Lutherischer Weltbund: Angst
vor Zerreißprobe wie bei Anglikanern
Bei der 11.
Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Stuttgart warnt LWB-Präsident
Mark Hanson vor Spaltungen: Christen sollten sich in ihren unterschiedlichen
Ansichten zur Homosexualität oder zur Frauenordination gegenseitig
respektieren und nicht untereinander bekämpfen.
Der Konflikt
zwischen den schrumpfenden liberalen Kirchen des Nordens und jenen des
Südens, die wachsen und in der Auseinandersetzung mit dem Islam und den
diversen Sekten auf ein kämpferisch konservatives Profil setzen, prägt die
11. Vollversammlung des
Lutherischen Weltbunds (LWB) in Stuttgart.
Homosexualität und Frauen
Die
Diskussionen über Homosexualität und Frauen im Bischofsamt sorgen auf der
Weltkonferenz der Lutheraner für Unruhe und Besorgnis unter den Mitgliedern,
meldet Kathpress. Befürchtet wird eine ähnliche Zerreißprobe, wie sie die
anglikanische Kirche prägt, und das nur wenige Jahre vor dem großen Jubiläum
"500 Jahre Wittenberger Thesenanschlag und Reformatisons-beginn" im Jahr
2017. Der kirchliche Dachverband repräsentiert 70 Millionen Christen in 79
Ländern.
Respekt statt Kampf
LWB-Präsident Mark
Hanson warnte vor Spaltungen in der Christenheit aufgrund moralischer
Fragen. Christen sollten
sich in ihren unterschiedlichen Ansichten zur Homosexualität oder zur
Frauenordination gegenseitig respektieren und nicht untereinander bekämpfen,
sagte der US-amerikanische Bischof in Stuttgart. Auch innerhalb des
Luthertums gebe es unterschiedliche Ansätze zu den Themen Ehe, Familie und
menschliche Sexualität, räumte Hanson ein.
Am Rand der Spaltung
Die Themen
Homosexualität und Frauenordination stehen nicht auf der offiziellen
Tagesordnung der LWB-Konferenz, können aber über Arbeitsgruppen eingebracht
werden. Während
lutherische Kirchen in Afrika und Osteuropa etwa die Zulassung von
Homosexuellen oder Frauen zum Pfarramt vehement ablehnen, gibt es in
Schweden die weltweit erste offen lesbisch lebende lutherische Bischöfin.
"In Tansania würde sie aus jeder Kirche fliegen; und eben jene Tansanische
Kirche ist aber auch die weltweit am schnellsten wachsende lutherische
Gemeinschaft", hieß es dazu in einem Kommentar der "Süddeutschen Zeitung"
(21. Juli). Die anglikanische Kirchen-gemeinschaft stehe wegen des Streits
um den Umgang mit homosexuellen Menschen bereits am Rand der Spaltung.
Heiße Eisen
Der ehemalige
vatikanische "Ökumene-Minister" Kardinal Walter Kasper ging in Stuttgart in
einem Gastvortrag über die ökumenische Bewegung der letzten 40 Jahre auf
diese heißen Eisen nicht ein.
Kasper strich stattdessen die
Erfolge heraus. Angesichts der großen Herausforderungen wie Klimawandel,
weltweitem Hunger und Zugang zu sauberem Wasser müssten die Christen noch
intensiver zusammenarbeiten. Die katholische Kirche sei entschlossen, den
ökumenischen Dialog fortzusetzen.
Wahlen
Die Weltkonferenz
der Lutheraner hatte am Dienstag in Stuttgart begonnen.
An den Konferenz nehmen
insgesamt rund 1.000 Menschen teil. Die Vollversammlung ist das höchste
Entscheidungsgremium des LWB und findet etwa alle sechs Jahre statt. In
Stuttgart wird auch ein neuer Präsident des in Genf ansässigen Weltbundes
als Nachfolger des Leitenden Bischofs der Lutherisch-Evangelischen Kirche in
Amerika, Hanson, gewählt, der nach sieben Jahren sein Amt niederlegt. Die
einwöchige Stuttgarter Zusammenkunft ist nach dem Treffen 1952 in Hannover
die zweite dieser Art in Deutschland.
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