News 21. 03. 2008 |
Die Diskussion um die KarfreitagsbitteDie neu formulierte Karfreitagsfürbitte für die alte lateinische Messe, die Papst Benedikt gerade wieder erlaubt hat, sorgt weltweit für eine Abkühlung im ohnehin sensiblen Verhältnis zwischen Juden und katholischer Kirche. Als "brüskierend und überheblich" kritisiert etwa die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, den Text der Fürbitte. Der deutsche Rabbiner Walter Homolka wirft der katholischen Kirche sogar vor, "ihre antisemitischen Tendenzen nicht im Griff" zu haben.Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, hat die Wiederzulassung einer früheren Karfreitagsfürbitte, in der Katholiken für die Erleuchtung der Juden beten, scharf kritisiert. "Die Karfreitagsfürbitte impliziert eine subtile Aufforderung zur Judenmission, die ich als brüskierend, überheblich und als deutlichen Rückschritt im christlich-jüdischen Dialog bezeichnen muss", erklärte Knobloch auf Anfrage am Donnerstag in München. "In welcher Zeit leben wir eigentlich?"Von einem "Rückschritt" spreche sie deshalb, "weil diese Fürbitte weit hinter die respektvolle Formulierung aus dem Jahre 1970 zurückfällt", so Knobloch. Papst Paul VI. habe damals eine Formulierung gewählt, die eine aufrichtige Wertschätzung des Judentums zum Ausdruck gebracht habe. "Heute wird stattdessen einer Geringschätzung der jüdischen Religion das Wort geredet, wie sie einer toleranten Theologie nicht angemessen und deshalb gefährlich ist", betonte Knobloch. "In welcher Zeit leben wir eigentlich, wenn die katholische Kirche heute wieder meint, um das Seelenheil des jüdischen Volkes besorgt sein zu müssen?" Rabbiner: Karfeitag ist ein "schwarzer Tag"Der deutscher Rabbiner Walter Homolka bezeichnete den Karfreitag in einem Interview mit "Spiegel Online" als "schwarzenTag in den Beziehungen von Juden und Katholiken." Die katholische Kirche, so Homolka, habe "ihre antisemitischen Tendenzen nicht im Griff". Papst Benedikt XVI. nehme die Verstärkung solcher Tendenzen mit der neu eingeführten Formulierung "zumindest in Kauf". Die "jüngere Schwester" vergreife sich "schwer im Ton", wenn sie für die Erleuchtung der Juden bete, so Homolka. Als Reaktion auf die Veröffentlichung der umstrittenen Karfreitagsfürbitte hatte Homolka bereits vor einigen Wochen seine Teilnahme am kommenden Katholikentag in Osnabrück im Mai abgesagt. Gebet für die Erleuchtung der JudenPapst Benedikt XVI. hatte den Text der "Karfreitagsfürbitte" im "alten Usus" geändert, nachdem er im vergangenen Jahr die traditionelle Messe in Latein weltweit wieder freigegeben hatte. Jüdische Gruppen kritisierten damals insbesondere die Textpassagen der lateinischen Liturgie, in denen die Gemeinden am Karfreitag für den Übertritt der Juden zum christlichen Glauben beten sollen. Wörtlich war im alten Text von einer "Verblendung jenes Volkes", das aus seiner "Finsternis entrissen" werden sollte, die Rede. Im neuen Text der Fürbitte im "alten Usus" heißt es nun: "Lasst uns auch beten für die Juden, auf dass Gott unser Herr ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus erkennen, den Retter aller Menschen". Gegen diese Formulierung war Widerstand von jüdischer, aber auch von christlicher Seite laut geworden. Maßgebliche Promotoren des christlich-jüdischen Dialogs sahen darin eine antijüdische Haltung im Geist einer noch älteren Formulierung der Karfreitagsbitte, die bis zum Pontifikat von Johannes XXIII. (1958-63) gültig war. Nach dieser Formel beteten die katholischen Gemeinden "für die treulosen (ungläubigen) Juden" (pro perfidis Judaeis). Italiens Rabbiner kündigten eine "Denkpause im Dialog" anDie Italienische Rabbinerversammlung kündigte nach Bekanntwerden des neuen Gebetstextes an, das Gespräch mit der katholischen Kirche auf Eis zu legen. Es sei eine "Denkpause im Dialog" nötig, erklärte der Rabbiner-Präsident Giuseppe Laras. Ohne eine Klärung sei es "absolut nutzlos", die Gespräche fortzuführen. Die Voraussetzungen für einen Dialog seien hinfällig, weil mit der erneuerten Fürbitte für Gottesdienste im "Alten Usus" das Ziel legitimiert werde, die Juden zum Katholizismus zu bekehren, hieß es in einer Stellungnahme der Rabbinerversammlung. "Potenziell gefährlicher Rückschritt"In seltener Eintracht von liberal bis orthodox sind auch die Rabbiner in Deutschland über den Vatikan-Wortlaut verärgert. Schlicht "reaktionär" nannte der Vorsitzende der eher liberalen Allgemeinen Rabbinerkonferenz, Henry G. Brandt, im Gespräch mit der dpa die vom Papst abgesegnete Formulierung. Dies sei mit Blick auf die lange Geschichte christlichen Judenhasses "ein sehr bedauernswerter und potenziell gefährlicher Rückschritt", meinte Brandt, der sonst als durchweg konziliant im Umgang mit Christen gilt. Allerdings dürfe dies nicht die Fortschritte der christlich- jüdischen Annäherung infrage stellen. Kölns Rabbiner Netanel Teitelbaum, der noch 2005 Papst Benedikt in seiner Synagoge mit Bruderkuss empfangen hatte, meinte als Sprecher der orthodoxen Rabbiner, er hoffe, die befürchtete Aufforderung zur Mission "falsch verstanden" zu haben. Positive Ansätze "düpiert"Düsseldorfs orthodoxem Gemeinde-Rabbiner Julian Chaim Soussan ("Ich möchte nicht bebetet werden.") fällt es schwer, nur an ein Missverständnis zu glauben, wie es in Kirchenkreisen heißt: Der neue Text hätte "so unmissverständlich sein müssen, dass man nichts Böses unterstellen kann". Die Fürbitte "düpiert die positiven Ansätze der Verständigung", warnte Soussan. Unbehagen auch in katholischer KircheAber auch Aachens Bischof Heinrich Mussinghoff, Stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, war am Rande des Düsseldorfer Treffens mit den Rabbinern anzusehen, dass ihm bei der rückschrittlichen Vatikan- Fürbitte alles andere als wohl ist. "Viele unserer Pfarrer werden sie missverstehen", fürchtet der katholische Würdenträger. Die Bischofskonferenz habe den Wortlaut von 1970 vorgeschlagen, bei der die Treue der Juden zum Bund mit Gott betont werde und damit die "Würde Israels" gewahrt bleibe, sagte er der Deutschen Presse-Agentur dpa: "Aber die Theologie des Papstes ist ein Stück anders." Er begreife zwar dessen theologischen Standpunkt, "aber in jüdischen Ohren klingt das anders", räumt der Bischof ein. Er selbst sei "unglücklich mit der Formulierung" und hoffe auf baldige klärende Gespräche mit Vertretern der Rabbiner in Deutschland. Verhalten des Vatikan "rücksichtslos"Auch der Theologieprofessor und katholische Vorsitzende des Gesprächskreises Juden und Christen, Hanspeter Heinz, nannte das Verhalten des Vatikan rücksichtslos. Er könne nur hoffen, dass der christlich-jüdische Dialog auf regionaler Ebene diese massive Störung überwindet, sagte Heinz der "Frankfurter Rundschau". Kardinal Kasper: Karfreitagsfürbitte nichts NeuesFür eine Versachlichung der Debatte um die neu formulierte Karfreitagsfürbitte in der römischen Liturgie nach "altem Usus" hat sich hingegen der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper ausgesprochen. Die neue Fürbitte für die Juden sagt nach seinen Worten "nichts Neues, sondern spricht nur aus, was schon bisher als selbstverständlich vorausgesetzt, aber offenbar nicht hinreichend thematisiert wurde", schreibt der katholische Kardinal in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Die Neuformulierung der Karfreitagsfürbitte für die Juden im 2007 wieder allgemein zugelassenen "außerordentlichen Ritus" nach dem Messbuch von 1962 sei gerade deshalb notwendig geworden, weil einige alte Formulierungen von jüdischer Seite als beleidigend und auch von vielen Katholiken als anstößig empfunden wurden, wies Kasper hin. Kardinal Cordes versteht Kritik nichtAuch der ebenfalls deutsche Kurienkardinal Paul J. Cordes verteidigte die von Papst Benedikt XVI. kürzlich umformulierte Karfreitagsfürbitte. In einem Interview für den "Deutschlandfunk" sagte Cordes am Donnerstag, wenn Christus gekommen sei, um den Menschen Heil zu bringen, dann dürfe man den Christen nicht vorwerfen, dass sie für eine Hinwendung der Juden zu Jesus Christus beten.
Audio-on-demand:- Ö1-Morgenjournal: Karfreitagsfürbitte sorgt für Unmut
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