News 19. 09. 2008 |
ksoe: "Für ein bedingungsloses Grundeinkommen gibt es gute theologische Gründe"Ein von Erwerbsarbeit unabhängiges Grundeinkommen würde nicht nur den sozialen Zusammenhalt stärken, es gibt dafür auch gute biblisch-theologische Gründe: Das betont der Direktor der Katholischen Sozialakademie (ksoe), Markus Schlagnitweit, anlässlich der noch bis zum 21. September dauernden "Woche des Grundeinkommens".Trotz mancher Vorbehalte gegen dieses Konzept - auch aus dem kirchlichen Bereich - engagiere sich die Sozialakademie für "behutsame Umsetzungsschritte" in Richtung eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE), so Schlagnitweit im Gespräch mit der Nachrichtenagentur "Kathpress". Aus Sicht der Sozialakademie entspräche ein bedingungsloses Grundeinkommen sowohl den Grundprinzipien der katholischen Soziallehre als auch dem christlichen Menschenbild. Für ein bedingungsloses GrundeinkommenIm Unterschied zu Caritas und Armutskonferenz, zu SPÖ und Grünen, die für eine "bedarfsorientierte Grund- bzw. Mindestsicherung" eintreten, plädiere die ksoe für das BGE als finanzielle Zuwendung in existenzsichernder Höhe, die jeder Person mit dauerndem Aufenthalt in Österreich ohne Rücksicht auf sonstige Einkommen, Arbeit oder Lebensweise als Rechtsanspruch zusteht. Auch eine Krankenversicherung solle inkludiert sein. Diese Form des Grundeinkommens werde "nicht von heute auf morgen 1:1 umzusetzen sein", gab sich Schlagnitweit realistisch: "Dennoch vertritt die ksoe dieses Konzept als eine politische Richtungsforderung". Es sei ein "sinnvolles und erstrebenswertes Ziel", erklärte Schlagnitweit. Kritikpunkte und EinwändeDie Hauptkritikpunkte an dieser umfassenden Reform der aktuellen Erwerbsarbeitsgesellschaft laut Schlagnitweit: Das BGE sei unfinanzierbar, wirtschafts- und leistungsfeindlich, sozialpädagogisch falsch, der Arbeits- bzw. Leistungsmoral abträglich und stehe im Widerspruch zur Soziallehre der Kirche, ja sogar zum christlichen Menschenbild überhaupt. Großteil der gesellschaftlich notwendigen Arbeit wird nicht bezahltDer ksoe-Direktor führte dagegen folgende Argumente ins Treffen: Nur ein "stark verengter Arbeitsbegriff" orientiere sich ausschließlich an Leistungen, die am Arbeitsmarkt "handelbar" sind und demnach bezahlt werden. Es dürfe nicht übersehen werden, dass laut Berechnungen von Volkswirtschaftern weltweit ca. 60 Prozent aller gesellschaftlich notwendigen bzw. sinnvollen Leistungen unbezahlt – und großteils von Frauen – erbracht werden: in Haushalten, in Form ehrenamtlichen Engagements etc. All das sei Arbeit, die für ein funktionierendes gesellschaftliches Zusammenleben unentbehrlich sei, sagte Schlagnitweit. Umgekehrt sei bezahlte Arbeit nicht automatisch gesellschaftlich wertvoll, verwies der Sozialexperte auf Tätigkeiten, die die Umwelt zerstören, soziale Ungerechtigkeiten vergrößern oder den arbeitenden Menschen selbst schwer schädigen. Grundeinkommen ermöglicht allen Menschen eine "gute Arbeit"Gegen manche Einwände, das Grundeinkommen widerspreche dem Subsidiaritätsprinzip der Soziallehre, weil es Menschen die Fähigkeit abspreche, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen, wandte Schlagnitweit ein: Die herrschende Marktökonomie schaffe keine ausreichenden Möglichkeiten für alle, einer sinnvollen Erwerbsarbeit nachzugehen. Angesichts dieses Versagens der Ökonomie wirke im Gegenteil das Grundeinkommen subsidiär: "Der einzelne Mensch gewinnt dadurch erst den Freiraum, einer Arbeit nachzugehen, welche die Anforderungen der Soziallehre für 'gute' Arbeit erfüllt, und zu der allein er sittlich verpflichtet werden kann." Gegen ein pessimistisches Menschenbild"Mit einem Grundeinkommen würde ja niemand mehr arbeiten wollen!", lautet ein weiteres Argument der Kritiker des Grundeinkommens. Schlagnitweit sieht dahinter ein "äußerst pessimistisches Menschenbild". Er äußerte die Überzeugung, dass jeder Mensch ein originäres, wenngleich mitunter "verschüttetes" Interesse daran hat, etwas Sinnvolles mit seinem Leben anzufangen. Die Gefahr des Missbrauchs sei "immer gegeben, wo es Freiheit gibt", räumte der ksoe-Direktor ein: "Soll diese deshalb aber möglichst klein gehalten werden durch gesetzlichen Druck bzw. die Androhung von Sanktionen?" Auch Erfahrungen aus der Pädagogik zeigten: Eine Erziehung, die sich auf Grenzen, Regeln und Sanktionen fixiere "und niemals in die Freiheit entlässt, generiert keinesfalls moralisch integre Menschen". Wer als Christ zu bedenken gebe, der Mensch sei für ein Grundeinkommen nicht reif und brauche Kontrollinstanzen und andere Druckmittel, um nicht asozial zu agieren, muss sich laut Schlagnitweit die Grundfrage gefallen lassen: "Wird mit diesem Argument nicht im selben Atemzug die gesamte biblische Botschaft, insbesondere die Botschaft der Bergpredigt, als politisch irrelevant und unrealistisch denunziert, gehört doch die bedingungslose Zusage der Liebe Gottes zum Kernbestand der biblischen, insbesondere der jesuanischen Botschaft?"
Link:- "Netzwerk Grundeinkommen"
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