News 24. 04. 2009

Kasper: "Antisemitismus hat keinen Platz in der Kirche"

"Antisemitismus hat keinen Platz in der katholischen Kirche" und "Ökumene ist keine Option, sondern eine heilige Pflicht". Das betonte Kardinal Walter Kasper, Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, am Donnerstagnachmittag bei einem Pressegespräch in Wien.

Kasper räumte starke Irritationen rund um die Aufhebung der Exkommunikation der vier lefebvrianischen Bischöfe - vor allem im Hinblick auf den Holocaust-Leugner Richard Williamson - ein. Ähnliches gelte für die Neuformulierung der Karfreitagsfürbitte für Liturgiefeiern nach dem "alten Usus" von 1962. Diese Krisen hätten zugleich hätten aber auch gezeigt, dass das grundsätzliche Verhältnis zwischen Kirche und Judentum sehr stabil und gut sei. Die Beziehung zwischen der katholischen Kirche und dem Judentum habe einen anderen Charakter als jene zu anderen Religionen, unterstrich Kasper: "Die Juden sind unsere älteren Brüder; Juden und Christen sind Teil des einen Bundesvolkes Gottes". Daher sei auch die "Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum" beim Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen angesiedelt.

Im Vatikan sind Fehler passiert

Kasper gestand zwei große Versäumnisse ein. Zum einen hätten die für die Beobachtung der "Piusbruderschaft" zuständigen vatikanischen Stellen nicht ausreichend Informationen über Bischof Williamson eingeholt und zum zweiten hätte man von vornherein deutlich vermitteln müssen, dass mit der Aufhebung der Exkommunikation nicht automatisch eine "Rehabilitierung" der Lefebvrianer und "Pius-Brüder" verbunden ist.

Zweifel an Versöhnungsbereitschaft der Piusbruderschaft

Mit der Aufhebung der Exkommunikation habe Benedikt XVI. schlicht eine "psychologische Hemmschwelle" beseitigen wollen, um den Dialog mit den Lefebvrianern in Gang zu bringen, betonte Kasper. Ohne Anerkennung des Zweiten Vatikanischen Konzils, des nachkonziliaren Lehramtes der Päpste und des "Katechismus der Katholischen Kirche" könne es aber keine Gemeinschaft mit der "Piusbruderschaft" geben, stellte der Kardinal klar. Das Gespräch mit den "Piusbrüdern" werde jetzt gerade vorbereitet. Am Erfolg der Versöhnungsgespräche mit der Piusbruderschaft zweifelt Kasper allerdings. "Das wird schwierig", so Kasper wörtlich. Er habe seine Zweifel, ob die Traditionalisten die Bedingungen Roms akzeptieren werden. Gleichwohl müsse man den Dialog aufnehmen. Wenn man die Einheit der Kirche wolle, müsse man mit allen kirchlichen Gemeinschaften sprechen, betonte der römische "Ökumenekardinal".

"Lefebvrianer gehören nicht zu uns"

Den zentralen Knackpunkt im Dialog mit den Lefebvrianern sah der Kardinal im Verständnis der Tradion. Während die "Piusbruderschaft" von einem starren Traditionsbegriff ausgehe, sei jener der katholischen Kirche "dynamisch" und "lebendig" und entwickle sich weiter. Derzeit müsse man vom Standpunkt der katholischen Kirchen klar feststellen: "Die Lefebvrianer gehören nicht zu uns".

Vatikan will Schisma verhindern

Trotz der schlechten Erfolgsaussichten verteidigte Kasper den Dialog mit den Traditionalisten und zog diesbezüglich einen Vergleich zur Reformation. Es bestehe zwar nicht die Gefahr, "dass die ganze katholische Kirche in Richtung der Lefebvrerianer geht". Doch im 16. Jahrhundert habe die Kirchenspaltung mit der Exkommunikation von Martin Luther begonnen. Deswegen müsse man den Dialog mit den Lefebvrerianern jetzt führen, bevor sie weitere Bischöfe ernennen und sich das Schisma "perpetuiert".

Israelreise des Papstes

Kasper ortete sowohl von katholischer als auch jüdischer Seite den festen Willen zur Zusammenarbeit. Das werde sicherlich auch die kommende Israelreise von Papst Benedikt XVI. verdeutlichen. Der Kardinal bekräftigte die vatikanische Position für eine Zwei-Staaten-Lösung; Israelis wie Palästinenser hätten das Recht auf einen eigenen Staat. Der Papst werde eine Botschaft der Versöhnung und des Friedens ins Heilige Land bringen.

Keine organisierte Judenmission

Auf das Thema Judenmission angesprochen sagte der Kardinal, dass es in der katholischen Kirche keine organisierte Judenmission gebe und man auch keinen Vergleich mit der "Heidenmission" ziehen könne. Schließlich hätten die Juden den selben Gott wie die Christen. Das schließe aber nicht aus, dass Christen Zeugnis geben von ihrem Glauben, wie sie das auch von den Juden erwarten.

Ökumene passiert an der Basis

Zur allgemeinen Situation der Ökumene hielt Kasper fest, dass vieles vorangehe, wenn auch nicht mehr mit soviel Enthusiasmus wie nach dem Konzil. Er habe den Eindruck, dass vor allem an der Basis "sehr viel mehr passiert, als man meinen möchte".

"Inniges" Verhältnis zu Protestanten

Als "sehr innig" beschrieb Kasper das Verhältnis der katholischen Kirche mit der evangelischen Kirche. So werde derzeit etwa über eine Art "Ökumenischen Kathechismus" (Glaubenslehre) debattiert und an der Basis funktioniere die Zusammenarbeit viel besser als es oft den Anschein habe. Als er kürzlich eine Übersicht des Dialogs mit den Lutheranern in den vergangenen 50 Jahren redigierte, "war ich selber überrascht, wie viel wir erreicht haben". Als Bub wäre er nie in eine evangelische Kirche gegangen, weil das damals als Sünde angesehen worden sei, sagte der 76-Jährige. "Heute gehe ich rein und feiere Wortgottesdienst mit evangelischen Bischöfen."

Kasper für gemeinsamen Ostertermin aller Christen

Was das Verhältnis zur Orthodoxie betrifft, plädierte Kasper eindringlich dafür, endlich zu einem gemeinsamen Ostertemin zu finden. "Im Osten machen wir uns mit den zwei Osterterminen lächerlich vor den Muslimen und auch im Westen, wo viele orthodoxe Christen leben, gibt es Schwierigkeiten". Positiv wies Kasper auf das gute Verhältnis zwischen Papst Benedikt XVI. und Patriarch Bartholomaios I. hin. Ganz im Sinne der geeinten Christenheit des ersten Jahrtausends würden sich Papst und Patriarch wieder gegenseitig besuchen und sie pflegten auch einen offiziellen Briefkontakt. Damit seien zwei prägnante Formen altkirchlicher Gemeinschaft wieder aufgenommen worden.

Verbessertes Verhältnis zu Moskau

Fortschritte sieht Kasper auch im Verhältnis zur russisch-orthodoxen Kirche. Der Tiefpunkt der Beziehungen nach der Einrichtung von vier katholischen Diözesen auf russischem Gebiet sei längst überwunden. Den Vorwurf von Seiten der russisch-orthodoxen Kirche, dass die katholische Kirche Proselytismus (Abwerbung von Gläubigen) betreibe, könne er nicht nachvollziehen, so Kasper. Das sei eindeutig nicht Strategie der Kirche, wobei er allerdings nicht ausschließen könne, dass einzelne Geistliche in dieser Richtung tätig sind. Um derartige Probleme zu lösen, habe man aber eine gemeinsame katholisch-orthodoxe Kommission eingerichtet, die solche Fälle an Ort und Stelle regeln soll und auch schon erste Erfolge aufweisen kann. Er könne auch nicht nachvollziehen, warum die "unierten" (mit dem Papst in Kirchengemeinschaft stehenden) Ostkirchen ein so großes Problem für die Orthodoxie darstellen, betonte der römische Kurienkardinal. Diese Kirchen, die unter dem Kommunismus stark gelitten haben, hätten ein Recht auf Existenz. Kasper zeigte sich aber optimistisch, dass es bald zu einem Treffen zwischen Papst Benedikt XVI. und dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. kommen werde. Schon der im vergangenen Dezember verstorbene Patriarch Aleksij II. habe ihm im persönlichen Gespräch versichert, dass "alle Straßen in diese Richtung gehen".

Vortrag an der Uni Wien

Kardinal Kasper hielt sich in Wien auf, um auf Einladung von "Pro Oriente" an der Universität Wien einen Vortrag über den "Dialog zwischen Ost und West" zu halten.

 

 

 

TV-Tipp:

- Orientierung, 26. 04. 2009, 12.30 Uhr: „Ökumene ist eine Pflicht“ - Kardinal Walter Kasper im Interview

 

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