News 12. 02. 2009

Evolutionstheorie: das schwierige Verhältnis von Religionen und Naturwissenschaft

Die Evolutionstheorie ist für viele Menschen, nicht nur für Christen, noch immer höchst kontrovers. Eine Analyse von Ursula Baatz.

Die vormoderne Weltsicht, dass die Welt einer unsichtbar vorgegebenen Ordnung folgt, die „vor aller Zeit“ festgelegt wurde,  hat etwas Beruhigendes.  Ein Weltbild, in dem nicht „alles seinen Sinn und seinen Platz“ hat, verunsichert.  Sämtliche Weltentstehungsmythen erzählen über einen Übergang vom Chaos zur Ordnung; wobei diese Ordnung nicht nur die Natur, sondern auch die Gesellschaft regelt.  Deswegen geben Schöpfungsmythen auch immer Auskunft über Herrschaftsverhältnisse und deren Veränderung. Ein gutes Beispiel sind die mesopotamischen Schöpfungsmythen, an denen man den Übergang zur patriarchalen Gesellschaft ablesen kann.

Die Schöpfungsgeschichte  - ein Mythos

Die Entdeckung Darwins von der „Entstehung der Arten“ hat einen ähnlichen Übergang zur Folge gehabt. Bis ins 19. Jahrhundert nahm man in Europa an, dass die Tier- und Pflanzenarten seit Beginn der Schöpfung vor etwa 6000 Jahren konstant geblieben seien.  Diese Annahme erwiesen sich durch Darwins Entdeckung ebenso wie durch die Entdeckungen des Geologen Lyell über die Erdgeschichte als unhaltbar.  Zugleich wurde damit aber auch deutlich, dass die biblische Schöpfungsgeschichte  ein Mythos ist – eine Feststellung, die zur selben Zeit auch von den historisch-kritisch arbeitenden protestantischen Theologen getroffen wurde. Denn der Vergleich zwischen mesopotamischen und biblischen Erzählungen machte deutlich, wie sehr die Bibel ein Ergebnis der orientalischen Kultur ist.

Damit war aber auch die Grundannahme, dass die Welt auf dem vernünftigen Plan Gottes basiere, erschüttert.  Die Vorstellung, dass es so etwas wie eine natürliche Ordnung gibt, der die Menschen entsprechen sollen oder müssen, war damit relativiert. 

Teilhard de Chardin

Der geniale Versuch des Paläontologen und Jesuiten Teilhard de Chardin, der eine poetische Verbindung zwischen der Evolutionslehre und dem Schöpfungsglauben kreiierte, wurde im Vatikan zunächst abgelehnt; eine Zeitlang, unmittelbar nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, war Teilhards poetische Theologie sehr populär, doch in den letzten Jahrzehnten verlor ihn die Theologie wieder aus dem Gedächtnis.

„Intelligent Design“

Stattdessen wurde nun die Debatte um einen vernünftigen Plan der Welt wieder aufgenommen, und zwischen Rom, Wien und New York unter der Überschrift „Intelligent Design“ die Frage der Vereinbarkeit theologischer Glaubenssätze und naturwissenschaftlichen Denkens neu aufgerollt.  Da der Naturwissenschaft in der modernen Gesellschaft die Deutungshoheit zukommt, ist es für Religionen ein Desiderat, damit konform zu gehen. Versuche, eine Parallele zwischen naturwissenschaftlicher Kosmologie und religiösen Weltbildern herzustellen, finden sich nicht nur im Christentum, sondern auch bei Hindus und im Buddhismus. 

Suche nach einem einheitlichen Weltbild

Dazu kommt das Bedürfnis der meisten Menschen, in einer Welt zu leben, in der „alles seinen Platz“ hat. Wer nicht religiös ist, sucht sich sein einheitliches Weltbild zum Beispiel bei dem US-Autor Ken Wilber, dessen Amalgam aus Evolutionstheorie, Psychotherapie und Versatzstücken asiatischer Religionen sich beim gebildeten Publikum großer Beliebtheit erfreut.

Ob Darwin damit einverstanden wäre, sei dahin gestellt.

 

Eine Analyse von Ursula Baatz

 

 

 

Mehr zum Thema:

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- 12. 02. 2009: 200 Jahre Darwin: Zwischen Schöpfung und Evolution

 

Webcast:

- kreuz und quer, 10. 02. 2009: Darwins Theorie - Zwischen Wissenschaft und Ideologie

- Orientierung, 08. 02. 2009: Charles Darwin – ein „Weltbildzerstörer“ und sein „anderes Vermächtnis“

 

 
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