Muzicant für mehr Moscheen - aber ohne Minarette
Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Ariel
Muzicant, fordert mehr Moscheen - allerdings ohne Minarette. Im
APA-Interview fragt er sich: "Wo steht geschrieben, dass Bethaus-Architektur
"importiert" sein muss?" Zudem fordert er eine "respektvolle
Islam-Diskussion".
Den Zuzug von jährlich 500 bis 1.000 Juden nach
Österreich will die IKG nach der Wien-Wahl verhandeln. Nach 40 Jahren in
verschiedensten IKG-Funktionen kündigte Muzicant seinen Rückzug als
Präsident für 2012 an.
Für Bau von Bethäusern
"Ich finde, überall dort, wo Menschen für Bethäuser
einen Bedarf haben, sollte es Bethäuser geben", gesteht Muzicant den
Muslimen durchaus mehr Moscheen zu. "Nur müssen die Menschen dafür sorgen,
dass diese Bethäuser gebaut werden. Das hat zwei Konsequenzen: Erstens
müssen sie das Geld aufbringen und zweitens müssen sie dafür sorgen, dass
sie Bethäuser bauen, die in das Land passen, wo sie gebaut werden."
Aber ohne Minarett
"Bethäuser sind Bethäuser, sie müssen die religiösen
Grundlagen einer Religionsgemeinschaft erfüllen", meint Muzicant. Aber: "Für
Minarette ist im Zeitalter des Handys und des SMS kein Bedarf." Es müsse
auch möglich sein, muslimische Architekten zu finden, die eine eigene
mitteleuropäische Moschee-Architektur entwickeln (Schakfeh wünscht sich
ebenfalls einen europäischen Stil, Anm.). Sonst müsse man sich den Vorwurf
gefallen lassen, aus Saudi-Arabien oder Istanbul "fremdgesteuert" zu sein.
Respektvolle Diskussion
Was Muzicant der Islamischen Gemeinde empfiehlt: "Sie
werden von mir jetzt mehr und mehr zu hören bekommen, dass es eine
vernünftige, respektvolle Diskussion braucht, wie sich der Islam in
Österreich weiterentwickelt. Was derzeit abläuft, wird immer wieder zu
Konflikten führen." Der IKG-Präsident glaubt, nicht, "dass man in Österreich
Parallelgesellschaften akzeptieren kann, weder in der jüdischen noch in der
muslimischen Gemeinde". Und weiter: "Wenn es Leute gibt, die sich nicht
integrieren lassen wollen, dann haben sie in Österreich nichts verloren."
Allerdings dürfe man auch "die große Mehrheit der Integrationswilligen nicht
respektlos behandeln", warnt Muzicant. Als Beispiel nannte er das
mittlerweile vom Netz genommene "idiotische, lächerliche, kindische"
Anti-Minarettspiel der FPÖ Steiermark. Auch ein
Integrations-Staatssekretariat verlangt Muzicant weiterhin und sieht in der
Deutsch-Pflicht vor der Zuwanderung nur "eine Komponente" vieler notwendiger
Maßnahmen.
Spannung vor IGGÖ-Wahlen
Gespannt erwartet Muzicant auch die ab November
anstehenden Wahlen in der Islamischen Glaubensgemeinschaft. "Schauen wir
einmal mit Respekt, was da raus kommt, ob es eine repräsentative Wahl ist."
Die Befürchtung von Innenministerin Maria Fekter (V), der türkische Staat
könnte danach Einfluss auf die Muslime in Österreich bekommen, teilt er.
"Die Gefahr ist, dass die türkische Mehrheit von der türkischen Regierung
oder von der AKP, also von einer türkischen Partei gelenkt wird."
Zuwanderungsoffensive der IKG
Die Israelitische Kultusgemeinde selbst bereitet
derzeit eine Zuwanderungsoffensive vor. Ziel ist es, die Zahl der Juden in
Österreich langfristig von 15.000 auf 20.000 bis 25.000 zu erhöhen, weswegen
Verhandlungen mit der Politik anstehen. "Das ist eine Kooperation zwischen
der öffentlichen Hand und der jüdischen Gemeinde, die da nicht einfach die
Leute kommen lässt, sondern dafür sorgt, dass diese Menschen wertvolle
Mitglieder der österreichischen Gesellschaft werden." Muzicant spricht von
Fachkräften, Handwerkern aber auch Kulturschaffenden. Widerstand fürchtet er
nicht: "Wir legen Wert darauf, dass das Leute sind, die integrierbar sind.
Das ist ein Gewinn für Österreich."
Muzicant will nicht mehr kandidieren
Mittlerweile hat es die IKG auch geschafft,
schuldenfrei zu werden (mit Ausnahme der Investitionsschulden) und jährlich
ausgeglichen zu budgetieren. Vorangegangen ist dem ein harter Sparkurs. Bis
zur Neuwahl in der Kultusgemeinde dauert es noch mehr als zwei Jahre,
Muzicant will dann nicht mehr kandidieren. "Ich möchte nach 40 Jahren auch
irgendwann einmal etwas anderes machen und Jüngeren die Möglichkeit geben
sich einzubringen."
Neubau für Jüdisches Museum?
Ariel Muzicant empfiehlt einen Neubau für das Jüdische
Museum in der Bundeshauptstadt. Er schlug im Interview mit der APA vor, den
jetzigen Standort in der Dorotheergasse zu verkaufen und um dasselbe Geld
einen Neubau am Morzinplatz zu errichten. Muzicant kann sich auch
vorstellen, dass dort neben dem Museum auch das IKG-Archiv sowie das
Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI) Platz finden.
Stadt Wien soll zahlen
"Ich habe immer vorgeschlagen, dass man das Gebäude
verkauft und ein ordentliches Museum neu baut, aber bis jetzt hat die
Politik nicht den Mut dazu gehabt", so Muzicant, der auch stellvertretender
Aufsichtsratsvorsitzender des Jüdischen Museums ist. Am Ball seien
allerdings die neue Direktorin Danielle Spera sowie die Politik: "Es ist
nicht das Museum der Juden, es ist das der Stadt Wien." Konkret nimmt der
IKG-Vorsitzende dabei den zukünftigen Kulturstadtrat in die Pflicht. Für
Muzicant würde ein Neubau auch einen "riesigen Gewinn" für die Stadt
bedeuten.
Museum zu klein
Vor allem zu klein sei der jetzige Standort des
Jüdischen Museums in der Innenstadt. "Ich finde, dass man dieses Haus für
ein Jüdisches Museum vergewaltigt hat. Wir haben die zweitgrößte jüdische
Sammlung in ganz Europa und haben überhaupt keinen Platz, sie darzustellen."
Synergien schaffen könne man auch mit anderen Einrichtungen gemeinsam in
einem Neubau, etwa dem Wiesenthal Institut, das eben erst einen Platz im
Palais Strozzi in der Wiener Josefstädterstraße gefunden hat. Wien könnte
das attraktivste jüdische Museum Europas bekommen und tausende zusätzliche
Besucher anlocken, so Muzicant.
Hohe Erwartungen an Spera
An die neue Direktorin Spera hat Muzicant hohe
Erwartungen. "Man muss ihr eine Chance geben, neu zu beginnen." Der
IKG-Präsident erwartet sich unter ihrer Führung "jede Menge Neuheiten". Auch
was die Diskussion über einen Neubau betrifft, hat er "volles Vertrauen,
dass die Frau Dr. Spera das gut machen wird".
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Israelitische
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