News 16. 11. 2009 |
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Ruth Lapide: Papst ernsthaft um gutes Verhältnis zu Juden bemühtNach Ansicht der deutschen jüdischen Theologin Ruth Lapide ist die "gute Nachbarschaft" zwischen Juden und katholischen Christen in Deutschland und anderen großen europäischen Ländern nach den Schwierigkeiten zu Jahresbeginn wieder intakt. Die Aufregung rund um die Aufhebung der Exkommunikation der lefebvrianischen Bischöfe inklusive des Holocaustleugners Richard Williamson habe sich gelegt. Jüdischerseits überwiege die Sicht, dass Papst Benedikt XVI. ernsthaft um ein gutes Verhältnis bemüht sei, so Lapide am Montag in Wien.Auch wenn es sicher andere große und wichtige Probleme für die Kirche gibt, bleibe das Verhältnis zum Judentum und der Dialog zwischen Christentum und Judentum eine besonders wichtige Aufgabe: "Denn es gibt auf der Welt keine zwei anderen Religionen, die so nahe verwandt sind, indem nämlich der Gründer der neuen Religion ein frommer Anhänger der alten war", so Lapide laut "Kathpress" im Gespräch mit Journalisten. Jüdisch-katholische Beziehungen "besser als je zuvor"Lapide erinnerte daran, dass Benedikt XVI. in seiner Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation "das Programm Johannes Pauls II. für den Dialog mit den Juden entscheidend mitentworfen" habe. Sie sei überzeugt davon, so die Theologin, dass auch die umstrittene Karfreitagsfürbitte Benedikts XVI. für die seit 2007 zugelassene vorkonziliare Liturgie "mit Judenmission nichts zu tun hat". Im Übrigen seien die Beziehungen des Judentums zur katholischen Kirche heute sogar "besser als je zuvor". "Kirchen haben zugeschaut, was die Nazis getan haben""Judenmission gibt es sowieso, sie kommt aber weniger von der katholischen Kirche, sondern vor allem von den evangelikalen Gemeinschaften", betonte die Theologin. Für die Juden sei dies ein Vorhaben, dass Angst hervorrufe: "Ich bitte Sie, sich in unsere Lage hineinzuversetzen. Stellen Sie sich vor, der Islam wäre die stärkste Religion, und er würde beginnen, Ihre Kinder zu missionieren. Wie würden Sie reagieren?" Die Abwerbung der Juden - teilweise auch mit Gewalt - habe zudem eine lange und blutige Geschichte. "Ich möchte das aber nicht auf die Päpste schieben", sagte Lapide. Die Geschichte werde jedoch zu wenig aufgearbeitet; katholischerseits würden Auseinandersetzungen oft vorschnell mit dem Hinweis auf das Konzilsdokument "Nostra Aetate" abgetan. Die nationalsozialistische Judenverfolgung habe eine Vorgeschichte gehabt, an der die Kirchen beteiligt gewesen seien; "und die Kirchen haben leider zugeschaut bei dem, was die Nazis getan haben". Kritik an "Juden für Jesus"-BewegungInakzeptabel ist nach Meinung Lapides auch eine kirchliche Befürwortung des "Messianischen Judentums" - also der "'Juden für Jesus'-Bewegung". Dies sei nichts anderes als "eine Filiale des Christentums". Für Juden gebe es eine "klare Grenzlinie" zum Christentum. Diese Grenze sei die Anerkennung der Gottessohnschaft Jesu im griechischen Verständnis, die Anerkennung der Zwei-Naturen-Lehre (Jesus Christus ist Gott und Mensch) sowie die Anerkennung der Trinität. Jeder Jude, der diese Grenze überschreitet, müsse mit Ablehnung durch seine Gemeinde rechnen, wenn auch nicht mit Sanktionen. Ruth LapideRuth Lapide, 1929 in Burghaslach bei Bamberg (Bayern) geboren, entstammt einer jüdischen Familie, die seit dem 12. Jahrhundert in Deutschland nachweisbar ist. Sie floh mit ihrer Familie vor dem Nationalsozialismus nach Palästina, wo sie an der Hebräischen Universität Jerusalem Linguistik, Geschichte und Judaistik studierte. In den 1970er-Jahren kehrte sie mit ihrem Ehemann, dem 1997 verstorbenen jüdischen Theologen Pinchas Lapide (der aus Wien stammte), nach Deutschland zurück. Lapide setzt sich für eine genaue Bibelauslegung ein und hebt die tiefen jüdischen Wurzeln des Christentums hervor. Sie ist immer wieder auch in Wien zu Gast.
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