News 28. 05. 2009 |
Libanesische Christen in Schiedsrichterrolle bei ParlamentswahlEine Schiedsrichterrolle wird bei den bevorstehenden Parlamentswahlen im Libanon den christlichen Bevölkerungsteilen zufallen, die nach Schätzungen nur noch etwas mehr als 35 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen und in den beiden großen politischen Lagern vertreten sind. (Von Rana Moussaoui/AFP)Gut eine Woche vor dem Urnengang am 7. Juni sind sich sämtliche Beobachter in Beirut einig, dass die Entscheidung sehr knapp ausfallen dürfte und die Ergebnisse in den Christen-Hochburgen wie Zahle den Ausschlag geben werden. VerbündeteWährend die Mehrheit der christlichen Fraktionen zum prowestlichen und antisyrischen Lager unter Führung des "Blocks der Zukunft" von Saad Hariri, dem Sohn des 2005 ermordeten Ex-Ministerpräsidenten Rafik Hariri, gehören, ist die "Freie Patriotische Bewegung" (CPL) des populären christlichen Ex-Armeechefs General Michel Aoun mit den Schiiten-Parteien Hisbollah und Amal und kleineren Linksgruppierungen verbündet. Im Mittelpunkt"Es ist ganz klar, die Christen stehen im Mittelpunkt des Wahlkampfs", konstatiert der dem Hariri-Block nahe stehende Parlamentskandidat Okab Sakr in seinem Wahlkreis Zahle. Obwohl sie nur etwas mehr als ein Drittel der Einwohnerzahl des Levante-Staates repräsentieren, stellen die Christen die Hälfte der Parlamentsabgeordneten - 64 von insgesamt 128. Keine eigenständige Kraft"Das christliche Votum wird letztlich das künftige Kräfteverhältnis bestimmen", meint der Politologe Melhem Chaoul von der Libanesischen Universität in Beirut. Er schränkt allerdings ein: "Rein technisch gesehen sind sie sicher die Schiedsrichter. Das bedeutet aber nicht, dass sie eine eigenständige politische Kraft darstellen, die die verhängnisvolle politische Kluft zu überwinden imstande wäre. Sie ergreifen nicht die Initiative, einige schlagen sich auf die Seite der Schiiten, andere gehen mit den Sunniten." Ihre einstige Position als "Elite im Zentrum", die effektiv über die politische Macht verfügt, hätten sie mittlerweile verloren. Auf einigen Wahlplakaten in Zahlé kann man lesen: "Wir wollen keinen Maroniten, der von den Schiiten oder von den Sunniten abhängt. Wir wollen einen echten Maroniten: Ja zu einer christlichen Rolle!" Maroniten und MuslimeInsgesamt 18 anerkannte Religionsgemeinschaften gibt es im Libanon, von denen die Schiiten, die Sunniten und die christlichen Maroniten die größten sind. Nach dem institutionalisierten Religionsproporz ist der Staatspräsident maronitischer Christ, der Regierungschef sunnitischer und der Parlamentsvorsitzende schiitischer Muslim. Derzeit amtiert in Beirut ein Allparteienkabinett unter Ministerpräsident Fouad Siniora, in dem die frühere Opposition unter Führung der Hisbollah über eine Sperrminorität verfügt. Angst vor Krieg"Wenn die Hisbollah die Wahl gewinnt, dann wird es wieder (wie im Sommer 2006) zum Krieg an der Südfront (israelische Grenze) kommen und Syrien wird seine Herrschaft im Libanon wiederherstellen", warnt der 56-jährige christliche Lehrer Elie Hallak. Die Hisbollah habe bereits viel zu viel Macht und tue, was immer sie wolle. Tamar Apkarian, eine armenische Aoun-Anhängerin, beurteilt die Situation ganz anders: "So lange unser Land keine Sicherheitsgarantien hat, brauchen wir die Hisbollah mit ihren Waffen, um uns zu verteidigen."
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