News 08 09. 2010

Muzicant für mehr Moscheen - aber ohne Minarette

Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Ariel Muzicant, fordert mehr Moscheen - allerdings ohne Minarette. Im APA-Interview fragt er sich: "Wo steht geschrieben, dass Bethaus-Architektur "importiert" sein muss?" Zudem fordert er eine "respektvolle Islam-Diskussion".

Den Zuzug von jährlich 500 bis 1.000 Juden nach Österreich will die IKG nach der Wien-Wahl verhandeln. Nach 40 Jahren in verschiedensten IKG-Funktionen kündigte Muzicant seinen Rückzug als Präsident für 2012 an.

Für Bau von Bethäusern

"Ich finde, überall dort, wo Menschen für Bethäuser einen Bedarf haben, sollte es Bethäuser geben", gesteht Muzicant den Muslimen durchaus mehr Moscheen zu. "Nur müssen die Menschen dafür sorgen, dass diese Bethäuser gebaut werden. Das hat zwei Konsequenzen: Erstens müssen sie das Geld aufbringen und zweitens müssen sie dafür sorgen, dass sie Bethäuser bauen, die in das Land passen, wo sie gebaut werden."

Aber ohne Minarett

"Bethäuser sind Bethäuser, sie müssen die religiösen Grundlagen einer Religionsgemeinschaft erfüllen", meint Muzicant. Aber: "Für Minarette ist im Zeitalter des Handys und des SMS kein Bedarf." Es müsse auch möglich sein, muslimische Architekten zu finden, die eine eigene mitteleuropäische Moschee-Architektur entwickeln (Schakfeh wünscht sich ebenfalls einen europäischen Stil, Anm.). Sonst müsse man sich den Vorwurf gefallen lassen, aus Saudi-Arabien oder Istanbul "fremdgesteuert" zu sein.

Respektvolle Diskussion

Was Muzicant der Islamischen Gemeinde empfiehlt: "Sie werden von mir jetzt mehr und mehr zu hören bekommen, dass es eine vernünftige, respektvolle Diskussion braucht, wie sich der Islam in Österreich weiterentwickelt. Was derzeit abläuft, wird immer wieder zu Konflikten führen." Der IKG-Präsident glaubt, nicht, "dass man in Österreich Parallelgesellschaften akzeptieren kann, weder in der jüdischen noch in der muslimischen Gemeinde". Und weiter: "Wenn es Leute gibt, die sich nicht integrieren lassen wollen, dann haben sie in Österreich nichts verloren." Allerdings dürfe man auch "die große Mehrheit der Integrationswilligen nicht respektlos behandeln", warnt Muzicant. Als Beispiel nannte er das mittlerweile vom Netz genommene "idiotische, lächerliche, kindische" Anti-Minarettspiel der FPÖ Steiermark. Auch ein Integrations-Staatssekretariat verlangt Muzicant weiterhin und sieht in der Deutsch-Pflicht vor der Zuwanderung nur "eine Komponente" vieler notwendiger Maßnahmen.

Spannung vor IGGÖ-Wahlen

Gespannt erwartet Muzicant auch die ab November anstehenden Wahlen in der Islamischen Glaubensgemeinschaft. "Schauen wir einmal mit Respekt, was da raus kommt, ob es eine repräsentative Wahl ist." Die Befürchtung von Innenministerin Maria Fekter (V), der türkische Staat könnte danach Einfluss auf die Muslime in Österreich bekommen, teilt er. "Die Gefahr ist, dass die türkische Mehrheit von der türkischen Regierung oder von der AKP, also von einer türkischen Partei gelenkt wird."

Zuwanderungsoffensive der IKG

Die Israelitische Kultusgemeinde selbst bereitet derzeit eine Zuwanderungsoffensive vor. Ziel ist es, die Zahl der Juden in Österreich langfristig von 15.000 auf 20.000 bis 25.000 zu erhöhen, weswegen Verhandlungen mit der Politik anstehen. "Das ist eine Kooperation zwischen der öffentlichen Hand und der jüdischen Gemeinde, die da nicht einfach die Leute kommen lässt, sondern dafür sorgt, dass diese Menschen wertvolle Mitglieder der österreichischen Gesellschaft werden." Muzicant spricht von Fachkräften, Handwerkern aber auch Kulturschaffenden. Widerstand fürchtet er nicht: "Wir legen Wert darauf, dass das Leute sind, die integrierbar sind. Das ist ein Gewinn für Österreich."

Muzicant will nicht mehr kandidieren

Mittlerweile hat es die IKG auch geschafft, schuldenfrei zu werden (mit Ausnahme der Investitionsschulden) und jährlich ausgeglichen zu budgetieren. Vorangegangen ist dem ein harter Sparkurs. Bis zur Neuwahl in der Kultusgemeinde dauert es noch mehr als zwei Jahre, Muzicant will dann nicht mehr kandidieren. "Ich möchte nach 40 Jahren auch irgendwann einmal etwas anderes machen und Jüngeren die Möglichkeit geben sich einzubringen."

Neubau für Jüdisches Museum?

Ariel Muzicant empfiehlt einen Neubau für das Jüdische Museum in der Bundeshauptstadt. Er schlug im Interview mit der APA vor, den jetzigen Standort in der Dorotheergasse zu verkaufen und um dasselbe Geld einen Neubau am Morzinplatz zu errichten. Muzicant kann sich auch vorstellen, dass dort neben dem Museum auch das IKG-Archiv sowie das Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI) Platz finden.

Stadt Wien soll zahlen

"Ich habe immer vorgeschlagen, dass man das Gebäude verkauft und ein ordentliches Museum neu baut, aber bis jetzt hat die Politik nicht den Mut dazu gehabt", so Muzicant, der auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des Jüdischen Museums ist. Am Ball seien allerdings die neue Direktorin Danielle Spera sowie die Politik: "Es ist nicht das Museum der Juden, es ist das der Stadt Wien." Konkret nimmt der IKG-Vorsitzende dabei den zukünftigen Kulturstadtrat in die Pflicht. Für Muzicant würde ein Neubau auch einen "riesigen Gewinn" für die Stadt bedeuten.

Museum zu klein

Vor allem zu klein sei der jetzige Standort des Jüdischen Museums in der Innenstadt. "Ich finde, dass man dieses Haus für ein Jüdisches Museum vergewaltigt hat. Wir haben die zweitgrößte jüdische Sammlung in ganz Europa und haben überhaupt keinen Platz, sie darzustellen." Synergien schaffen könne man auch mit anderen Einrichtungen gemeinsam in einem Neubau, etwa dem Wiesenthal Institut, das eben erst einen Platz im Palais Strozzi in der Wiener Josefstädterstraße gefunden hat. Wien könnte das attraktivste jüdische Museum Europas bekommen und tausende zusätzliche Besucher anlocken, so Muzicant.

Hohe Erwartungen an Spera

An die neue Direktorin Spera hat Muzicant hohe Erwartungen. "Man muss ihr eine Chance geben, neu zu beginnen." Der IKG-Präsident erwartet sich unter ihrer Führung "jede Menge Neuheiten". Auch was die Diskussion über einen Neubau betrifft, hat er "volles Vertrauen, dass die Frau Dr. Spera das gut machen wird".

 

 

 

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Israelitische Kultusgemeinde

 
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