News 03. 03. 2010

 

 

Razzia im Kloster Ettal - Mönche suspendiert

Im Skandal um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche Deutschlands hat es zum ersten Mal eine Razzia in einem Kloster gegeben.

Am Dienstag durchsuchte die Münchner Staatsanwaltschaft das oberbayerische Kloster Ettal, wie die Deutsche Presse-Agentur dpa erfuhr. Dort sollen Schüler von Geistlichen sexuell missbraucht worden sein. "Seit Nachmittag laufen Ermittlungen vor Ort in Anwesenheit der Staatsanwaltschaft", bestätigte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft München II am Dienstag. Ob es in der deutschen Nachkriegsgeschichte überhaupt schon einmal eine Razzia in einem Kloster gegeben habe, konnte ein Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz auf Nachfrage nicht beantworten.

Vorläufiger Tiefpunkt

Die Durchsuchungen in dem oberbayerischen Vorzeigeinternat des Benediktinerordens sind ein vorläufiger Tiefpunkt in dem Skandal um Gewalt und sexuellen Missbrauch in katholischen Erziehungseinrichtungen. Seitdem Ende Januar erste Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg bekannt geworden sind, haben sich bereits mehr als 150 Betroffene gemeldet. Die meisten Fälle in verschiedenen katholischen Einrichtungen in ganz Deutschland liegen Jahrzehnte zurück. Missbrauchsskandale haben die katholische Kirche bereits in Irland, den USA und Österreich erschüttert - und auch eine Diskussion über den Zwangszölibat - das Keuschheitsgebot für Priester - entfacht.

Mönche suspendiert

Im Zusammenhang mit den Missbrauchsvorwürfen an dem Benediktinerkloster Ettal wurden auch drei Mönche aus dem Kloster Wechselburg in Sachsen suspendiert und von ihren seelsorgerischen Aufgaben entbunden. Gegen sie lägen Missbrauchsvorwürfe aus ihrer Zeit an der Schule und dem Internat in Ettal vor, teilte das Bistum Dresden-Meißen am Dienstag mit. Damit wurde ein Bericht der in Chemnitz erscheinenden "Freien Presse" bestätigt.

Vorwürfe noch nicht bekannt

Was genau den Männern vorgeworfen wird, wisse man nicht, sagte ein Bistumssprecher. Verdachtsfälle aus dem Kloster Wechselburg gab es bislang nach Angaben des Bistums nicht, Bischof Joachim Reinelt kündigte aber an, Anhaltspunkten auf mögliche Verdachtsfälle gründlich nachzugehen. Einer der drei Mönche sei für das Jugend- und Familienhaus des Klosters in Wechselburg verantwortlich gewesen.

Kloster übergibt Dokumente

Bei der Razzia im oberbayerischen Kloster Ettal hat die Abtei nach eigenen Angaben mit der Staatsanwaltschaft kooperiert. Den Ermittlern seien "aus freien Stücken" Unterlagen zu zwei Tatkomplexen übergeben worden, teilte das Kloster am Mittwoch mit. Am Dienstag hatte die Staatsanwaltschaft in dem Kloster Akten zu dem Missbrauchsverdacht gegen mehrere Patres sichergestellt. Der von der Benediktinerabtei beauftragte Ermittler will an diesem Freitag einen Bericht veröffentlichen. Von der Staatsanwaltschaft war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

Lehmann widerspricht Vorwurf der Vertuschung

Der langjährige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, wies den Vorwurf der systematischen Vertuschung bei Missbrauchsfällen innerhalb der katholischen Kirche scharf zurück. "Dies ist eine ganz und gar unberechtigte Unterstellung", schrieb der Bischof von Mainz in seiner Veröffentlichung "Auf ein Wort" für März 2010 und sprach von Verleumdung. Früher habe es vielleicht "eine Verharmlosung oder gar Verniedlichung in einzelnen Fällen gegeben". Seit Jahren bemühe sich die Kirche aber nun schon um Aufklärung, betonte Lehmann. "Es ist also barer Unsinn zu behaupten, die katholische Kirche habe keinen überzeugenden Willen zur Aufklärung."

Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungspflichten?

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erwägt nach dem Bekanntwerden des Skandals eine Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungspflichten. Bislang können minderjährige Missbrauchsopfer nach Angaben des Ministeriums noch bis drei Jahre nach ihrem 21. Geburtstag Anspruch auf Entschädigung erheben. "Das ist oft zu kurz", sagte sie in einem Interview mit der "Berliner Zeitung". Die Ausweitung strafrechtlicher Verjährungsfristen sei zwar problematisch, einer Verlängerung der Anspruchsfristen auf Schadensersatz und Schmerzensgeld stehe sie aber positiv gegenüber. Auch wenn mit Geld ohnehin nichts gutzumachen sei, sei das ein "Zeichen an die Opfer", sagte sie dem Blatt.

 

 

 

Link:

- Private Internetseite für Betroffene mit Petition

 

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