Islam-Gelehrte: Bin Ladens Seebestattung nicht zulässig
Die Seebestattung des getöteten Al-Kaida-Chefs Osama Bin Laden durch die
US-Armee stößt in der islamischen Welt auf Kritik.
Ranghohe muslimische Geistliche verwiesen darauf, dass
im Islam mit wenigen Ausnahmen nur eine Erdbestattung zulässig ist. Das
US-Verteidigungsministerium betonte dagegen, die islamischen Gebote seien
bei der Bestattung Bin Ladens eingehalten worden. An Bord des
US-Flugzeugträgers "Carl Vinson" habe im Arabischen Meer eine Zeremonie nach
islamischer Tradition stattgefunden.
Der Umgang mit einem Leichnam ist im Islam detailliert
geregelt. Tote müssen rasch beerdigt werden. Im Orient werden verstorbene
Muslime oft noch am Todestag begraben. Zuvor ist der Leichnam von
Angehörigen des gleichen Geschlechts nach bestimmten Regeln zu waschen und
in ein weißes Leichentuch zu hüllen. Außerdem verrichten die Gläubigen ein
Totengebet. Anders als von deutschen Friedhofsordnungen in aller Regel
vorgeschrieben, werden Muslime traditionell nicht im Sarg beerdigt. Das Grab
sollte so ausgehoben werben, dass der Verstorbene in Richtung Mekka schaut.
Nur in Ausnahmefällen
Eine Bestattung auf See sieht der Islam generell nicht
vor. Allerdings gibt es eine Ausnahme, wie der einstige Präsident der
türkischen Religionsbehörde Diyanet, Ömer Nasuhi Bilmen, in seinem
islamischen Katechismus erklärte. Wenn der Verstorbene nicht binnen kurzer
Zeit an Land gebracht werden könne, dürfe er auf hoher See bestattet werden.
Auch dann sollte die Leiche gewaschen und in ein Tuch gehüllt werden.
Anschließend sollte das islamische Totengebet verrichtet und der Leichnam
Richtung Mekka ins Wasser gelassen werden.
Über die Details der Seebestattung gibt es dem
Katechismus zufolge Meinungsverschiedenheiten zwischen den islamischen
Rechtsschulen. Nach einer verbreiteten Tradition sollte die Leiche mit einem
Stein beschwert werden, damit sie auf den Meeresboden sinkt. Einer anderen
Rechtsmeinung zufolge sollte der Leichnam demnach auf zwei Holzstücken
schwimmen. Dann bestehe die Möglichkeit, dass der Verstorbene an Land
geschwemmt werde und dort begraben werden könne.
Kritik aus Ägypten, Indonesien
Der Islam sei allerdings "ganz und gar gegen" diese
Form der Beisetzung, sagte Mahmud Asab, Berater des ägyptischen
Religionsführers Ahmed el Tajeb, am Montag in Kairo der Nachrichtenagentur
AFP. Nach islamischer Sitte müssten Tote beerdigt werden. Nur in Notfällen
wie etwa einem Schiffsunglück seien Seebestattungen zulässig, sagte Asab und
kündigte dazu auch eine offizielle Erklärung El Tajebs an.
Auch Religionsgelehrte aus Indonesien haben die
Seebestattung als unislamisch kritisiert: "Bei einem Muslim, egal welchen
Berufs, sogar bei einem Kriminellen, müssen die Riten respektiert werden",
sagte am Dienstag der Vorsitzende des indonesischen Ulema-Rates, des
höchsten islamischen Gremiums in dem Land. "Es muss ein Gebet geben, und die
Leiche muss in ein weißes Tuch gehüllt werden, bevor sie in der Erde
bestattet wird, nicht im Meer", sagte der Religionsgelehrte Amidhan. "Viele
andere haben das verurteilt, vor allem weil es mit außergewöhnlichem Hass
gegen ihn (Bin Laden) vollzogen wurde."
Lohlker: Falscher Diskurs
Für den Wiener Islamwissenschaftler Rüdiger Lohlker ist dieser angebliche
"außergewöhnliche Hass" der zentrale Punkt in der Diskussion um Bin Ladens
Bestattung. Grundsätzlich sehe der Islam zwar eindeutig eine Erdbestattung
vor, so Lohlker im religion.ORF.at-Interview, allerdings könne man
sicherlich auch einzelne Fatwas finden, die das Vorgehen der US-Regierung
rechtfertigen würde. Tatsächlich gehe es allerdings um etwas ganz anderes:
"Die Nicht-Beachtung der Bestattungsriten ist hier nicht so sehr das
Problem. Es geht darum, dass diese von bestimmten Kreisen als gezielte
Erniedrigung interpretiert wird, um einen "Opfer-Diskurs" aufrecht zu
erhalten." Nicht nur Bin Laden, sondern alle Muslime würden im Zuge dessen
als Opfer der USA dargestellt und somit gegen diese aufgestachelt, meint
Lohlker. "Es wäre also falsch, jetzt über Riten und deren Einhaltung zu
diskutieren, wenn es eigentlich gar nicht so sehr darum geht."
(APA, AFP, religion.ORF.at)
Mehr zum Thema:
Die Orientierung zeigt am kommenden Sonntag, dem 8.
Mai, anlässlich der Tötung von Osama Bin Laden einen Beitrag zum Thema
„Jubel über den Tod“.
5.5.2011: Kirchliche Reaktionen nach Bin-Laden-Tod: Zustimmung und Kritik
5.5.2011: Katholische
Presse: Unterschiedliche Meinungen zum Tod von Bin Laden
5.5.2011: Bin Laden-Tod:
Österreichische Theologen üben Kritik
3.5.2011: Vatikan gegen
freudige Raktion auf Tod von Bin Laden
|