News 30. 11. 2009

Experte: In Österreich "kann man keine Lex Minarette machen"

In Österreich ist ein Minarett-Verbot wie in der Schweiz laut Experten rechtlich nicht möglich. In Österreich "kann man keine Lex Minarette machen", zeigt sich Hannes Kirschner, der Leiter der Stabstelle bei der Wiener Baupolizei, überzeugt: "Alle Bestimmungen müssen gleichermaßen auch für Kirchtürme gelten."

 "Durch die verfassungsmäßig garantierte Freiheit der Religionsausübung in Österreich gibt es auch ein verfassungsmäßiges Recht darauf, Moscheen zu  bauen", heißt es an den zuständigen Stellen im Außenministerium auf Anfrage der APA. "Die konkrete Ausgestaltung einer Moschee muss sich nach der Bauordnung richten; die Bauordnung kann aber keine Vorgabe machen, wie eine Moschee - also ob mit oder ohne Minarett - auszusehen hat." Obwohl es Bestrebungen gibt, die derzeit uneinheitlichen Bauordnungen österreichweit zu harmonisieren, sind die Bestimmungen, die für die Genehmigung von Bauten Anwendung finden, strikt Ländersache. "In Wien gibt es für etwaige Moscheen-Pläne zwei Dinge zu beachten. Stimmen sie mit den Bebauungs- und Flächenwidmungsplänen überein? Und: Stören sie das örtliche Stadtbild?", sagt Kirschner. Hier ist freilich Interpretationsspielraum. Kirschners Ansicht, dass "in einer Weltstadt wie Wien" ein Minarett wohl das Stadtbild weniger störe als in einer kleinen Landgemeinde, muss nicht notwendigerweise von jedermann geteilt werden.

Auch in Kärnten und Vorarlberg gibt es kein explizites Minarett-Verbot

Auch dort, wo - wie in Vorarlberg und Kärnten - die Landtage im Vorjahr die Genehmigung von Minarett-Bauten erheblich erschwerten, wurde die explizite Erwähnung von Minaretten tunlichst vermieden, wie Sonja Pisarik vom Architekturzentrum Wien erläutert. Vorarlberg hatte für "publikumswirksame Veranstaltungsstätten" die Notwendigkeit einer Sonderwidmung eingeführt, in Kärnten - wo bisher noch nie um den Bau einer Moschee samt Minarett angesucht wurde - wurde bei einer Änderung des Ortsbildpflegegesetzes eine Ortsbildpflege-Sonderkommission eingeführt, die darüber entscheidet, ob sich außergewöhnliche Bauvorhaben "in das gewachsene Ortsbild einfügen".

Es ging es nur vordergründig um Bauordnungsfragen

"Da geht es um politische Fragen. Da soll man sich nicht hinter gestalterischen Fragen verstecken", sagt Georg Pendl, Präsident der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten. "Aus meiner Sicht kann weder ein Minarett noch ein Kirchturm heute so ausschauen wie vor 100 Jahren. Die europäischen Kirchen haben das begriffen und bauen meist etwas Zeitgemäßes. Das sollte auch für andere gelten. Das Telfser Minarett etwa ist aber ein jämmerliches Ding, baukulturell eine Schnapsidee." Es gehe um gestalterische Qualitätsansprüche. "Jemandem einfach zu verbieten, einen Turm zu bauen, der Minarett heißt, ist genauso grotesk wie jemandem zu verbieten, einen Turm zu bauen, der Kirchturm heißt", so Pendl. "In der Schweizer Anti-Minarett-Initiative ging es nur vordergründig um Bauordnungsfragen", analysiert man im Außenministerium ähnlich. "Zur Abstimmung vorgelegt wurde jedoch eigentlich die Zuwanderungspolitik und der Umgang mit dem Islam in der Schweiz. Daher auch die Enttäuschung über das Ergebnis. Die Gefahr, mit dem Ergebnis gefährlich populistisch oder gar hetzerisch umzugehen, besteht sicherlich." Auch wenn man nicht erwartet, "dass das Schweizer Ergebnis auf Österreich, auf das Verhältnis zwischen Muslim/innen und Nicht-Muslim/innen hier einen Einfluss haben wird", wäre es gut, "die Volksabstimmung in der Schweiz und ihre Ergebnisse differenziert zu betrachten und vor allem nicht überzubewerten". Ähnliche Diskussionen in Österreich "haben bisher natürlich immer Reaktionen von Botschaften muslimischer Länder hervorgerufen, jedoch nie gravierende Folgen für unsere Beziehungen gehabt", so die Expertin im Außenministerium. "Es konnte deutlich gemacht werden, dass einzelne Parteilinien nicht Regierungslinie sind und das Verhältnis zur Islamischen Glaubensgemeinschaft auf verfassungsrechtlich klaren und gesellschaftlich guten Beziehungen ruht." Ob sich dies in einem prononciert Ausländer- und Muslim-feindlichen Wien-Wahlkampf ändern könne, "hängt von den dabei angeschlagenen Tönen ab. Insgesamt ist es aber bedenklich zu sehen, dass sich der Ton verschärft."

 

 

 

Weitere News zum Thema:

- 30. 11. 2009: UNO prüft Rechtskonformität des Minarett-Verbotes

- 30. 11. 2009: Österreichische Kirchenvertreter kritisieren Minarett-Verbot

- 30. 11. 2009: Ägyptischer Großmufti: Eine "Beleidigung" für alle Muslime

- 20. 11. 2009: Scharfe Kritik an Schweizer Minarett-Verbot

- 30. 11. 2009: Bisher vier Minarette in der Schweiz

- 30. 11. 2009: Drei Minarette in Österreich

 

 

 

 

 
zum Seitenanfang Seitenanfang