News 03. 02. 2010

Bandion-Ortner: "Religiöse Gewalt" soll "Erschwernisgrund" werden

Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) will den religiösen Hintergrund von Verbrechen künftig als "Erschwerungsgrund" im Strafrecht festschreiben. Damit würden die Gerichte dazu angehalten, nach einem entsprechenden Schuldspruch eher höhere Strafen zu verhängen.

Neue Strafdelikte oder höhere Strafrahmen, etwa gegen (schon jetzt strafbare) "Zwangsehen" oder "Ehrenmorde", lehnt die Justizministerin allerdings ab. "Von den Tatbeständen haben wir alles, was wir brauchen. Mord bleibt Mord - mehr als lebenslänglich kann nicht verhängt werden", betonte Bandion-Ortner am Mittwoch im Gespräch mit de APA.

Religiöse Motive sollen kein Milderungsgrund sein können

Konkret überlegt Bandion-Ortner, den Katalog der im Strafgesetzbuch definierten "Erschwernisgründe" um einen Punkt "religiös motivierte Gewalt" zu erweitern. Außerdem könnte festgeschrieben werden, "dass religiöse Motive niemals ein Milderungsgrund sein können". Erschwernis- und Milderungsgründe dienen den Gerichten als Richtlinie bei der Festlegung des Strafausmaßes nach einem Schuldspruch. Sie können damit innerhalb des beim jeweiligen Delikt vorgegebenen Strafrahmens entweder höhere oder niedrigere Haftstrafen verhängen.

Aufzwingen einer anderen Lebensweise als Erschwernisgrund

Außerdem als Erschwernisgrund definiert werden könnte demnach ein "Gesamtverhalten, das darauf abzielt, jemandem eine andere Lebensweise aufzuzwingen, die mit unserer Gesellschaft nicht konform ist". Als Beispiel nennt Bandion-Ortner Eltern, die ihren Kindern aus religiösen Gründen die Schulbildung oder den Kontakt mit Männern verwehren. Eine entsprechende "Nötigung" könnte damit automatisch als "schwere Nötigung" mit höherer Strafdrohung qualifiziert werden. Gelten würde der Erschwernisgrund dann allerdings für jede Form religiös motivierter Gewalt, nicht nur im Kontext des Islam, wie die Ministerin auf Nachfrage betonte - also etwa auch gegen eine etwaige "gefährliche Drohung" christlicher Fundamentalisten gegen eine Abtreibungsklinik.

Keine Reaktion auf das Totschlag-Urteil

Als direkte Reaktion auf das aufsehenerregende Totschlags-Urteil gegen einen gebürtigen Türken, der seine Frau mit einem Messer attackiert hatte, weil sie sich scheiden lassen wollte, will Bandion-Ortner die Gesetzesänderung nicht verstanden wissen, wie sie betonte. Dem Türken war vom Gericht eine "allgemein begreifliche, heftige Gemütsbewegung" attestiert worden, weshalb er nicht wegen Mordversuchs, sondern wegen versuchten Totschlags angeklagt und verurteilt wurde. Bandion-Ortner betont, dass es ihren Informationen zufolge auch andere Gründe gab, die in diesem Fall für eine Verurteilung wegen Totschlags sprachen. "Wer den gegenständlichen Akt nicht kennt, soll das Urteil nicht beurteilen", verteidigt die Ministerin das Gericht. Die nun angekündigte Novelle sei daher "keine Reaktion auf dieses Urteil". "Es wurde in der Vergangenheit mehrmals über diese Delikte diskutiert. Deswegen muss man hier einfach Signale Setzen, aber wir kreieren keinen neuen Straftatbestand", betont die Ministerin.

SPÖ gegen Vermischung von Religion und Strafrecht

Kritik an den Plänen Bandion-Ortners übt auch SP-Justizsprecher Hannes Jarolim. Ein religiöser Hintergrund des Täters dürfe angesichts der Trennung von Religion und Staat vor Gericht weder Erschwerungs-noch Milderungsgrund sein. "Staat und Religion sind zwei Paar Schuhe. Religion spielt keine Rolle, es gelten die Gesetze", betonte Jarolim am Mittwoch im Gespräch mit der APA.

Was meint eine Religion?

Der SP-Justizsprecher warnt davor, dass der Verweis auf religiöse Motive im Strafrecht zu "erheblichsten Auslegungsproblemen" führen könnte. Jarolim befürchtet, dass Gerichte damit künftig feststellen müssten, ob etwa der Islam oder die Katholische Kirche die Ausübung von Gewalt als "Züchtigungsmittel" gegen Frauen für möglich erachten oder nicht. "Die Hereinnahme von Religion als Beurteilungsmaßstab würde eine völlige Unbestimmtheit verursachen", betont Jarolim: "Kein Mensch kann sagen, was eine Religion meint oder nicht meint."

Gegen "unbestimmte Begriffe" im Strafrecht

Außerdem warnt Jarolim vor der Hereinnahme "unbestimmter Begriffe" in das Strafrecht. Er verweist auf die umstrittene Strafbestimmung zur Bildung einer "Kriminellen Organisation", wegen dem die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt seit Monaten gegen Tierschützer ermittelt. Durch die Hereinnahme religiöser Motive in das Strafrecht drohe nun "das gleiche Match mit unbestimmten Begriffen", befürchtet der SP-Politiker.

Grüne: "Ideologischer Unsinn"

Abgelehnt wird die Vermischung von Strafrecht und Religion von den Grünen, die vor der Schaffung von "Kulturdelikten" warnen. Für den Grünen Justizsprecher Albert Steinhauser ist der Vorstoß Bandion-Ortners "ideologischer Unsinn". Ehrenmorde oder Genitalverstümmelung seien schon jetzt strafbar. "Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein kaltblütiger Mord aus Rache eines Österreichers anders beurteilt werden soll, als ein Mord eines Türken, der vielleicht aus falschen Ehrvorstellungen gehandelt hat", sagte Steinhauser in einer Aussendung. Kulturelle oder religiöse Hintergründe dürften keinen Einzug ins Strafgesetzbuch halten - weder als Rechtfertigung für ein Verhalten, noch als Argument für eine strengere Bestrafung.

FPÖ unterstützt Vorschlag

Unterstützung für Bandion-Ortner kommt dagegen von FPÖ und BZÖ. Die FP-Abgeordnete Susanne Winter meinte, es sei nach dem "Skandalurteil" von Mitte Jänner "allerhöchste Zeit" für die Justizministerin aufzuwachen. Alleine die Klarstellung, wonach religiöse Motive vor Gericht kein Milderungsgrund sein dürfen, löse das Problem aber nicht. Winter fordert die Einrichtung betreuter Wohnung für Opfer von Zwangsehen. Außerdem müsse die Information der Opfer und der "Anpassungsdruck" auf die Täter verstärkt werden.

BZÖ für besonders strenge Bestrafung

BZÖ-Justizsprecher Ewald Stadler begrüßt den Vorstoß Bandion-Ortners. "Gerade Verbrechen aus religiösen Motiven müssen in einer modernen Gesellschaft streng bestraft werden", so der BZÖ-Abgeordnete. Gegen "Ehrenmorde, Zwangsehen oder Problemgurus" müsse der Staat mit der vollen Härte des Gesetzes vorgehen. Stadler verlangt aber auch einen verbesserten Schutz der Religionen vor Herabwürdigung und einen "Ausbau" des Paragrafen 188 StGB, der die Herabwürdigung religiöser Lehren unter Strafe stellt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 
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