News 1. 07. 2009

Hoffnungssignale für Christen in der Türkei

Zum Abschluss des Paulus-Jahres sehen die Christen in der Türkei neue Hoffnungssignale. Nach Medien-berichten erwägt der Kulturminister des Landes, Ertugrul Günay, die Schließung des orthodoxen Priesterseminars und der angeschlossenen Theologischen Hochschule auf der Insel Chalki (Heybeliada) im Marmarameer wieder aufzuheben. Von Burkhard Jürgens und „Kathpress“.

Sollten das orthodoxe Priesterseminar und die Theologische Hochschule wieder geöffnet werden, dann wäre das eine dramatische Wendung. Das berichtet „Kathpress“.

Zankapfel seit 1971

Seit 1971 ist die einzige "überlebende" Ausbildungsstätte für griechisch-orthodoxe Geistliche in der Türkei ein Zankapfel zwischen Kirche und Regierung; die Europäische Union hat das Thema Chalki auf die Tagesordnung der Beitrittsverhandlungen mit Ankara gesetzt. Die Bedeutung von Chalki reicht weit über die Türkei hinaus. Die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begründete Theologische Hochschule war bis 1971 eine der wichtigsten theologischen Forschungsstätten der Weltorthodoxie.

Hoffnungssignal

Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I., selbst Chalki-Absolvent, verlor öffentlich kein Wort über Seminar und Hochschule, als er am Sonntagabend in Antakya (Antiochien) das Patronatsfest zu Ehren der Apostel Petrus und Paulus eröffnete. Doch für viele Gläubige war die Nachricht das Gesprächsthema auf dem Kirchenplatz. Vielleicht, sagten einige, stimmt es doch, was sie hoffen: Dass der türkische Staat es ernst meint mit der Religionsfreiheit.

Ursprungsstätte des Christentums

Das Paulus-Jahr brachte zahlreiche christliche Pilger in das Land, das neben dem Heiligen Land Ursprungsstätte des Christentums ist: Viele Teile des Neuen Testaments wurden auf dem Boden der heutigen Türkei geschrieben. Paulus und seine Mitstreiter trugen von Tarsus, Ephesus und Antiochien aus den neuen Glauben in die Welt. Die ersten sieben Ökumenischen Konzilien, bei denen der christliche Glaube definiert wurde, fanden alle auf heute türkischem Boden statt. Von den Gedenkfeiern zur Geburt des Völkerapostels vor 2.000 Jahren profitierten die örtlichen Christen nicht zuletzt durch die gestiegene Aufmerksamkeit und mehr Rückhalt bei ihren Glaubensgeschwistern in aller Welt.

Ungewisse politische Zukunft

Es gibt unterschiedliche Einschätzungen, wie es weitergeht. Mit der Wirtschaftsentwicklung der Türkei steht es - trotz der guten Ergebnisse der letzten Jahre vor der Wirtschaftskrise - nicht zum besten; ein EU-Beitritt scheint eher fern. Vor diesem Hintergrund erstarkt ein Nationalismus, der auch mit islamistischen Zügen verquickt ist.

Schmelztiegel der Kulturen

Mag sein, dass Antakya ein Sonderfall ist. Das Gebiet, der einstige Sandschak von Alexandrette, war bis 1939 französisches Mandatsterritorium. Daher leben in Antakya - nahe der Grenze zum ebenfalls multireligiösen Syrien - in spätosmanischer Weise Muslime, Juden und Christen einträchtig zusammen. Die katholische Gemeinde hat nach eigenem Bekunden keine Schwierigkeiten, Immobilien zu erwerben und sie offiziell für kirchliche Zwecke zu nutzen. Schon als Petrus und Paulus hier wirkten, war Antiochien ein Schmelztiegel der Kulturen. Einheimische nennen die Stadt bis heute eine "Oase des Friedens".

Zweifel an Zugeständnissen

Kirchenmitarbeiter andernorts bewerten die Dinge anders. Ein italienischer Ordensmann spricht von den "neuen Märtyrern" - dem katholischen Priester Andrea Santoro, der 2006 in Trabzon (Trapezunt) erschossen wurde, und den drei evangelikalen Missionaren, die 2007 in Malatya (Melitene) ermordet wurden. Die Angst unter Christen nehme zu. Auch einzelne Zugeständnisse während des Paulus-Jahres, etwa die Möglichkeit, in der Kirche von Tarsus Gottesdienste zu feiern, dürften nach seiner Einschätzung wieder eingezogen werden. "La festa e finita", betonte er: "Die Party ist vorbei".

Brennpunkt Tarsus

Gerade Tarsus, der Geburtsort des Paulus, wurde zum Brennpunkt in der Auseinandersetzung um die Glaubensfreiheit der Christen. Die deutschen Bischöfe, allen voran Kardinal Joachim Meisner aus Köln, setzten sich während des Gedenkjahrs energisch für die Wiedergewinnung eines offiziellen christlichen Gotteshauses in der kilikischen Stadt ein.

Von brüderlicher Eintracht weit enfernt

Traurig stimmt die Tatsache, dass die heutige Situation immer noch weit entfernt von der "Normalität" der spätosmanischen Zeit vor 1914 ist, als es selbstverständlich war, dass der Außenminister des Sultans und die Botschafter in den wichtigsten Hauptstädten Christen waren. Das Bild brüderlicher Eintracht des orthodoxen Metropoliten, des armenischen Erzbischofs und des islamischen Mufti von Kayseri aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, das im Phanar-Palast in Konstantinopel hängt, erscheint heute als weit entfernte Erinnerung.

 

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