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News 01. 04. 2011

US-Studie: Religion wird in Österreich aussterben

Eine auf Volkszählungs-Daten und einem mathematischen Modell basierende Studie aus den USA sagt voraus, dass die Religion in neun Ländern der Welt aussterben wird. Darunter ist auch Österreich. Der österreichische Religionswissenschafter Johann Figl rät den Autoren, sich in den Themenbereich Religion einzuarbeiten, bevor sie derartige Prognosen erstellen.

Die Studie, die laut einem Bericht auf der Homepage der BBC bei einer Tagung der „American Physical Society“ Ende März in Dallas vorgestellt wurde, bezieht sich auf die stetig steigenden Zahlen derer, die „keine religiöse Zugehörigkeit“ bei Volkszählungen angeben.

In neun Ländern, Australien, Österreich, Kanada, Tschechien, Finnland, Irland, den Niederlanden, Neuseeland und der Schweiz, würde demnach die Religion in Zukunft fast komplett verschwinden.

Religionen wie Sprachen?

Für die Analyse wurde ein mathematisches System verwendet, das in ähnlicher Form schon für andere Bevölkerungsentwicklungen in verschiedenen Bereichen verwendet wurde. So wurde unter anderem das langsame Verschwinden von seltenen Sprachen untersucht. Grundsätzlich geht es dabei um die Konkurrenz zwischen den Sprechern verschiedener Sprachen und der „Nützlichkeit“ der Fähigkeit, seltene Sprachen zu sprechen. "Es gibt viele Sprachen auf der Welt, die langsam verschwinden", erklärt einer der Studienautoren, Richard Wiener von der "Research Corporation for Science Advancement", auf Anfrage von religion.ORF.at. "Wir gehen davon aus, dass sich Religionen ähnlich verhalten könnten."

Im BBC-Artikel erkärte Wiener die angenommen Gründe hinter dieser angeblichen Entwicklung: „Die Idee ist eigentlich recht einfach. Sie postuliert, dass soziale Gruppen, die mehr Mitglieder haben, attraktiver für Außenstehende sind. Und sie postuliert, dass soziale Gruppen auch einen sozialen Status oder eine soziale Nützlichkeit aufweisen.“

Die „Nützlichkeit“ von Religion

Für das Sprachen-Beispiel bedeute das, so Wiener, dass eine Sprache, die von vielen Menschen gesprochen wird, für den Einzelnen nützlicher ist als eine sehr seltene Sprache. Für Religionen gehen sie von der gleichen Regel aus, ungeachtet dessen, dass in vielen Teilen der Welt gerade jene religiösen Gruppen, die selbst nur Minderheiten darstellen, den meisten Zulauf erfahren. "Wenn eine Gruppe weniger Mitglieder hat, tendiert sie dazu, weniger attraktiv zu sein", erklärt Wiener gegnüber religion.ORF.at "Aber gleichzeitig kann sie andere Eigenschaften haben, die sie wiederum attraktiver machen." Über einen langen Zeitraum gesehen würden größere Gruppen aber dennoch immer größer werden, während kleinere dazu tendieren, zu verschwinden.

Zwar gaben die Autoren zu, dass bei der Entscheidung über die individuelle Religionszugehörigkeit eine Menge Faktoren mitspielten, die die Studie nicht erheben könne. Allerdings, so Wiener, liefere sie dennoch zumindest eine „Annäherung“ an die Realität. Für die Stadt Wien sagt er voraus, dass im Jahr 2050 bereits 60 Prozent ohne religiöses Bekenntnis sein werden.

Figl: Aussterben unwahrscheinlich

Der Vorstand des Instituts für Religionswissenschaft an der Universität Wien, Prof. DDr. Johann Figl, kann der Studie nicht viel abgewinnen. „Natürlich stimmt es, dass jene Menschen, die keiner Religion offiziell angehören, immer mehr werden“, sagt Figl im Interview mit religion.ORF.at, „aber das heißt nicht, dass die Religiosität an sich verschwindet.“ Ein Aussterben der Religion in Österreich hält er demnach für ausgeschlossen. Zwar gebe es durchaus Verschiebungen in der religiösen Landschaft, aber gleichzeitig auch religiöse Gruppen, die im Wachsen begriffen seien. „Es mag sein, dass die eine oder andere Form der institutionalisierten Religion mit der Zeit verschwindet – dafür gibt es genug Beispiele in der Geschichte. Aber es wird immer andere Formen geben, die an ihre Stelle treten.“

Auch den Vergleich mit dem Aussterben von Sprachen kann der Religionswissenschafter nicht nachvollziehen: „Religionen haben eine grundlegend andere Funktion als Sprachen, die weit über ihre unmittelbare Nützlichkeit hinaus geht“, erklärt Figl. Diese „Nützlichkeit“ hänge bei Religionen – im Unterschied zu Sprachen – nicht direkt mit der Anzahl ihrer Mitglieder zusammen.

„Diese Studie bietet zwar eine interessante Perspektive, die mir so noch nicht untergekommen ist“, so Figl, „aber grundsätzlich würde ich den Naturwissenschaften schon raten, sich vor derartigen Behauptungen ein bisschen in das Themenfeld Religion einzuarbeiten.“

 

Michael Weiß, religion.ORF.at

 
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