News 10. 06. 2008

Wien: Neue Plattform für christlich-muslimische Paare gestartet

15.000 Ehen zwischen Christen und Muslimen in Österreich – Besondere Herausforderung stellt meist die Kindererziehung dar, aber auch die Frage einer kirchlichen Eheschließung

Den spezifischen kulturellen, rechtlichen und religiösen Problemen und Fragen christlich-muslimischer Paare will sich ab sofort eine neu gegründete Plattform in Wien annehmen. Auf Initiative des Wiener Pfarrers und Leiters der "Kontaktstelle für christlich-islamische Begegnung" in der Erzdiözese Wien, Martin Rupprecht, und Renate Shebaro vom Pastoralamt der Erzdiözese Wien kam es zu einer ersten Begegnung von fünf christlich-muslimischen Paaren in der Pfarre Christkönig-Neufünfhaus im 15. Wiener Gemeindebezirk.

Alltägliche Herausforderungen

Ziel der Begegnung sei ein Austausch über alltägliche Herausforderungen und Probleme in einer interreligiösen Ehe oder Partnerschaft, so Shebaro. Derzeit gibt es allein in Österreich bei insgesamt rund 36.000 Eheschließungen pro Jahr bereits rund 10.000 binational geschlossene Ehen, rund 8.000 davon mit Angehörigen von Nicht-EU-Staaten ("Drittstaatsangehörige"). Außerdem existieren laut Angaben des Vereins "Fibel" (Fraueninitiative bikulturelle Ehen und Lebensgemeinschaften) bereits rund 15.000 zwischen Christen und Muslimen geschlossene Ehen in Österreich.

Beratungs- und Austauschbedarf

Dies bedeute zugleich einen großen Beratungs- und Austauschbedarf, so Shebaro. Heirat, Kindererziehung und Widerstände Laut Pfarrer Martin Rupprecht gehören Anfragen zur Möglichkeit kirchlicher Heirat, die Frage der religiösen Kindererziehung sowie der Umgang mit Widerständen gegen eine interreligiöse Beziehung in der eigenen Familie oder auch im persönlichen Umfeld zu den häufigsten Fragen, mit denen er als zuständiger Pfarrer in Wien konfrontiert werde. Die wichtigste Grundhaltung, die in interreligiösen Partnerschaften gepflegt werden müsse, sei die ständige Kommunikation, so Rupprecht.

Kindererziehung

Oftmals würden für selbstverständlich erachtete Dinge und Grundhaltungen insbesondere bei Fragen der Kindererziehung plötzlich zu Problemen, wenn die religiösen Überzeugungen nicht klar in einer Partnerschaft zur Sprache gebracht werden. So berichtete etwa ein Paar bei dem Treffen davon, dass es erst durch die bewusste Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Partner und seiner Religion dazu gebracht wurde, über die eigene religiöse Identität nachzudenken. "Interreligiosität kann eine Belastung sein, aber durch intensive Kommunikation kann man lernen, diese einzigartige Konstellation als Reichtum zu begreifen", so Rupprecht.

Bischöfliche Dispens

Die meisten Anfragen gibt es laut Rupprecht jedoch zur Frage der Möglichkeit kirchlicher Heirat. Laut kirchlichem Gesetzbuch ("Codex Iuris Canonici"/CIC) wird Religionsverschiedenheit als "trennendes Ehehindernis" verstanden, von dem jedoch durch bischöfliche Erlaubnis dispensiert werden kann (Can. 1086). Auch heute muss daher zunächst eine solche "Dispens" beim Ortsbischof eingeholt werden. In einem anschließenden vorbereitenden Gespräch mit dem Pfarrer wird außerdem über die kirchenrechtliche Forderung nach der Kindererziehung im christlichen Glauben gesprochen, so Rupprecht. Der Trauungsgottesdienst wird dann in der Regel als Wortgottesdienst durchgeführt, die Ehe selbst hat formalrechtlich keinen sakramentalen Charakter.

Islamisches Umdenken

Nach islamischem Recht stellt eine Ehe einen Privatvertrag zwischen den Ehegatten dar. Zu einer gültigen Eheschließung ist daher nicht zwingend ein Imam erforderlich, dies kann auch im Rahmen einer familiären Feier geschehen, solange die Eheschließung von zwei Zeugen bestätigt wird. Das islamische Recht kennt im Blick auf die interreligiöse Eheschließung Einschränkungen. So kann nach islamischem Recht zwar ein Muslim eine nicht-muslimische Frau, etwa eine Christin, heiraten, umgekehrt ist eine Heirat zwischen einer muslimischen Frau und einem nicht-muslimischen Mann jedoch nicht vorgesehen. Begründet wird dies mit der Koppelung der Religionsangehörigkeit der Kinder an die Religionszugehörigkeit des Mannes. Laut Rupprecht gibt es jedoch in Europa vereinzelt Imame, die aufgrund der Gleichstellung von Mann und Frau in Erziehungsfragen auch den Vorbehalt bei den Eheschließungen überwunden haben.

 

Plattform in Österreich überfällig

Im internationalen Vergleich steht Österreich laut Rupprecht im Blick auf die öffentliche Wahrnehmung und den organisierten Austausch interreligiöser Ehen und Partnerschaften "schlecht da". So gebe es etwa in England bereits seit rund zehn Jahren eine solche Plattform und eine eigene Website, auf der Erfahrungsberichte und ein Katalog an Fragen und Antworten zu interreligiösen Beziehungen gesammelt werden. Eine stückweise Übersetzung dieser Berichte und Fragenkataloge werde nun auch in einer eigenen Rubrik auf der Website der Pfarre Fünfhaus zugänglich gemacht, so Rupprecht.

 

Link:

www.pfarre-nfh.at

 

 
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