News 06. 11. 2008

"Maschinengewehr Gottes" - Fernsehprediger Billy Graham wird 90

Jahrzehntelang galt der Fernsehprediger Billy Graham als einer der einflussreichsten Christen in den USA. Am Freitag wird der wegen seiner konservativen Ansichten auch umstrittene Baptistenpastor 90 Jahre alt. Ein Porträt von Nada Weigelt, dpa.

"Maschinengewehr Gottes" ist sein Spitzname, und Billy Graham findet das absolut nicht despektierlich, im Gegenteil: Der US-Evangelist und Fernsehprediger wollte immer ein Kämpfer sein, ein Seelenfänger. Allein mit seinen "Kreuzzügen" (crusades) erreichte der einstige Baptistenpfarrer mehr als 200 Millionen Zuhörer in aller Welt, unzählige Menschen fanden durch ihn zum Glauben. Auch wenn er mit seinen konservativen Moralvorstellungen Widerspruch hervorrief, galt er Jahrzehnte als "Papst" der amerikanischen Protestanten und der wohl prominenteste Massenprediger des 20. Jahrhunderts.

Abschied 2005

An diesem Freitag (7. November) wird Billy Graham 90 Jahre alt. Aber er hat seinen Kampf ausgekämpft. Seit Jahren ist er schwer krank. Er hat eine Gehirnoperation hinter sich und leidet an Prostatakrebs und Parkinson. Als er sich 2005 in einem dreitägigen Massenspektakel mit mehr als 230.000 Besuchern in New York von seinen Anhängern verabschiedete, sagte er: "Ich freue mich darauf, bald Gott ins Gesicht zu sehen." Sein Sohn Franklin, der das gewaltige Verkündungsimperium des Vaters im Jahr 2000 übernommen hat, sammelte zum Geburtstag über das Internet Glückwünsche von Bekehrten für den Jubilar. Sie sollten ihm "Zuspruch und Ermutigung" sein, schrieb er.

Gegen Liberalismus, Kommunismus und Werteverfall

Billy Grahams Wirkung beruht auf einer einfachen Botschaft: "Jesus liebt Dich. Lass ihn in Dein Leben und Dir sind Deine Sünden vergeben." Mit rhetorischer Brillanz, einfachen Worten und eingängigen Beispielen aus dem Alltag wandelt er diese Botschaft für alle Lebenslagen ab, verknüpft mit Appellen gegen Liberalismus, Kommunismus und den angeblich weit verbreiteten Werteverfall. In der Nachkriegszeit unterstützt er die Kommunistenjagd der McCarthy-Ära, später den Vietnam-Krieg. In den 80er Jahren verzichtet er zunehmend auf politische Stellungnahmen und beschränkt sich auf einen, wie ein Kritiker es nennt, "weichgezeichneten Fundamentalismus".

Berater mehrerer Präsidenten

Zum Eklat kommt es 2002, als ein vom damaligen US-Präsidenten Richard Nixon 1972 heimlich mitgeschnittenes Gespräch mit Graham veröffentlicht wird. Der Prediger, die große moralische Institution des Landes, spricht darin vom jüdischen "Würgegriff" auf die Medien, der gebrochen werden müsse. Graham entschuldigt sich später für die Aussagen, behauptet jedoch, er könne sich nicht an sie erinnern. Auch anderen Präsidenten wie Lyndon B. Johnson, Gerald Ford und George Bush senior diente der einflussreiche Pastor als Berater und Beichtvater. Dem jetzt scheidenden Bush junior soll er in den 1980er Jahren durch den Glauben aus seiner Alkoholsucht geholfen haben.

Ein Prediger, der die Massenmedien nützt

1918 als Sohn eines einfachen Bauern in North Carolina geboren, war Graham selbst mit 16 von einem reisenden Evangelisten zum Baptismus bekehrt worden. Nach einer Ausbildung zum Pfarrer beginnt er seine Arbeit als "Erweckungsprediger" und erregt schon mit einem seiner ersten "Kreuzzüge" 1949 Aufsehen: Eine zunächst nur für drei Wochen geplante Verkündungsveranstaltung in Los Angeles muss auf mehr als acht Wochen verlängert werden, weil das Zelt jeden Tag brechend voll ist. Nicht zuletzt mit Hilfe des konservativen Verlegers William Randolph Hearst geht es von da an steil bergauf. 1950 gründet der Massenprediger die "Billy Graham Evangelistic Association", die inzwischen ein Vermögen von mehr als 300 Millionen Dollar (235 Millionen Euro) hat. Mehr als 50 Jahre lang geht jeden Sonntag sein Radioprogramm "Stunde der Entscheidung" weltweit über 700 Sender. Daneben gibt es Fernsehsendungen, Filme, tägliche Zeitungskolumnen und vor allem die Evangelisationen rund um die Welt. Allein in Deutschland war Billy Graham fünf Mal, 1993 mit der Großveranstaltung "ProChrist", die per Satellit an mehr als tausend Veranstaltungsorte in Europa übertragen wurde.

Aushängeschild einer "eigenen amerikanischen Religion"

"Meine Lebensaufgabe war es, Menschen zu helfen, eine persönliche Beziehung zu Gott zu finden", sagte der Prediger einmal. Überzeugt hat er seine Anhänger auch durch persönliche Integrität - keine Affären, keine Skandale. Mehr als 60 Jahre lebte er mit seiner Frau Ruth zusammen, bis sie 2007 starb. Er hat drei Töchter, zwei Söhne, 19 Enkel und zahlreiche Urenkel. Das "Time"-Magazin nahm Graham in die Liste der 100 wichtigsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts auf. "Wenn es eine eigene amerikanische Religion gibt - und ich glaube, dass es so ist - dann bleibt Graham ihr wichtigstes Aushängeschild", schreibt der mächtige US-Kritiker Harold Bloom darin.

 

 

 
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