News 10. 03. 2010

Vatikan zu Missbrauchsfällen: "Alleinschuld nicht bei Kirche"

Der Vatikan hat eine Alleinschuld der katholischen Kirche bei Fällen von sexuellem Missbrauch in Bildungseinrichtungen zurückgewiesen.

"Fehler, die von Institutionen und Mitgliedern der Kirche begangen wurden, sind angesichts der Verantwortung bei Moral- und Bildungsfragen besonders verwerflich", sagte Vatikan-Sprecher Frederico Lombardi am Dienstag. "Aber jede objektive und gutinformierte Person weiß, dass das Thema sehr viel breiter gefasst ist. Wenn die Anschuldigungen allein auf die Kirche konzentriert werden, bringt das die Dinge aus der Perspektive."

Nicht nur in kirchennahen Einrichtungen

Lombardi nannte im Radiosender des Vatikans eine Studie aus Österreich, die 17 Fälle von Missbrauch in kirchennahen Einrichtungen auflistet, aber 510 in anderen Organisationen. "Es wäre gut, wenn man sich auch darüber Sorgen machen würde", sagte der Jesuit.

Kirche auf gutem Weg

Die Bewältigung der Missbrauchskrise durch die Kirche sah Lombardi laut Kathpress auf einem guten Weg. Die Bischofskonferenzen und Ordensleitungen in Österreich wie auch in Deutschland hätten unverzüglich und entschlossen auf das Problem reagiert.

Willen zur Transparenz

Die kirchlichen Einrichtungen hätten Willen zur Transparenz gezeigt und durch ihre Aufforderung an die Opfer, sich zu melden, die Aufdeckung des Umfangs der Missbrauchsfälle beschleunigt. Das Krisenmanagement sei richtig gestartet, indem es die Anerkennung des Vorgefallenen und die Sorge für die Opfer an den Anfang gestellt habe.

Runder Tisch

Ausdrücklich stellte Lombardi sich hinter die Initiative eines Runden Tischs, wie er von der deutschen Familienministerin Kristina Schröder (CDU) vorgeschlagen worden sei. "Die Kirche ist natürlich bereit, daran teilzunehmen und sich zu engagieren", so der Vatikansprecher. Möglicherweise könne die "schmerzvolle Erfahrung" der Kirche auch "ein nützlicher Beitrag für andere sein". Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel habe das ernste und konstruktive Bemühen der Kirche anerkannt.

Kirchenrecht

Das Kirchenrecht betrachte das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger als "eines der schwersten von allen". Die Kirche sei sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst, müsse aber auch für eine kirchenrechtliche Klärung in ihrem Binnenbereich Sorge tragen. Lombardi verwies dabei auf das Papst-Dekret "De delictis gravioribus" (Über schwerwiegende Vergehen) von 2001. Dieses Dokument werde unzutreffenderweise als Grund für eine "Kultur des Schweigens" in der Kirche genannt.

Leitlinien für den Umgang

"Wer es kennt und versteht, um was es sich dreht, weiß, dass es ein entschiedenes Signal war, um den Bischöfen die Schwere des Problems ins Bewusstsein zu rufen und konkrete Impulse zu Leitlinien für den Umgang damit zu geben", so der Vatikansprecher.

Vatikan kein Verhinderer

Lombardi widersprach dem Vorwurf von Deutschlands Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (CDU), dass der Vatikan die Aufarbeitung der Skandale um sexuellen Missbrauch behindert habe. Die Ministerin hatte eine Direktive der Glaubenskongregation von 2001 angeführt, die von Kardinal Joseph Ratzinger vor seiner Berufung zum Papst verfasst worden war und nach der auch schwere Missbrauchsfälle zuerst der päpstlichen Geheimhaltung unterlägen und nicht an Stellen außerhalb der Kirche weitergegeben werden sollten.

 

 

 

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