Wien: Religionsvertreter diskutierten Rolle der Religion im modernen Europa
Bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „Welchen Beitrag können Religionen für Europa leisten?“ trafen am Dienstag ranghohe Vertreter der drei großen abrahamitischen Weltreligionen in Wien zusammen.
„Welchen Beitrag können Religionen für Europa leisten?“ und „Was würde fehlen, wenn es in Europa keine Religion mehr gäbe?“ Diese Fragen erörterten Vertreter von Judentum, Christentum und Islam am vergangenen Dienstag, 24. Jänner, unter der Leitung von „Orientierung“-Redakteurin Maria Katharina Moser bei einer Podiumsdiskussion in Wien. Organisiert wurde die Veranstaltung von der interdisziplinären „Forschungsplattform Religion and Transformation in Contemporary European Society“ der Universität Wien.
Bünker: „Menschenrechte als gemeinsame Basis“
Religion in Europa sei nur mehr denkbar als eine, die durch die Aufklärung gegangen ist, sagte etwa der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker. Dass sich die unterschiedlichen Kirchen und Religionsgemeinschaften trotz ihres jeweiligen Wahrheitsanspruches tolerierten und akzeptierten, sei eine relativ junge Entwicklung. „Heute gehen wir davon aus, dass die Menschenrechte Basis des Zusammenlebens sind. Diese sind ein Projekt der europäischen Aufklärung“, so Bünker. Angesichts des wirtschaftlichen Drucks auf Europa warnte er gleichzeitig vor dem bekannten Muster, Religion für nationalistische oder rechtspopulistische Vorstellungen zu instrumentalisieren: „Das ist ein Alarmzeichen!“
Scheuer: „Kein Glauben ohne Vernunft“
Auch der römisch-katholische Diözesanbischof von Innsbruck, Manfred Scheuer, beurteilte das Verhältnis von Religion und Aufklärung positiv: „Religion steht nicht gegen die Aufklärung oder umgekehrt. Es gibt keinen Glauben ohne Vernunft, durch sie wird er geordnet und geläutert“, betonte Scheuer, der in der Österreichischen Bischofskonferenz für die Ökumene zuständig ist. Ohne Religion gäbe es keine Würde etwa für Schwache und Kranke, die Menschen würden dann nur noch nach ökonomischen Gesichtspunkten beurteilt.
Dura: „Religiosität natürlicher Bestandteil des Menschseins“
Für Nicolae Dura, rumänisch-orthodoxer Bischofsvikar und Vorsitzender des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, ist Religiosität ein natürlicher Bestandteil des Menschseins. Ohne die Kirchen und Religionen würde Europa anders aussehen. „Wo wären die moralischen Werte? Wo wären die Feiertage? Die Haltung des Menschen wäre nur mehr von Hedonismus und dem Streben nach Geld geprägt“, so Dura.
Sejdini: „Menschen brauchen etwas, woran sie glauben können“
Auch für Zekirija Sejdini, Vorsitzender des Schurarates der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, ist der Glaube an einen Gott eine natürliche Veranlagung im Menschen. Sejdini, der im ehemaligen Jugoslawien, einem kommunistischen Staat, aufgewachsen ist, erinnert sich: „Es ist damals nicht gelungen, die Religionen abzuschaffen. Man versuchte, sie durch andere Dinge zu ersetzen.“ Die Menschen bräuchten aber etwas, woran sie glauben könnten. Fehle dies, würden sie andere Dinge erfinden: „Es ist fraglich, ob das dann besser ist als Religion“.
Eisenberg: „Auch Nichtreligiöse einbeziehen“
Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg von der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien betonte ebenfalls den wichtigen Stellenwert von Religionen für Europa, machte aber darauf aufmerksam, dass auch säkulare Menschen Werte hätten und nach ethischen Prinzipien handeln könnten. „Vielleicht wäre Europa in manchen Dingen ohne Religionen einfacher zu handhaben“, so der Oberrabbiner. Lobend erwähnte Eisenberg, dass sich die drei monotheistischen Weltreligionen langsam ihrer gemeinsamen Werte bewusst würden. „Früher sprach man von christlichen Werten. Dann begann man, von jüdisch-christlichen Werten zu sprechen und heute sind es Werte der abrahamitischen Religionen. Das ist eigentlich ein Fortschritt.“ Man müsse in Wertedebatten aber auch jene einbeziehen, die keiner dieser Religionen angehören, so Eisenberg.
(epdÖ, religion.ORF.at)
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