Kothgasser eröffnete "Salzburger Hochschulwochen"
Mit einem Plädoyer, die Endlichkeit des Lebens nicht als beängstigende
Bedrohung zu verstehen sondern als Chance, das Leben in seiner Einmaligkeit
zu gestalten, haben der Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser und der
Salzburger Theologe Gregor Maria Hoff die heurigen "Salzburger
Hochschulwochen" eröffnet. Die Annahme der Endlichkeit "bedeutet
Menschlichkeit, weil sie jedem einzelnen Menschen Lebensraum gibt", so
Kothgasser in seiner Eröffnungsansprache zu den Hochschulwochen, die vom 2.
bis 8. August unter dem Titel "Endlich! Leben und Überleben" stattfinden.
Gemeinsam betonten Hoff und Kothgasser auch die
Aktualität des Themas Endlichkeit: "Die politischen, ökonomischen und
besonders die ökologischen Entwicklungen dieses Jahres fordern geradezu auf,
sich der Aktualität des Themas mit grundsätzlicher Nachdenklichkeit zu
stellen", so Hoff, der inhaltlich für die Hochschulwochen verantwortlich
zeichnet. "Unser Leben und das der kommenden Generationen steht vor
gesellschaftlichen Überlebensfragen", ergänzte Kothgasser laut "Kathpress".
"Ars moriendi" gegen die Angst vor dem Tod
Auf die unterschiedlichen Strategien des Menschen, mit
seiner Endlichkeit umzugehen, ging der Münsteraner Theologe Klaus Müller im
ersten Vortrag bei den heurigen Hochschulwochen ein. Endlichkeit ängstige
den Menschen, daher habe er vielfältige Wege gefunden, dem "Skandal" des
eigenen Todes zu begegnen. Als wichtigste Technik benannte Müller, der in
Münster den Lehrstuhl für "Philosophische Grundfragen der Theologie"
innehat, die enorme Beschleunigung der Lebensrhythmen, die "Grundelemente
einer umgreifenden Suchtkultur" enthalten. Müller wörtlich: "Weil sich
Sterblichkeit nicht abschütteln lässt, wird beschleunigt. Durch
Geschwindigkeit wollen wir unsere Endlichkeit überspringen." Zum Problem
würden diese Ausweichtechniken laut Müller durch das ihnen innewohnende
Gewalt- und Eskalationspotenzial. So resultiere die Verdrängung der
Endlichkeit aus einem Selbsterhaltungstrieb, dieser wiederum führe zu
"unausweichlichen Konkurrenzsituationen" zwischen den Menschen, denen auch
Gewalt entspringen könne. Dagegen plädierte Müller für eine Wiederentdeckung
einer "ars moriendi", einer Kunst des Sterbens. Diese beginne dort, wo der
Mensch lerne, seine Endlichkeit anzuerkennen, anzunehmen und zugleich "ans
Ewige rührt". Theologisch lasse sich laut Müller die Endlichkeitserfahrung
auch christologisch auffangen - so etwa dort, wo der Glaube davon ausgeht,
"dass Gott selbst ein sterblicher Mensch geworden ist". Damit gewinne die
Endlichkeit eine Würde, die von der "Angst, zu wenig zu sein und zu haben",
befreie, so der Theologe.
Neue "Theorie der Knappheit"
Aus einer ökonomischen Perspektive näherte sich der
zweite Vortragende des ersten Tages der Hochschulwochen, der FAZ-Journalist
Rainer Hank, dem Thema Endlichkeit. Nur was knapp und also endlich ist,
werde laut Hank wertgeschätzt. Das Ungleichgewicht zwischen prinzipiell
unbegrenzten menschlichen Wünschen und der Knappheit der verfügbaren
Ressourcen bilde den Ursprung der Ökonomie. Notwendig sei daher heute eine
neue "Theorie der Knappheit", die mit "melancholischem Grundton"
herauszuarbeiten hätte, dass "das Paradies hinter uns liegt" und Knappheit
die bestimmende Erfahrung der Gegenwart sei. Diese Erfahrung der Knappheit
müsse dabei nicht per se negativ sein, vielmehr lehre sie eine neue
Wertigkeit: "Ein Leben im Überfluss wäre fürchterlich. Wer alles haben kann,
will nichts haben", so Hank. Knappheit sei daher die Grundlage für die
Achtung vor der Welt überhaupt. Somit komme auch die Frage nach dem "guten
Leben" heute nicht mehr ohne eine Reflexion auf das Phänomen der Knappheit
und ohne eine neue Wertschätzung der Selbstbeschränkung aus. "Ein
Schlaraffenland ist nicht wünschenswert", so der Journalist.
Nachdenken über die Endlichkeit
In den nächsten Tagen werden in Salzburg Philosophen,
Naturwissenschaftler und Politiker das Thema Endlichkeit aus
unterschiedlichen Richtungen beleuchten, darunter etwa der deutsche
Naturwissenschaftler und Nachhaltigkeits-Experte Ernst Ulrich von
Weizsäcker, der Ethiker und Philosoph Bert Godijn, der Molekular-Genetiker
Michael Breitenbach, der Frankfurter Politikwissenschaftler Johannes Fried
und der Augsburger evangelische Theologe Godwin Lämmermann.
Tipp:
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02.-08.08.2010 / Salzburg
"Salzburger Hochschulwochen" über Endlichkeit des Lebens
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