News 26. 02. 2010 |
"Religion braucht Platz im öffentlichen Raum"Für eine integrative Gesellschaft und ein Miteinander von Menschen verschiedenster Herkunft ist es wichtig, dass Religion einen Platz in der Öffentlichkeit und besonders auch in den Schulen hat. Diesen gemeinsamen Konsens fanden die Diskutanten einer von der "Plattform Christen und Muslime" veranstalteten Debatte zum Thema "Religion im Klassenzimmer" in der Wiener "Islamischen Religionspädagogischen Akademie" (IRPA).Deutlich unterschiedlicher Meinung waren laut "Kathpress" der lutherische Bischof Michael Bünker, IRPA-Leiterin Amena Shakir, Birgit Moser-Zoundjiekpon vom Schulamt der Erzdiözese Wien und die frühere Politikerin und Leiterin des "Instituts für eine offene Gesellschaft", Heide Schmidt, hingegen bei Themen wie dem Ethikunterricht oder Kreuzen in den Schulen. So sprach Moser-Zoundjiekpon für einen verpflichtenden Ethikunterricht für jene Schüler aus, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen. Schmidt hingegen ist für einen verpflichtenden Ethikunterricht für alle Schüler und Religion als Freigegenstand. Religion ist für eine gelingende Integration wichtig"Gerade unter den Vorzeichen von Pluralität und Migration ist es notwendig, dass über Religion im öffentlichen Raum diskutiert wird; dass sie sichtbar ist und präsent", betonte Bischof Bünker in seinem Eröffnungsstatement zur Debatte. Religion sei notwendig für eine gelungene Integration, so Bünker, der in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Schule hervor hob: "Kinder bringen in die Klassenzimmer ihre religiöse Prägung mit und brauchen es für ihr Heranwachsen und ihre Bildung, dass diese Prägung in einer guten Weise auch diskutiert wird", sagte der lutherische Bischof. Er erinnerte an ein wesentliches Ziel der Bildung im Religionsunterricht: den reflektierten Umgang mit der eigenen Religiosität. Ein Religionsunterricht, der ständig weiterentwickelt wird, sei eine Form der Begegnung in der Schule und damit auch entscheidend für die Schulentwicklung. "Eine gute Schule braucht ein Schulethos und eine Schulkultur, welche die religiöse Dimension umfasst", so Bünker. Keine Gefahr für den säkularen StaatAuch IRPA-Leiterin Amena Shakir betonte, dass Religion "einen festen Platz im öffentlichen Raum und daher auch in der Schule" habe. Die prinzipielle Trennung von Staat und Religion sei durch die zu beobachtende wachsende Bedeutung von Religion im öffentlichen Leben nicht gefährdet, sagte die muslimische Politologin: "Beides ist möglich: ein säkularer Staat und die Anerkennung der Bedeutung der Religion. Gerade deshalb muss Religion in der Schule einen Platz haben". Der in Österreich gesetzlich anerkannte Raum für Religion in der Schule trage bei muslimischen Schülerinnen und Schülern dazu bei, dass sich diese als anerkannter Teil der österreichischen Gesellschaft fühlen könnten, so Shakir: "Der islamische Religionsunterricht ist für sie ein Zeichen, dass die gleichberechtigt sind." Sie wies darauf hin, dass der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen oft der einzige Ort ist, an dem muslimische Kinder in deutscher Sprache über den Islam sprechen. Shakir: "Die junge Muslime lernen so, in Deutsch über ihre Religion zu kommunizieren." Staat benötigt WertestifterDer Staat sei auf Wertestifter wie die Religionen angewiesen, sagte die Leiterin der Rechtsabteilung des Schulamts der Erzdiözese Wien, Birgit Moser-Zoundjiekpon. "Insbesondere in einem Staat, der sich immer mehr zu einem Sozial- und Leistungsstaat entwickelt hat, wie Österreich, ist es wesentlich, dass die Religionen nicht ausgegrenzt werden, sondern dass die Zusammenarbeit zwischen Staat und Religionen institutionalisiert ist und funktioniert." Moser-Zoundjiekpon betonte die friedenstiftende, integrative Funktion von Religionen. "Die Religionen sind ganz wesentlich für die Identitätsstiftung", so die Schulexpertin. Die Verankerung religiöser Bildung an den Schulen sei für die Kinder wichtig: "Nur wer seine eigene Identität kennt, kann in einer demokratischen Gesellschaft gut leben." Religion hat kein Monopol auf WertespendungHeide Schmidt, in den 1990er Jahren Mitbegründerin des "Liberalen Forums", entgegnete, die Religionen hätten "kein Monopol auf Wertespendung". Auch für Schmidt ist es aber "sinnvoll und richtig", dass Religionen im Klassenzimmer einen Platz finden. "Ich halte es aber für falsch, dass Religion als Pflichtgegenstand stattfindet", sagte Schmidt. Sie sprach sich stattdessen für einen verpflichtenden Ethikunterricht aus, ein "moderner" Religionsunterricht könne aber zusätzlich als Freigegenstand angeboten werden. Generell sollten alle Menschen die Werte und Traditionen aller Religionen kennenlernen, so Schmidt. Dies sei eine Voraussetzung für Integration. Debatte über EthikunterrichtIn einem Ethikunterricht könnten Schüler über alle Religionen gleichberechtigt etwas erfahren, "und zwar nicht nur von jemandem, der selbst dieses Glaubens ist", so die Ex-Politikerin. Konfessioneller Religionsunterricht könne diese gleichberechtigte Information nicht leisten, meinte Schmidt, denn: "Zum Religionsunterricht gehört dazu, dass man nicht nur Wissen, sondern auch Glauben vermittelt." Schmidts Meinung widersprachen sowohl Moser-Zoundjiekpon als auch Shakir vehement. Auch ein Ethiklehrer könne niemals eine völlig neutrale Position einnehmen, gab die IRPA-Leiterin zu bedenken. Moser-Zoundjiekpon wies darauf hin, dass es gerade eines der Hauptargumente für den Religionsunterricht sei, dass Religionslehrer "ihre eigene Religion vertreten und daher auch ihre Identität in den Religionsunterricht einbringen". Auch im konfessionellen Religionsunterricht seien zudem die anderen Religionen Teil des Lehrplans, hielt sie fest. Moser-Zoundjiekpon: "Die katholische Kirche steht auf dem Standpunkt: Ethikunterricht ja, aber als Pflichtgegenstand für Schülerinnen und Schüler, die sich entweder vom Religionsunterricht abgemeldet haben oder ohne religiöses Bekenntnis sind und sich nicht für eine konfessionellen Religionsunterricht als Freigegenstand entschieden haben." Kreuze in Klassenzimmern?Angesprochen auf das umstrittene Kreuz-Urteil des Europäischen Gerichthofs für Menschenrechte (EGMR) verwies die Rechtsexpertin des Schulamts auf das ihrer Ansicht nach zentrale Problem eines Verbots religiöser Symbole in der Öffentlichkeit: "Wenn der Staat sagt, es darf keine religiösen Symbole geben in Klassenzimmern, dann tut er etwas, was er als religiös und weltanschaulich neutraler Staat eigentlich nicht darf: nämlich dass er einer Weltanschauung, in dem Fall dem Atheismus, einen Vorrang gibt vor anderen Religionen und Weltanschauungen." Während Shakir betonte, dass sie als Muslima kein Problem mit Kreuzen in Klassenzimmern habe, da das Kreuz in den Klassen in Österreich historisch gewachsen sei, sprach sich Schmidt gegen die Kreuze aus. Es sei nicht richtig, dass in Klassenzimmern die Symbole jener Religionsgemeinschaften hingen, denen die Mehrheit der Schüler angehören, kritisierte sich die geltenden Rechtslage in vielen österreichischen Bundesländern: "Religion kann nicht mehrheitsbestimmt sein." Bischof Bünker plädierte für einen "unaufgeregteren" Umgang mit dem Thema. "Wichtig ist, dass das Kreuz kein 'Kulturlogo' für ein christliches Abendland wird - und auf keinen Fall soll es ein Dominanzsymbol einer Mehrheit sein."
Link: - "Plattform Christen und Muslime"
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