt worden. Die Lockerung soll vor allem Frauen zugutekommen, die bislang auf ein Studium in der Türkei verzichtet haben, weil sie nicht gegen ihre religiöse Überzeugung verstoßen wollten, ihr Haupt zu bedecken. Professorinnen und Mitarbeiterinnen des öffentlichen Dienstes dürfen weiterhin kein Kopftuch tragen. Insgesamt tragen etwa zwei Drittel aller Türkinnen ein Kopftuch.

 

 

 

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- 07. 02. 2008: Türkisches Parlament votiert für Kopftuch-Freigabe an Universitäten

 

Webcast:

- Orientierung, 03. 02. 2008: Türkei: „Ja“ zum Kopftuch - zwischen Islamismus und Entscheidungsfreiheit  

- Orientierung, 03. 02. 2008: Verhüllte Körper: „Anmerkungen zum Schleier“

 

 

 
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