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News 03. 05. 2011

Islam-Gelehrte: Bin Ladens Seebestattung nicht zulässig

Die Seebestattung des getöteten Al-Kaida-Chefs Osama Bin Laden durch die US-Armee stößt in der islamischen Welt auf Kritik.

Ranghohe muslimische Geistliche verwiesen darauf, dass im Islam mit wenigen Ausnahmen nur eine Erdbestattung zulässig ist. Das US-Verteidigungsministerium betonte dagegen, die islamischen Gebote seien bei der Bestattung Bin Ladens eingehalten worden. An Bord des US-Flugzeugträgers "Carl Vinson" habe im Arabischen Meer eine Zeremonie nach islamischer Tradition stattgefunden.

Der Umgang mit einem Leichnam ist im Islam detailliert geregelt. Tote müssen rasch beerdigt werden. Im Orient werden verstorbene Muslime oft noch am Todestag begraben. Zuvor ist der Leichnam von Angehörigen des gleichen Geschlechts nach bestimmten Regeln zu waschen und in ein weißes Leichentuch zu hüllen. Außerdem verrichten die Gläubigen ein Totengebet. Anders als von deutschen Friedhofsordnungen in aller Regel vorgeschrieben, werden Muslime traditionell nicht im Sarg beerdigt. Das Grab sollte so ausgehoben werben, dass der Verstorbene in Richtung Mekka schaut.

Nur in Ausnahmefällen

Eine Bestattung auf See sieht der Islam generell nicht vor. Allerdings gibt es eine Ausnahme, wie der einstige Präsident der türkischen Religionsbehörde Diyanet, Ömer Nasuhi Bilmen, in seinem islamischen Katechismus erklärte. Wenn der Verstorbene nicht binnen kurzer Zeit an Land gebracht werden könne, dürfe er auf hoher See bestattet werden. Auch dann sollte die Leiche gewaschen und in ein Tuch gehüllt werden. Anschließend sollte das islamische Totengebet verrichtet und der Leichnam Richtung Mekka ins Wasser gelassen werden.

Über die Details der Seebestattung gibt es dem Katechismus zufolge Meinungsverschiedenheiten zwischen den islamischen Rechtsschulen. Nach einer verbreiteten Tradition sollte die Leiche mit einem Stein beschwert werden, damit sie auf den Meeresboden sinkt. Einer anderen Rechtsmeinung zufolge sollte der Leichnam demnach auf zwei Holzstücken schwimmen. Dann bestehe die Möglichkeit, dass der Verstorbene an Land geschwemmt werde und dort begraben werden könne.

Kritik aus Ägypten, Indonesien

Der Islam sei allerdings "ganz und gar gegen" diese Form der Beisetzung, sagte Mahmud Asab, Berater des ägyptischen Religionsführers Ahmed el Tajeb, am Montag in Kairo der Nachrichtenagentur AFP. Nach islamischer Sitte müssten Tote beerdigt werden. Nur in Notfällen wie etwa einem Schiffsunglück seien Seebestattungen zulässig, sagte Asab und kündigte dazu auch eine offizielle Erklärung El Tajebs an.

Auch Religionsgelehrte aus Indonesien haben die Seebestattung als unislamisch kritisiert: "Bei einem Muslim, egal welchen Berufs, sogar bei einem Kriminellen, müssen die Riten respektiert werden", sagte am Dienstag der Vorsitzende des indonesischen Ulema-Rates, des höchsten islamischen Gremiums in dem Land. "Es muss ein Gebet geben, und die Leiche muss in ein weißes Tuch gehüllt werden, bevor sie in der Erde bestattet wird, nicht im Meer", sagte der Religionsgelehrte Amidhan. "Viele andere haben das verurteilt, vor allem weil es mit außergewöhnlichem Hass gegen ihn (Bin Laden) vollzogen wurde."

Lohlker: Falscher Diskurs

Für den Wiener Islamwissenschaftler Rüdiger Lohlker ist dieser angebliche "außergewöhnliche Hass" der zentrale Punkt in der Diskussion um Bin Ladens Bestattung. Grundsätzlich sehe der Islam zwar eindeutig eine Erdbestattung vor, so Lohlker im religion.ORF.at-Interview, allerdings könne man sicherlich auch einzelne Fatwas finden, die das Vorgehen der US-Regierung rechtfertigen würde. Tatsächlich gehe es allerdings um etwas ganz anderes: "Die Nicht-Beachtung der Bestattungsriten ist hier nicht so sehr das Problem. Es geht darum, dass diese von bestimmten Kreisen als gezielte Erniedrigung interpretiert wird, um einen "Opfer-Diskurs" aufrecht zu erhalten." Nicht nur Bin Laden, sondern alle Muslime würden im Zuge dessen als Opfer der USA dargestellt und somit gegen diese aufgestachelt, meint Lohlker. "Es wäre also falsch, jetzt über Riten und deren Einhaltung zu diskutieren, wenn es eigentlich gar nicht so sehr darum geht."

 

(APA, AFP, religion.ORF.at)

 

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