News 12. 05. 2009

Mariazell: Jesuiten bedauern antisemitische Äußerungen P. Abels

In Mariazell wird künftig eine Zusatztafel beim Denkmal für den Jesuitenpater Heinrich Abel (1843-1926) angebracht sein. Auf der Zusatztafel wird das Bedauern über die antisemitischen Äußerungen Abels ausgesprochen.

Der Tafeltext ist identisch mit dem einer anderen Zusatztafel, die im Dezember 2008 bei einem Abel-Denkmal in der Wiener Agustinerkirche angebracht wurde. Der Text lautet: "Der Einsatz von P. Heinrich Abel SJ für die Menschen hat seine Zeitgenossen dazu bewogen, ihm dieses Denkmal zu errichten. Seine Äußerungen über die Juden aber waren oft verständnislos, abwertend oder verachtend. Das Zweite Vatikanische Konzil hat erklärt: 'Im Bewusstsein des Erbes, das sie mit den Juden gemeinsam hat, beklagt die Kirche ... alle Hassausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu irgendeiner Zeit und von irgendjemandem gegen die Juden gerichtet haben'. Wir bedauern P. Abels antijüdische Äußerungen und bitten Gott und die Juden um Vergebung. Für die Gegenwart und die Zukunft ist es uns wichtig, eine aufrichtige und respektvolle Beziehung mit dem Volk des Ersten Bundes zu pflegen. Österreichische Provinz der Gesellschaft Jesu, Mai 2009". Die Zusatztafel beim Mariazeller Pater Abel-Denkmal wird am 28. Mai vom Provinzial der österreichischen Jesuiten, P. Gernot Wisser SJ, enthüllt.

Der "Männerapostel von Wien"

Heinrich Abel wurde am 15. Dezember 1843 in Passau als Sohn eines bayrischen Oberzollinspektors geboren. Er besuchte das Gymnasium in Passau und ging dann nach Innsbruck, um als Mitglied des theologischen Konvikts "Canisianum" Philosophie und Theologie an der Tiroler Universität zu studieren. 1863 trat er in die Gesellschaft Jesu ein. Auf das Noviziat und Juniorat in St. Andrä folgte ein Studium der Philosophie in Pressburg und der Theologie in Innsbruck, wo er 1874 zum Priester geweiht wurde. Bis 1890 wirkte Abel hauptsächlich als Professor für Geschichte am Gymnasium in Kalksburg. Im Oktober 1890 kam es zur Gründung der Kaufleutekongregation zu St. Augustin, deren Präses P. Abel wurde. Von da an verlagerte sich sein Wirken hin zur Männerseelsorge in Wien, wobei seine Predigten bald großen Anklang fanden. Er gründete schnell weitere Kongregationen und begann 1893 mit den Männerwallfahrten nach Mariazell. Auf Grund seiner regen Tätigkeit, seiner volkstümlichen Sprache und seiner Erfolge galt er als "Männerapostel von Wien". P. Abel starb am 23. November 1926 in Wien.

Antisemitische Predigten

In seinen Predigten - in Wien wie in Mariazell - zeigte P. Abel oft offenen Antisemitismus. Während des Predigtzyklus "Christus und sein Volk", gehalten in der Wiener Augustinerkirche, beschuldigte P. Abel die Juden, "im Bunde mit den Freimaurern" schuld an den "trostlosen Zuständen" in Ungarn, Frankreich, Italien und Österreich zu sein. Aus einem Brief des Privatgelehrten Arthur Kaufmann an den Schriftsteller Arthur Schnitzler geht hervor, dass P. Abel im Juli 1918 bei der Männerwallfahrt den Juden die Schuld an den wirtschaftlichen Schwierigkeiten infolge des Weltkriegs gab. Auch würden die Juden Verleumdungen gegen das Kaiserpaar in die Welt setzen. P. Abel forderte, die Juden "auszurotten", weil sie, im Gegensatz zu den anderen Nationen der Monarchie, ihrer "Pflicht im Kriege" nicht nachkämen.

Antisemitismus war im Klerus weitverbreitet

P. Abel war keine Ausnahme für seine Zeit. In Kirche und Gesellschaft war zu Beginn des 20. Jahrhunderts Antisemitismus weit verbreitet. So beschloss der Mariazeller Gemeinderat etwa im Dezember 1919, dass sich Juden nicht länger als drei Tage während der Wallfahrtszeit in Mariazell aufhalten dürften. Forschungen des Historikes Heiko Heinisch vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte haben ergeben, dass im Pfarrklerus der Antisemitismus fest verankert war. Bei einer breit angelegten Untersuchung von insgesamt 1.750 Ausgaben von 25 Wiener Pfarrblättern fand er nur vier Pfarrblätter, die keine antisemitischen Inhalte aufwiesen. Heinisch: "Wo in den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts christlich draufstand, war mit hoher Wahrscheinlichkeit Antisemitismus drinnen".

 

 

Webcast:

- Orientierung, 02. 09. 2007: In Mariazell verehrt? - Pater Heinrich Abel – Seelsorger und Antisemit

- papstbesuch 07: Pater Abel - Priester und Antisemit

 

 

 

 

 

 
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