News 17. 03. 2008

Schönborn gegen Bauverbote für Moscheen

In der ORF-"Pressestunde" betonte Kardinal Christoph Schönborn am Sonntag die Bedeutung des christlich-islamischen Dialogs. Eine deutliche Absage erteilte Schönborn Forderungen nach einem Bauverbot für Moscheen. Verständnis zeigte der Wiener Erzbischof für die Entscheidung des Gerichts im "Terror-Prozess", die Angeklagte wegen ihres Vollschleiers von der Verhandlung auszuschließen. Im Zusammenhang mit den österreichischen "Sahara-Geiseln" bezeichnete Schönborn etwaige Zahlungen von Lösegeld als "grundsätzlich" moralisch vertretbar. Scharfe Kritik übte Schönborn neuerlich am Urteil des Obersten Gerichtshofes, der einem Elternpaar für eine falsch interpretierte Pränataldiagnose den gesamten Unterhalt für ihr behindert geborenes Kind zugesprochen hatte.

Kardinal Christoph Schönborn stuft im Zusammenhang mit den österreichischen "Sahara-Geiseln" etwaige Zahlungen von Lösegeld als "grundsätzlich" moralisch vertretbar ein. Allerdings sei die Frage, "ob es in einem großen Kontext verantwortbar ist", meinte der Wiener Erzbischof am Sonntag in der "Pressestunde", "weil sie Anreize für weitere Entführungen darstellen können." Als Beispiel nannte der Kardinal den Irak, wo Entführungen zu einem "Geschäft geworden sind". Prinzipiell gebe es für Menschenleben keinen Preis, so Schönborn, man müsse aber alles tun, um Menschenleben zu retten. Er bete seit Tagen für die beiden in Tunesien entführten österreichischen Touristen Wolfgang Ebner und Andrea Kloiber. "Und auch für die Entführer, dass sie zur Einsicht und Menschlichkeit kommen."

Schleier-Verbot vor Gericht – eine "legitime Forderung "

Verständnis zeigte Schönborn für die Entscheidung des Gerichts im Terror-Prozess, die Angeklagte wegen ihres Vollschleiers von der Verhandlung auszuschließen. Die Forderung an die vollverschleierte Frau, sie möge dem Gericht ihr Gesicht zeigen, sei "eine legitime Forderung unserer zivilen Ordnung" und müsse auch von Muslimen geachtet werden. Verurteilt wurde von Schönborn jedoch die Ausdrucksweise des Richters, der von einem "Fetzen" gesprochen hatte.

Zwei "missionarische Religionen"

Im interreligiösen Dialog mit dem Islam sei heute die Frage der Mission "die dringendste Frage", so Schönborn. Auch die Diskussion um den oft beschworenen "Clash of Civilizations" laufe letztlich auf diese Frage des Missionverständnisses hinaus. Die Frage dränge umso mehr, da sich Christentum und Islam beide als "missionarische Religionen" verstehen, so der Kardinal: "Wir müssen uns fragen, wie können zwei Religionen miteinander leben, von denen jede einen universalen Auftrag hat, wie können sie mit Menschen leben, die jeder Religion fernstehen". Der Missionsauftrag müsse an deutliche Kriterien wie den "Respekt vor der Religionsfreiheit und der Gewissensentscheidung des Einzelnen" sowie den "absoluten Gewaltverzicht" gebunden sein.

Gegen ein "Moschee-Verbot"

Auf die Frage, ob es den Muslimen in Österreich gestattet werden sollte, Moscheen mit Minaretten zu bauen, sagte der Kardinal, dass er sich in dieser Frage "ganz auf dem Boden der österreichischen Verfassung" sehe. Religionsfreiheit bedeute nicht nur Freiheit zur Religionsausübung im Privaten, sondern ebenso auch Freiheit zur öffentlichen Religionsausübung. Schönborn wörtlich: "Es ist daher nicht einzusehen, warum Muslime bei uns nicht im Rahmen der bestehenden und selbstverständlich auch für sie geltenden Bauordnungen Moscheen mit Minaretten bauen dürfen".

Schönborn wollte Winter-Aussagen keine zusätzlich Bedeutung geben

Im Zusammenhang mit der Diskussion um die islamfeindlichen Äußerungen der FPÖ-Kandidatin Susanne Winter im Grazer Kommunalwahlkampf stellte Kardinal Schönborn erklärte Schönborn, dass er es nicht für richtig halte, wenn der Vorsitzende der Bischofskonferenz die "inakzeptablen Bemerkungen einer Lokalpolitikerin" kommentiere und ihnen dadurch zusätzlich Bedeutung gebe. In Graz hätten sowohl Diözesanbischof Egon Kapellari als auch die Katholische Aktion deutlich Stellung bezogen, das müsse genügen.

"Mehr lernen" im Religionsunterricht

Aufhorchen ließ der Wiener Erzbischof in der "Pressestunde" mit der Forderung nach einer "stärkeren Inhaltlichkeit" im Religionsunterricht, wo es nicht nur Lebensorientierung gehen sollte. Die Absolventen sollten die Kernpunkte der Religion kennen, betonte Schönborn.

Kritik an Beratern von Arigona Zogaj

Nicht festlegen wollte sich der Kardinal in der Frage nach einem Bleiberecht für die Kosovarin Arigona Zogaj. Er kenne den Fall nicht gut genug, um ein Urteil geben zu können. Er kritisierte aber Arigonas Begleiter - ohne Pfarrer Josef Friedl namentlich zu nennen -, weil sie zu sehr die Öffentlichkeit gesucht hätten. Auch in anderen politischen Fragen blieb Schönborn vage. Er begrüßte Vorschläge zur Entlastung von Familien, ob das aber über das von der ÖVP geforderte Familiensteuersplitting oder ein Müttergehalt passiere, sei Sache der Politik. Das Inflationsproblem ist nach Ansicht Schönborns mit einer Einmalzahlung nicht zu lösen, den Armutsgefährdeten müsse "deutlich" geholfen werden.

OGH-Urteil – Warnung vor Verlust an Menschlichkeit

Neuerlich scharfe Kritik übte Schönborn am Urteil des Obersten Gerichtshofes, der einem Elternpaar für eine falsch interpretierte Pränataldiagnose den gesamten Unterhalt für ihr behindert geborenes Kind zugesprochen hatte. Ärzte würden nun beim "leisesten Verdacht" einer Behinderung des ungeborenen Kindes zur Abtreibung raten, sagte der Wiener Erzbischof. Die Folge für die Gesellschaft sei ein "unabsehbarer und tiefer Verlust an Menschlichkeit und Humanität". Im Umgang mit behinderten Menschen entstehe "ein großes Maß an Solidarität", erinnerte Kardinal Schönborn. Wenn man das Existenzrecht von Behinderten in Frage stelle, werde die Gesellschaft "kalt und inhuman", so Schönborn, der vor einer Gesellschaft warnte, in der das Leid "wegretouchiert" wird.

Verstoß gegen ein "elementares Menschenrecht"

Der Wiener Erzbischof verwies darauf, dass die Zahl der Geburten von Kindern mit Down-Syndrom um zwei Drittel gesunken ist. Bei einem Besuch im Caritas-Heim "Am Himmel" habe ihm der Heimleiter gesagt, dass er in Zukunft kaum noch solche behinderte Kinder zu Gesicht bekommen werde, weil sie vor der Geburt getötet werden. Man spreche diesen Kindern, die oft von großer Vitalität seien, "einfach das Lebensrecht ab", so der Kardinal, und verstoße damit gegen ein "elementares Menschenrecht".

Adoptionen erleichtern

Ausdrücklich mahnte Schönborn die bereits von Bruno Kreisky versprochenen und nach wie vor ausstehenden "flankierenden Maßnahmen" zur Fristenregelung ein. Neben einem Ausbau der Schwangerenberatung, der ärztlichen Verpflichtung zur Auskunft über weitere Hilfsangebote für Schwangere in Not und einem verpflichtenden Zeitabstand von mindestens drei Tagen zwischen Erstberatung und einem etwaigen Abtreibungstermin müsse auch die Einrichtung eines von der öffentlichen Hand finanzierten Hilfsfonds für Schwangere in Not als Maßnahme in Betracht gezogen werden. Kardinal Schönborn sprach sich auch für eine Erleichterung der Adoption aus. Für die In-vitro-Fertilisation würden "riesige Summen" ausgegeben, die Adoption sei aber in Österreich viel zu schwierig. Das Thema Abtreibung bleibe in Österreich nach wie vor ein "Tabuthema", betonte der Wiener Erzbischof. Es gehe ja auch um "etwas Tragisches", wenn ein Kind nicht leben darf. Zugleich betonte Kardinal Schönborn, dass er "niemanden verurteile", insbesondere keine verzweifelten Frauen.

 
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