Razzia im Kloster Ettal - Mönche suspendiert
Im Skandal um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche
Deutschlands hat es zum ersten Mal eine Razzia in einem Kloster
gegeben.
Am Dienstag durchsuchte die Münchner
Staatsanwaltschaft das oberbayerische Kloster Ettal, wie die
Deutsche Presse-Agentur dpa erfuhr. Dort sollen Schüler von
Geistlichen sexuell missbraucht worden sein. "Seit Nachmittag laufen
Ermittlungen vor Ort in Anwesenheit der Staatsanwaltschaft",
bestätigte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft München II am
Dienstag. Ob es in der deutschen Nachkriegsgeschichte überhaupt
schon einmal eine Razzia in einem Kloster gegeben habe, konnte ein
Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz auf Nachfrage nicht
beantworten.
Vorläufiger Tiefpunkt
Die Durchsuchungen in dem oberbayerischen
Vorzeigeinternat des Benediktinerordens sind ein vorläufiger
Tiefpunkt in dem Skandal um Gewalt und sexuellen Missbrauch in
katholischen Erziehungseinrichtungen. Seitdem Ende Januar erste
Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg bekannt geworden sind,
haben sich bereits mehr als 150 Betroffene gemeldet. Die meisten
Fälle in verschiedenen katholischen Einrichtungen in ganz
Deutschland liegen Jahrzehnte zurück. Missbrauchsskandale haben die
katholische Kirche bereits in Irland, den USA und Österreich
erschüttert - und auch eine Diskussion über den Zwangszölibat - das
Keuschheitsgebot für Priester - entfacht.
Mönche suspendiert
Im Zusammenhang mit den Missbrauchsvorwürfen an
dem Benediktinerkloster Ettal wurden auch drei Mönche aus dem
Kloster Wechselburg in Sachsen suspendiert und von ihren
seelsorgerischen Aufgaben entbunden. Gegen sie lägen
Missbrauchsvorwürfe aus ihrer Zeit an der Schule und dem Internat in
Ettal vor, teilte das Bistum Dresden-Meißen am Dienstag mit. Damit
wurde ein Bericht der in Chemnitz erscheinenden "Freien Presse"
bestätigt.
Vorwürfe noch nicht bekannt
Was genau den Männern vorgeworfen wird, wisse
man nicht, sagte ein Bistumssprecher. Verdachtsfälle aus dem Kloster
Wechselburg gab es bislang nach Angaben des Bistums nicht, Bischof
Joachim Reinelt kündigte aber an, Anhaltspunkten auf mögliche
Verdachtsfälle gründlich nachzugehen. Einer der drei Mönche sei für
das Jugend- und Familienhaus des Klosters in Wechselburg
verantwortlich gewesen.
Kloster übergibt Dokumente
Bei der Razzia im oberbayerischen Kloster Ettal
hat die Abtei nach eigenen Angaben mit der Staatsanwaltschaft
kooperiert. Den Ermittlern seien "aus freien Stücken" Unterlagen zu
zwei Tatkomplexen übergeben worden, teilte das Kloster am Mittwoch
mit. Am Dienstag hatte die Staatsanwaltschaft in dem Kloster Akten
zu dem Missbrauchsverdacht gegen mehrere Patres sichergestellt. Der
von der Benediktinerabtei beauftragte Ermittler will an diesem
Freitag einen Bericht veröffentlichen. Von der Staatsanwaltschaft
war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.
Lehmann widerspricht Vorwurf der Vertuschung
Der langjährige Vorsitzende der Deutschen
Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, wies den Vorwurf der
systematischen Vertuschung bei Missbrauchsfällen innerhalb der
katholischen Kirche scharf zurück. "Dies ist eine ganz und gar
unberechtigte Unterstellung", schrieb der Bischof von Mainz in
seiner Veröffentlichung "Auf ein Wort" für März 2010 und sprach von
Verleumdung. Früher habe es vielleicht "eine Verharmlosung oder gar
Verniedlichung in einzelnen Fällen gegeben". Seit Jahren bemühe sich
die Kirche aber nun schon um Aufklärung, betonte Lehmann. "Es ist
also barer Unsinn zu behaupten, die katholische Kirche habe keinen
überzeugenden Willen zur Aufklärung."
Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungspflichten?
Bundesjustizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erwägt nach dem Bekanntwerden des
Skandals eine Verlängerung der zivilrechtlichen
Verjährungspflichten. Bislang können minderjährige Missbrauchsopfer
nach Angaben des Ministeriums noch bis drei Jahre nach ihrem 21.
Geburtstag Anspruch auf Entschädigung erheben. "Das ist oft zu
kurz", sagte sie in einem Interview mit der "Berliner Zeitung". Die
Ausweitung strafrechtlicher Verjährungsfristen sei zwar
problematisch, einer Verlängerung der Anspruchsfristen auf
Schadensersatz und Schmerzensgeld stehe sie aber positiv gegenüber.
Auch wenn mit Geld ohnehin nichts gutzumachen sei, sei das ein
"Zeichen an die Opfer", sagte sie dem Blatt.
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