News 09. 10. 2009

Phanar sieht "Veränderung" im Gesprächsklima in der Türkei

Im Phanar in Istanbul, dem Sitz des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I., des höchsten Würdenträgers der orthodoxen Christenheit, verspürt man eine Liberalisierung des politischen Gesprächsklimas der Türkei. "In den letzten Jahren ist eine Veränderung spürbar", erklärte Patriarchatssprecher Dositheos Anagnostopoulos im Gespräch mit österreichischen Journalisten. Freilich, "einen Dialog mit Ankara gibt es nicht", dämpfte er Hoffnungen, dass sich dies auch in einer Verbesserung der Lage der Kirchen niedergeschlagen habe. Metropolit Michael Staikos aus Wien stellte nüchtern fest, von einer EU-Annäherung der Türkei "haben wir bisher nichts gemerkt". Ein Bericht von Hermine Schreiberhuber/ APA.

Der Sprecher des Patriarchats vertrat die Auffassung, die offenen Fragen "können nicht nur durch Dialog, sondern müssen durch die Einrichtung einer Expertengruppe gelöst werden". Er erinnerte daran, dass die theologische Akademie mit dem Priesterseminar auf der Prinzeninsel Chalki (Heybeli) im Marmarameer, deren Wiederöffnung auch die EU vehement fordert, nun schon seit 38 Jahren vom türkischen Staat geschlossen ist. Die heutigen türkischen Beamten wüssten über das Funktionieren der berühmten Ausbildungsstätte vor 1971 nicht Bescheid. Dazu komme, dass "die türkische Gesetzeslage heute eine ganz andere ist als damals". Das orthodoxe theologische Seminar wurde Mitte des 19. Jahrhunderts unter den Osmanen gegründet.

"Wir existieren nicht"

er Wiener griechisch-orthodoxe Metropolit und Exarch des Ökumenischen Patriarchats für Mitteleuropa, Erzbischof Staikos, der sich in seiner Funktion als Mitglied der Heiligen Synode im Phanar aufhielt, fasste den Zustand der christlichen Minderheit in der Türkei in klare Worte: "In der osmanischen Zeit war alles geregelt." Heute gebe es hingegen keine Regelung: "Wir existieren nicht." Dementsprechend gebe es auch "keine Beziehungen zur Diyanet", der staatlichen türkischen Religionsbehörde. Man könne von einem Demokratisierungsprozess in der Türkei sprechen, nicht aber von einer Liberalisierung, was die Lage der Kirchen betrifft. Die Hauptprobleme sind die Nicht-Anerkennung der christlichen Kirchen durch den türkischen Staat, die anhaltende Schließung der Theologischen Fakultät auf Chalki, der fehlende Status kirchlicher Besitztümer und die gesetzlichen Einschränkungen für die Patriarchen-Wahl. Der Phanar habe bisher 19 Schreiben an die türkische Regierung gerichtet - "zwei Briefe übergab Patriarch Bartholomaios persönlich an den Staatspräsidenten" -, die allesamt unbeantwortet blieben, so Anagnostopoulos.

Patriarchat darf nicht zum "Spielball" werden

Metropolit Staikos beklagte, angesprochen auf die Zypern-Frage, dass "das Ökumenische Patriarchat immer für den Konflikt Griechenland-Türkei bezahlt hat". Die Wurzeln dafür lägen bereits in dem 1923 mit den Siegermächten des Ersten Weltkriegs geschlossenen Vertrag von Lausanne, in dem die Republik Türkei das Verhältnis zu einigen Religionsgemeinschaften regelte. "Das Patriarchat darf nicht zum Spielball zwischen den beiden Staaten gemacht werden", mahnte Staikos.

Ausgezeichnetes Verhältnis zu Moskau

Ausdrücklich lobte MetropolitStaikos  die Verbesserung der Beziehungen zwischen dem Phanar und der Russisch-Orthodoxen Kirche. Seit der Wahl des neuen Moskauer Patriarchen Kyrill, der im Juli seinen Antrittsbesuch im Phanar absolvierte, "ist das Verhältnis ausgezeichnet". Staikos sprach vom "Eintritt in eine neue Epoche" zwischen dem Ökumenischen Patriarchat und der russischen Orthodoxie. Zugleich unterstrich er, dem  Ökumenischen Patriarchen obliege die Aufgabe eines Koordinators, doch er sei "kein Papst. Wir wollen auch keinen Papst."

 

 

 

 

 
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