News 06. 04. 2009

Historikerin: Templer beteten das Turiner Grabtuch an

Die mittelalterlichen Tempelritter haben nach Angaben der Historikerin und Vatikan-Archivarin Barbara Frale das heute in Turin aufbewahrte "Grabtuch" unter großer Geheimhaltung geschützt und angebetet.

Die Inquisitoren hatten beim Prozess, der 1314 zur Auflösung des machtvollen Ordens führte, festgestellt, dass die Tempelritter ein Bildnis eines Bärtigen anbeteten. Dabei soll es sich laut Frale um das Tuch, das angeblich den Leichnam Christi umhüllt haben soll, gehandelt haben. Dessen Spuren hatten sich nach seiner Auffindung während der Plünderung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer 1204 bis zu seiner Wiederauffindung etwa 150 Jahre lang verloren. In dieser Zeit soll es im Besitz der Templer gewesen sein. Als einen Beleg zitierte Frale, die die Prozessdokumente aus dem Geheimarchiv des Vatikan auswertete, die Zeugenaussage eines jungen französischen Adeligen, Arnaut Sabbatier. Dieser berichtete, dass er bei seinem Eintritt in den Orden eine Prüfung ablegen musste, in deren Verlauf ihm ein Tuch mit der Abdruck eines Mannes gezeigt wurde, dem er dreimal die Füße küssen musste.

Forscherin: Templer wollten die Leiblichkeit Christi beweisen

Die These, dass es sich bei dem mysteriösen Bärtigen-Bild der Templer um das Grabtuch (Sindone) handelte, hatte bereits 1978 der Oxford-Historiker Ian Wilson vertreten. Frale konnte nach eigenen Angaben dessen Thesen untermauern und auch ein Motiv nennen. Mit dem Grabtuch wollten die Tempelritter die Leiblichkeit Christi beweisen, die von den Katharern und anderen "ketzerischen" Gemeinschaften in Abrede gestellt wurde.

Die Tempelritter

Um den Orden der Templer ("Arme Ritterschaft Christi vom Salomonischen Tempel") ranken sich bis heute unzählige Geschichten, oft diente er Romanen und Hollywood-Filmen als Inspiration. Der Templerorden war 1118 durch Hugo von Payens, Gottfried von St. Omer und sieben weiteren Rittern aus Frankreich gegründet worden, um die Straßen des Heiligen Landes für die christlichen Reisenden zu sichern und die Heiligen Stätten zu verteidigen. Ihre Zentrale lag zunächst in einem Flügel der eroberten Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg, der auf den Grundmauern des Tempels des Königs Salomo errichtet worden sein soll, woher der Name des Ordens rührt.

Vom Papst verboten

Mit der Zeit wurden die Tempelritter zum mächtigsten und reichsten Orden der christlichen Welt. Das Ende des Ordens kam 1307, als der französische König Philipp IV. die reichen Templer ins Visier nahm, ihre Häuser durchsuchen ließ und ihr Vermögen beschlagnahmte. Der Vorwurf lautete auf Ketzerei. Nach dem Einschalten der Inquisition verbot Papst Clemens V. den Orden im Jahr 1314. Unzählige Mitglieder des Ordens kamen auf dem Scheiterhaufen, im Kerker oder unter der Folter zu Tode. Als letzter Großmeister der Templer wurde im März 1314 Jacques de Molay in Paris verbrannt. Einer Legende zufolge soll er auf dem Weg zum Scheiterhaufen sowohl den König als auch den Papst mit einem Fluch belegt haben. Beide starben innerhalb eines Jahres.

Papst erteilte den Templern die Absolution 

Laut einem im Jahr 2007 veröffentlichten Buch Barbara Frales handelte Papst Clemens bei der Auflösung des Ordens allerdings wider besseres Wissen und nur unter dem Druck von König Philipp. Nach Ansicht der Historikerin hat Papst Clemens die Tempelritter schon 1314 vom Vorwurf der Ketzerei freigesprochen und um Verzeihung gebeten. Frales Buch "Processus contra Templarios" basiert auf dem "Chinon-Pergament", benannt nach dem französischen Ort Chinon. Das Dokument war lange verschollen, weil es laut Frale falsch archiviert war. Erst 2001 entdeckte die Vatikan-Archivarin das Pergament. Es enthält die Protokolle der Anhörungen der Tempelritter vor Papst Clemens. Philipp IV. hatte seine Anklagen vor allem darauf gestützt, dass die Tempelritter bei seltsamen Ritualen angeblich das Kreuz bespuckten und Christus verleugneten. Jedoch konnten die Templer bei der Befragung den Papst davon überzeugen, dass ihre suspekt wirkenden Riten nicht blasphemisch und sie keine Ketzer waren. Dem "Pergament von Chinon" zufolge hatte Clemens V. damals die Buße der Tempelritter akzeptiert und ihnen deshalb die Absolution erteilt.

Das Turiner Grabtuch – verehrt und umstritten

Das Turiner Grabtuch wird seit 1578 im Dom von Turin aufbewahrt. Es enthält deutliche Spuren der Folterungen und der Kreuzigung eines Mannes. Dass es den Leichnam Jesu eingehüllt haben könnte, ist nur eine Vermutung und ein Radiokarbontest vor 20 Jahren ergab sogar, dass das 1,10 Meter breite und 4,36 Meter lange Leinentuch erst im Mittelalter entstanden ist. Doch es ist weiterhin nicht nur Gegenstand religiöser Verehrung, sondern auch von wissenschaftlichem Interesse. Manche Aspekte sind bis heute ungeklärt.

Historikerin stellt Ergebnis des Radiokarbontests in Frage

Die in Rom in mehreren Sprachen erscheinende Zeitschrift "30 Tage in Kirche und Welt" widmet dem Grabtuch einen neuen, 16 Seiten umfassenden Beitrag über den Stand der Erkenntnisse. Er enthält ein Gespräch mit der Professorin für Geschichte des Mittelalters an der Universität Florenz Anna Benvenuti, die sich darin "wütend" über unqualifizierte Beurteilungen des Tuchs äußert. Zum Radiokarbontest verweist sie auf eine ägyptische Mumie im Museum von Manchester, bei der die Radiokarbon-Datierung große Diskrepanzen zwischen dem Körper des Toten und den ihm umhüllenden Stoffbinden ergab. Erst als man diese durch Enzymbehandlung gereinigt hatte, stimmten die Ergebnisse überein. Beim Turiner Tuch stellt sich die Frage, ob der untersuchte Stoffteil alle Voraussetzungen einer sicheren Datierung erfüllte. Bakterien- und Pilzbefall können Spuren hinterlassen haben, die das Ergebnis von 1988 beeinflussten. Nach manchen Indizien hat das Tuch einen langen Weg hinter sich - von Jerusalem über Edessa (jetzt Urfa, Türkei), Konstantinopel und Frankreich nach Italien.

Römische Kreuzigungstechnik war im Mittelalter unbekannt

Zu der Auffassung, es sei eine mittelalterliche "Fälschung" macht Anna Benvenuti darauf aufmerksam, dass auf dem Tuch manches zu sehen ist, wovon man damals keine Kenntnis hatte. Zum Beispiel von der römischen Kreuzigungstechnik. Alle mittelalterlichen Kreuzigungsbilder zeigen durch die Handflächen getriebene Nägel - nicht, wie das Tuch, durch die Handgelenke. Ein dem Körper mehr Halt gebender Nagel zwischen die Handwurzelknochen verletzt den Mittelhandnerv und bewirkt so, dass sich die Daumen zurückbiegen. Tatsächlich sind auf dem Tuch die Daumen nicht zu sehen.

 

 

 

 
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