News 06. 03. 2009

Brasilien: Kritik an Exkommunikation nach Abtreibung  bei Neunjähriger

In Brasilien sorgt die Haltung des Erzbischofs von Recife, Jose Cardoso Sobrinho, zur Abtreibung bei einer Neunjährigen für öffentliche Aufregung. Nachdem Ärzte eine Zwillingsschwangerschaft bei dem Mädchen abgebrochen hatten, bezeichnete der Erzbischof von Olinda und Recife alle daran Beteiligten außer dem Mädchen selbst als exkommuniziert. Gesundheitsminister Jose Gomes Temporao nannte die Äußerungen Cardoso Sobrinhos "bedauernswert".

Das neunjährige Mädchen war von ihrem Stiefvater laut dessen Geständnis missbraucht und geschwängert worden. Nach Angaben der Ärzte der Universitätsklinik befand sich das Kind durch die Zwillings-Schwangerschaft in Lebensgefahr. Der ärztliche Direktor der Geburtsabteilung, Sergio Cabral, verwies darauf, dass die Abtreibung durch das brasilianische Gesetz gerechtfertigt sei: Demnach ist der Eingriff nach einer Vergewaltigung oder bei Todesgefahr für die Mutter möglich. Beides habe bei der Neunjährigen zugetroffen, die nur 1,33 Meter groß ist und 36 Kilo wiegt und daher "Trägerin einer Risiko-Schwangerschaft" war.

Erzbischof: Verstoß gegen die "Gesetze Gottes"

Erzbischof Cardoso Sobrinho hatte die am Mittwoch vollzogene Abtreibung am selben Tag als schweren Verstoß gegen die "Gesetze Gottes" bezeichnet. Abtreibung sei ein Verbrechen, und "Gottes Gesetz" stehe über den Gesetzen der Menschen, so der Erzbischof. Mit dem vollzogenen Schwangerschaftsabbruch hätten sich die beteiligten Ärzte sowie die Mutter der Neunjährigen aus der Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen, erklärte Cardoso Sobrinho.

Automatische Exkommunikation?

Cardoso Sobrinho sagte am Donnerstagabend dem katholischen Medienportal "Cancao Nova" mit Verweis auf das Kirchenrecht, wer eine Abtreibung vornehme, ziehe sich automatisch die Exkommunikation zu. Er selbst habe "niemanden exkommuniziert". Cardoso Sobrinho bezog sich damit auf Kanon 1398 des kirchlichen Gesetzbuchs. Allerdings gibt es laut "Kathpress" in der katholischen Kirche auch Stellungnahmen zu Abtreibungen in Grenzsituationen. Nach dem deutschen Katholischen Erwachsenen-Katechismus ist "die sorgfältige Gewissensentscheidung des Arztes" gefordert und zu achten, wenn das Leben einer Schwangeren oder des ungeborenen Kindes gefährdet ist.

Minister: "Kriminalisierung des Opfers"

Scharfe Kritik an den Aussagen von Erzbischof Cardoso Sobrinho übte der brasilianische Umweltminister Carlos Minc. Das Mädchen sei wegen der Vergewaltigung bereits schwer traumatisiert. Die Kirche habe die Sache noch verschlimmert, anstatt zu helfen: "Das ist eine Kriminalisierung des Opfers", so Minister Minc. Auch Gesundheitsminister Jose Gomes Temporao reagierte empört: Er sei schockiert über das, was dem Mädchen geschehen sei und geschockt über die Position des Erzbischofs, sagte er.

Öffentliche Kritik 

Auch im brasilianischen Fernsehen gab es heftige Kritik an der Kirche. Moderatoren des größten Senders "TV Globo" stellten die prompte Reaktion auf die Abtreibung bei der Neunjährigen der zögerlichen Haltung im Hinblick auf eine erneute Exkommunikation des Holocaust-Leugners Richard Williamson gegenüber. Nach Ansicht des Theologieprofessors Joao Batistiole ist die Haltung von Erzbischof Cardoso Sobrinho "hart und schwer zu verstehen". Die Kirche verliere damit "ein wenig von ihrer Glaubwürdigkeit bei den Gläubigen", so der Theologe.

 

 

 
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