Exorzismus: Erzdiözese Wien weist "Falter"-Bericht zurück
Die Erzdiözese Wien achtet "selbstverständlich die Grenze zwischen
medizinischer Therapie und Seelsorge" und gab an „Befreiungsgebete nur auf
ausdrücklichen Wunsch von Betroffenen“ zu vollziehen.
Die Erzdiözese Wien hat Presseberichte über angebliche
Exorzismen oder entsprechende Patientenkontakte in einem Wiener Krankenhaus
zurückgewiesen. Es würden "weder im SMZ Ost (Sozialmedizinisches Zentrum
Ost) noch in irgendeinem anderen Krankenhaus Exorzismen gebetet", und auch
seitens des für das Befreiungsgebet beauftragten Priesters der Erzdiözese
Wien, Prof. Larry Hogan, keinerlei Gespräche mit Patienten in Spitälern in
diese Richtung geführt, heißt es in einer von der Erzdiözese Wien
veröffentlichten Erklärung.
„Befreiungsgebete“
Vorausgegangen war ein Bericht der Wiener Wochenzeitung
"Falter", demzufolge es eine Kooperation in besagtem Krankenhaus zwischen
einem Seelsorger der Erzdiözese Wien und einem Oberarzt der
Neuropsychiatrischen Station des Spitals gegeben habe. Die Kirche achte
"selbstverständlich die Grenze zwischen medizinischer Therapie und
Seelsorge", wurde von Seiten der Erzdiözese dazu hervorgehoben. Außerdem
würden "Befreiungsgebete" - um nichts anderes handle es sich nämlich bei dem
missverständlichen und skandalumwitterten Wort "Exorzismus" -
"ausschließlich Menschen angeboten, die darum bitten".
„Filme verzerren Bild des Exorzismus“
Wie der Pressesprecher der Erzdiözese, Michael Prüller,
am Donnerstag im ORF-Mittagsjournal ergänzte, würden sich zunehmend mehr
Menschen wegen Exorzismus an die Kirche wenden. In vielen Filmen sei eine
völlig verzerrte Darstellung von Exorzismus und Besessenheit zu sehen.
Exorzismus sei ein Gebet, das Menschen durch die Anrufung Gottes eine
Befreiung von etwas ermöglicht, von dem sie glauben, dass es von ihnen
Besitz ergriffen habe.
„Exorzisten schicken Betroffene häufig zum Arzt“
Seitens der Kirche würden Exorzismen nur auf Wunsch und
in klarer Abgrenzung zur Schulmedizin angewendet. Gelegentlich würden auch
Psychiater oder Psychotherapeuten Patienten, bei denen sie trotz Anwendung
aller ihnen zur Verfügung stehenden Methoden keine Heilung erreichen, auf
mögliche Hilfe durch ein kirchlicher Befreiungsgebet verweisen. Umgekehrt
sei es aber viel häufiger der Fall, dass Exorzisten Betroffene zum Arzt oder
Psychotherapeuten schicken, hob der Pressesprecher hervor.
Prüfung durch Wiener Spitäler
Überrascht über den "Falter"-Bericht hatte sich auch
die Generaldirektion des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV) gezeigt und
erklärt: "Exorzismus oder exorzismusähnliche Interventionen werden in den
Spitälern der Stadt Wien nicht geduldet". Derzeit finde eine Prüfung durch
den KAV statt, ob in der jüngsten Vergangenheit gegen Dienstpflichten in
diesem Zusammenhang verstoßen wurde.
Oberarzt sorgt für Diskussion
Der "Falter" verweist in seinem Bericht auf eine Tagung
im Jahr 2007 in Graz, die dem Thema "Religiosität in Psychiatrie und
Psychotherapie" gewidmet war. U.a. sei dabei über die Frage diskutiert
worden, ob es eine "Besessenheit jenseits der Psychose" gebe. "Die
Organisatoren eines der Workshops beantworteten diese Frage mit Ja", so der
"Falter". Was keiner großen Erwähnung wert wäre, würde es sich bei einem der
Seminarleiter nicht um einen Oberarzt an der Neuropsychiatrischen Station
SMZ-Ost, dem zweitgrößten Krankenhaus Wiens, handeln.
„Exorzist arbeitet mit Arzt zusammen“
Der Mediziner habe den "Besessenheits"-Workshop
gemeinsam mit dem für das Befreiungsgebet beauftragten Priester der
Erzdiözese Wien, Hogan, geleitet, heißt es im "Falter" weiter. Auf der
Internetseite des Grazer Kongresses hätten die beiden schließlich angegeben,
bei gewissen Patienten zusammenzuarbeiten.
Internationaler Cluster spricht von "Besessenheit"
Tatsächlich benennt selbst der von der
Weltgesundheitsorganisation herausgegebene, international zur Klassifikation
von Krankheiten gebräuchliche ICD-10-Cluster (International Statistical
Classification of Diseases and Related Health Problems) im Bereich der
sogenannten "dissoziativen Störungen" die Möglichkeit von "Trance- und
Besessenheitszuständen".
„Wissenschaftliche Grundlagen“
Weiter heißt es in dem Cluster: "Körperliche
Untersuchung und Befragungen geben keinen Hinweis auf eine bekannte
somatische oder neurologische Krankheit." D.h. selbst im Fall einer
Kooperation zwischen einem pastoralen kirchlichen Dienst und einem
psychiatrischen Dienst könne man sich auf wissenschaftliche Grundlagen
berufen, heißt es dazu von Seiten des Referats für Weltanschauungsfragen der
Erzdiözese Wien.
Vertreibung böser Mächte
Allgemein wird unter dem Begriff "Exorzismus" die
rituelle Vertreibung böser Mächte und Geister aus Personen, Lebewesen oder
Gegenständen verstanden. Solche Praktiken gibt es in allen Kulturen. Sie
sollen der ganzheitlichen Reinigung und Heilung dienen. Das Wort leitet sich
vom griechischen Begriff "exorkizein" ab und bedeutet "herausbeschwören".
Bitte an Gott
Die katholische Kirche versteht unter dem Begriff eine
Bitte an Gott, den Menschen aus der Macht des Bösen zu befreien. In
einfacher Form wird er bei der Taufe vollzogen. Der sogenannte feierliche
oder "Große Exorzismus" darf laut dem Kirchenrecht von 1983 nur nach
Genehmigung des zuständigen Bischofs von einem geeigneten Priester
vorgenommen werden.
Neue Richtlinien seit 1999
1999 legte der Vatikan neue Richtlinien vor, um stärker
die Erkenntnisse der Medizin und Psychiatrie zu berücksichtigen. Die
90-seitige Sammlung von Gebeten, Segens- und Beschwörungsformeln ersetzte
eine Fassung von 1614. Nach den neuen Regelungen muss ein Exorzist
sorgfältig überprüfen, ob tatsächlich ein Fall von Besessenheit vorliegt.
Gegebenenfalls sollte er sich mit Medizinern und Psychiatern beraten. Fälle
tatsächlicher Besessenheit gelten als sehr selten.
(KAP)
Siehe auch
- Wiener Spitalpsychiater soll mit Exorzisten kooperiert haben
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